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Immer wieder ein raffinierter Clou gegen den FC Bayern

Immer wieder ein Clou gegen Bayern

Sechs Spiele gegen Bayern, sechsmal nicht verloren - und immer wieder ein besonderer Clou: Einmal mehr verzweifelt der Rekordmeister am Taktikplan von Bayer-Coach Xabi Alonso, auch wenn der diesmal einen Haken hatte.
Xabi Alonso spricht nach dem Remis gegen den FC Bayern über die Chancen auf die Meisterschaft von der Werkself.
Sechs Spiele gegen Bayern, sechsmal nicht verloren - und immer wieder ein besonderer Clou: Einmal mehr verzweifelt der Rekordmeister am Taktikplan von Bayer-Coach Xabi Alonso, auch wenn der diesmal einen Haken hatte.

Xabi Alonso verzweifelte. Als die Nachspielzeit, normalerweise eine überaus beliebte Phase der Last-Minute-Experten aus Leverkusen, gerade anbrach, flankte Alejandro Grimaldo den Ball von links in die Mitte zu Amine Adli, der im Rücken von Dayot Upamecano völlig frei zum Volley kam. Bayern-Keeper Manuel Neuer boxte das Geschoss, das genau auf ihn zuflog, mit einer Faust weg. Florian Wirtz schnappte sich den Abpraller und schob die Kugel aus einer ähnlichen Position hauchzart links vorbei. Die letzte Chance des Abends.

Wirtz blieb auf der Stelle stehen und fasste sich an den Kopf. Viele Teamkollegen wie Exequiel Palacios und Piero Hincapie beobachteten das Geschehen aus einiger Entfernung und fielen ungläubig zu Boden. Und auch Trainer Alonso, der an der Seitenlinie mitfieberte, sank auf die Knie. Alles in die Waagschale geworfen, zweimal am Aluminium gescheitert, diese Doppelchance kurz vor Schluss - mehrfach hatten die Rheinländer die Münchner am Rande einer Niederlage. Doch die Kugel wollte einfach nicht über die Linie.

Enttäuschung, aber auch Zufriedenheit

Ausgerechnet bei einer Partie, in der es eigentlich hieß: Gewinnen ist Pflicht. 0:0 stand es allerdings, als Schiedsrichter Daniel Siebert das überraschend einseitige Duell Zweiter gegen Erster abpfiff. Für Alonso im ersten Moment eine gefühlte Niederlage, ein womöglich nicht mehr aufzuholender Rückschlag im Meisterrennen. Aber auch ein Abend, an dem er und sein Team einmal mehr zeigten, was in ihnen steckt. Und dass er ein Mann ist, gegen den die Bayern offenbar noch kein Mittel gefunden haben. Denn seine Serie lebt. So mischte sich zwischen Verzweiflung und Enttäuschung ein Maß an Zufriedenheit.

Zwar sollte es mit dem Toreschießen nicht sein. Doch im Prinzip hatte Alonsos Grundidee wieder funktioniert. Hohes Pressing, sehr viele Ballgewinne tief in der gegnerischen Hälfte und der simple Gedanke, die Verteidigung der Gäste mit kleinen und flinken Akteuren möglichst oft zu überrumpeln, führten dazu, dass sich der Double-Sieger eine Vielzahl von Torchancen erspielte. Gerade in den Spitzenspielen gegen die Bayern, so wirkt es, wird der 43-Jährige ganz besonders gerne kreativ - und stellt seinen Gegenüber besonders gerne in den Schatten. Jedenfalls spricht seine Bilanz für sich.

„Das hat Xabi super vorbereitet“

Im sechsten Spiel als Leverkusener Coach blieb er zum sechsten Mal gegen die Bayern ungeschlagen. „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft. Wir haben alles versucht, um zu gewinnen. Allein das Tor hat gefehlt“, sagte Alonso, der nun eine weitere persönliche Bestmarke hält. Noch nie hat ein Trainer des deutschen Oberhauses die ersten fünf Duelle in der Bundesliga gegen den Rekordmeister nicht verloren. Ernst Happel und Kuno Klötzer kassierten einst beide mit dem HSV im fünften Duell ihre erste Niederlage. Alonso schlug den FCB dazu schon einmal im DFB-Pokal.

Auffällig dabei: Der Baske denkte sich jedes Mal einen besonderen taktischen Kniff aus. Im März 2023 schulte er Robert Andrich zum Abwehrchef um (2:1). Mit teils verblüffender Kontrolle erkämpfte sich Bayer das späte 2:2 im September 2023. Vier Innenverteidiger, aber keinen gelernten Stürmer brachte er im Februar 2024, als das 3:0 der Schlüssel zur späteren Meisterschaft war - und auch in dieser Saison klappte es schon zweimal. Im Hinspiel (1:1) baute Alonso dafür ein regelrechtes Abwehrbollwerk auf, im Pokal-Achtelfinale bot er Florian Wirtz als einzigen nominellen Angreifer auf (1:0).

