Schon einen Tag vor seiner Vorstellung präsentierte sich Lars Ricken beim öffentlichen Training in Dortmund-Brackel. Ein paar Minuten guckte er sich die Einheit der Mannschaft an, sprach rund zehn Minuten mit Sportdirektor Sebastian Kehl am Spielfeldrand und verließ anschließend, nicht ohne ein paar Medienvertreter zu begrüßen, das Trainingsgelände.
Lars Ricken: "Mörderaufgabe" für den neuen BVB-Boss
Plötzlich im Scheinwerferlicht
Die Message ist klar: Ich bin da!
Ricken plötzlich im Scheinwerferlicht – „Keine neue Rolle!“
Dass er sich auf und neben dem Fußballplatz noch etwas wohler fühlt als im Scheinwerferlicht, zeigte seine Präsentation im Medien-Raum des Signal-Iduna-Parks. Ricken wirkte minimal nervös, aber nicht weniger freudig und fokussiert auf seine Aufgabe. Gelegenheiten, sich an diese bislang noch ungewohnte Situation im Fokus der Aufmerksamkeit zu gewöhnen, wird er noch viele haben.
Denn auch das wird in Zukunft, anders als noch zuletzt im Nachwuchsleistungszentrum, zu seinen Aufgaben als sportlicher Gesamtverantwortlicher gehören.
„Die Öffentlichkeit ist für mich natürlich insofern keine neue Rolle, weil ich ja auch schon als Spieler stark in der Öffentlichkeit war - damals natürlich vielleicht noch ein weniger Social Media. […] Das ist nichts, wovor ich mich scheue“, gab sich Ricken selbstbewusst.
BVB-Geschäftsführer Ricken „rockt“ Präsidialausschuss
Den Präsidialausschuss hat er mit seinem Plan schon einmal „gerockt“, wie BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow die Sitzung vor wenigen Wochen beschrieb. Die Frage nach dem „Wie?“ schob Ricken direkt an den 70-Jährigen weiter. Gelungen sei das dem BVB-Urgestein (seit 1990 im Verein), indem er „sein Konzept vollständig vorgestellt, perfekt vorbereitet und nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft bezogen“ hatte. Eine Eigenschaft, die beim BVB hoch im Kurs steht.
Auch wenn der 47-Jährige immer wieder auf seine Zeit als Spieler hinweist, zeigt sein bisheriger beruflicher Management-Werdegang sehr wohl seine Fähigkeit, Strukturen zu verbessern und Entwicklungen voranzutreiben. Angefangen hatte er damit direkt nach seiner aktiven Karriere - mit einem Trainee-Programm in der Geschäftsstelle.
Sein wohl größter Verdienst der letzten Jahre ist die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums. Die BVB-Ausbildungsstätte gehört auch durch ihn zu den besten in Deutschland. Jüngster Erfolg ist die U17-Meisterschaft. Und auch in der U19, soll der Titel, nach dem Halbfinaleinzug, noch folgen.
„Mir war nie der nächste Karrieresprung wichtig. Das ist mein Verein. Ich bin hier geboren, gehe seit über 40 Jahren zu dem Verein, arbeitete seit 1990, inklusiver meiner Spielerzeit, in dem Verein und möchte möglichst lange in diesem Verein bleiben. In welcher Position, war mir dabei nie wichtig“, erklärte Ricken.
BVB-Boss Watzke sieht in der „Mörderaufgabe“ eine Chance
Seit dem 1. Mai steht er nun unter Hans-Joachim-Watzke mit einem Geschäftsführer-Trio an der Spitze des Vereins. Das Ziel ist klar: Den BVB sportlich weiterhin so erfolgreich zu führen oder eben noch eine Schippe draufzulegen.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke sieht in dieser „Mörderaufgabe“ mehr Chance als Risiko. Und dennoch läge die schwierigste Aufgabe darin, „dass du auf einem hohen Niveau einsteigst. Normalerweise kommst du in so eine Position wie ich damals. Alles liegt in Schutt und Asche und dann kannst du sehen, wie du damit klarkommst. Aber du kannst auch nicht mehr allzu viel falsch machen.“
Nach den Erfolgen der letzten Jahre und Jahrzehnte sei nun jetzt eben nicht mehr alles „komplett schlecht gelaufen. Das ist auf der anderen Seite aber auch die große Chance, dass du darauf aufsetzend versuchen kannst, das noch ein Stück zu verbessern“, meinte Watzke.
Kaderplanung ist Rickens erste große Aufgabe
Erste große Aufgabe des neuen Mannes: Die Kaderplanung für die nächste Saison voranzutreiben. Dem BVB steht ein personeller Umbruch bevor. Dabei will Ricken wieder auf alte Gewohnheiten und einen gesunden Mix vertrauen, wie er auf SPORT1-Nachfrage verriet: „Wir waren immer am stärksten, wenn wir eine Zwei-Wege-Strategie hatten. Junge, hungrige Spieler, die auch wirklich einen sportlichen Mehrwert hatten, die Marktwertpotenziale hatten. Entweder aus dem eigenen Nachwuchs, nationale oder internationale Top-Talente. Was aber auch extrem wichtig ist, ist ein Gerüst aus Spielern mit Erfahrung, mit Qualität, mit Mentalität, mit Führungsstärke, wo sich die jungen Spieler auch ein Stück weit anlehnen können. Das muss unser Weg sein.“
Das Erfolgsgeheimnis bestünde aus zwei wesentlichen Punkten: „Kommunikation und Vertrauen.“ - natürlich mit den BVB-Anhängern im Mittelpunkt: „Am Ende machen wir es für die Fans. Wir wollen, dass sie nach einem Spiel glücklich nach Hause gehen und sich auf das nächste freuen. Das muss unser Ziel sein. […] Wir wollen Momente kreieren. Wenn wir das schaffen, dann werden wir auch wieder mannschaftlichen Erfolg haben.“
Wie es sich anfühlt, um den Borsigplatz zu fahren, weiß Ricken bereits durch drei Meisterschaften und den Champions-League-Titel 1997. Seine Arbeit wird wohl auch daran gemessen werden, wann und wie oft sie in Dortmund genau das wieder erleben dürfen.
Dass er nun verantwortlich für den sportlichen Erfolg ist, das hat Ricken spätestens an seinem ersten Tag im Scheinwerferlicht hautnah erfahren dürfen.