Fünf verschiedene Ansätze, fünfmal das Ziel erreicht. Für den sechsten Vergleich tüftelte Alonso diesmal an einem extremen Anlaufverhalten. „Wir haben uns in dieser Trainingswoche nur darauf konzentriert, was wir machen wollen, und gar nicht auf den Gegner geschaut“, verriet Jonathan Tah. „Wir wollten sehr hoch pressen, also sehr viel Druck ausüben, nicht so sehr nach hinten spielen, sondern den Ball in den gefährlichen Zonen des Gegners haben. Dieser Plan ist aufgegangen - das hat Xabi super vorbereitet.“ Am Ende agierten die Rheinländer gar so dominant, dass das Spiel historische Ausmaße annahm.

„Leverkusen hat das perfekte Spiel gemacht“

In der ersten Halbzeit blieben die Bayern ohne eigenen Torschuss - ein Novum seit Beginn der detaillierten Datenerfassung im Jahr 1992. Und auch nach dem Seitenwechsel wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Nach 90 gespielten Minuten verbuchten sie einen Expected-Goals-Wert von 0,05 und gerade mal zwei Abschlüsse, was ebenfalls einen neuen Negativrekord bedeutete. Die Werkself hingegen kam auf insgesamt 16 Torschüsse und 6:0 Ecken. „So habe ich die Bayern überhaupt noch nie gesehen. Die Bayern wurden gejagt. Es war ein glückliches Remis, Leverkusen hat das perfekte Spiel gemacht“, geriet Sky-Experte Lothar Matthäus nach der Partie ins Schwärmen.

Hat Alonso den Bayern-Code geknackt? Fast scheint es so. Zumindest hatten die Münchner seinen taktischen Masterplänen jüngst recht wenig entgegenzusetzen. Ein „Endgegner“ ist der Spanier vielleicht noch nicht geworden, ein gefürchteter „Angstgegner“ aber auf jeden Fall. „Wir haben gegen Bayern unser bestes Spiel dieses Jahr und vielleicht auch letztes Jahr gespielt. Ich muss meinem Team ein großes Kompliment machen“, sagte Alonso. Der Rekord an unbesiegten Partien gegen den FCB hintereinander ist übrigens noch weit entfernt: Otto Rehhagel vollbrachte es, gleich zwölf Duelle nacheinander nicht gegen die Münchner zu verlieren - von 1988 bis 1993 als Coach des SV Werder Bremen.

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„Die Saison ist noch nicht vorbei“

Doch bei allem Lob für Alonso bleibt am Ende auch die Erkenntnis, dass das Resultat diesmal nicht ganz gepasst hat. Ein Sieg wäre dringend nötig gewesen, um dem großen Konkurrenten wieder etwas näher zu kommen - das gelang nicht. Mangelnde Effizienz war wie schon am vergangenen Wochenende beim 0:0 in Wolfsburg der offensichtliche Knackpunkt. Und wieder sorgte eine seiner Personalie für regen Diskussionsstoff. Denn auf die Frage, welchem Mittelstürmer er den Vorzug geben würde, antwortete Alonso gewohnt lässig: keinem von beiden. Sowohl auf Victor Boniface als auch auf Patrik Schick verzichtete er in seiner Startelf.

Mit Nathan Tella und Jeremie Frimpong schickte er stattdessen einen Angriff ins Rennen, der von absolutem Tempo geprägt war. Beide aber vergaben gute Gelegenheiten und ließen die nötige Kaltschnäuzigkeit vermissen. Genau dafür stehen Boniface und vor allem Schick, der derzeit in Topform ist und allein in der Bundesliga seit November 14 Tore erzielt hat wie kein anderer im Bayer-Kader. Alonso muss sich diesen Vorwurf angesichts des Ergebnisses gefallen lassen. Wegen weiterhin acht Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze scheint das Titelrennen schon fast entschieden.

Extrem gut gespielt, aber das Tor einfach nicht getroffen und eine große Möglichkeit aus der Hand gegeben. „Damit sind wir nicht so glücklich, aber das ist Fußball“, gestand Alonso mit „gemischten Gefühlen“. Ein „Scheiß-Unentschieden“ sei es gewesen, gleichzeitig fügte er nicht weniger intensiv an: „Die Saison ist noch nicht vorbei.“ Allerdings steht auch fest, dass Bayer jetzt mindestens drei Fehltritte der Münchner braucht und sich selbst keinen Patzer mehr erlauben darf. Heißt: Die Chancen auf die Titelverteidigung sind am Samstag nicht unbedingt gestiegen.