Am 6. Mai 1989 treffen sich Werder Bremen und der 1. FC Köln im Verfolgerduell. Beide jagen die Bayern, Köln liegt als Zweiter einen Punkt vor Titelverteidiger Werder.
Bundesliga: Als Christoph Daum plötzlich 35 Tausender in die Kabine hing
Daums verrückte Idee
Da wäre mancher Trainer mit einem Remis zufrieden. Der junge Christoph Daum ist es nicht und überlegt sich mit seinem Co-Trainer Roland Koch im Team-Hotel, wie er seine Spieler um die kommenden Weltmeister Bodo Illgner, Jürgen Kohler, Thomas Häßler und Pierre Littbarski besonders pushen könne.
Daums ungewöhnliche Ideen
„Wir sind immer sehr kreativ gewesen, die Idee kam nach meiner Erinnerung von Christoph“, sagt Koch im SPORT1-Gespräch.
Es war noch die Zeit, als längst nicht alle Bundesligaspieler Millionäre und mit Prämien noch zu kitzeln waren.
Koch: „Wir hätten denen sagen können: wenn ihr heute gewinnt, habt ihr am Monatsende einen Tausender mehr. Aber Christoph war der Meinung, dass es mehr brächte, wenn sie die Motivation buchstäblich greifen und riechen würden können.“
Die Geburt des Geld-Dopings
Das war der Moment, als das Geld-Doping zum ersten Mal in eine Spielerkabine der Bundesliga kam. Um Geld ging es zwar vom ersten Tag an. Aber dass es offen herumliegt, das war unerhört und vermutlich einmalig.
Der Ablauf der Gelddoping-Affäre: Daum schickt noch am Freitagabend seinen Geschäftsführer Wolfgang Schänzler los, der möge doch aus irgendeiner Bremer Bank 35.000 DM besorgen – bitte in Tausendmarkscheinen, was der Meisterprämie für jeden Spieler entsprochen hat. Das war nicht so einfach, die Banken hatten schon zu und Schänzler musste mehrere Bankautomaten plündern, um auf die gewünschte Summe zu kommen.
Taktik, Geld und Überraschung
Am nächsten Tag klebt Koch, wie er sich noch gut erinnert, die Scheine mit Tesa-Film auf die Rückseite eines Spielfeldbogens in DIN-A-1-Format und zwar so, dass sie nicht beschädigt werden und sie noch benutzbar blieben.“
Laut Kölnischer Rundschau von damals trägt Zeugwart Willi Reschmann die Scheine „in einer unscheinbaren Sporttasche“ in die Kabine. Dort befestigt sie Koch am Flip-Chart.
Da, wo sonst die beiden Mannschaftsaufstellungen hingen und wirre Kreise und Pfeile taktische Marschrouten anzeigten, klebt plötzlich ein Haufen Zaster.
„Dabei geht es gar nicht um das Geld“
Es gilt zu visualisieren, worum es in diesem Spiel geht. Daum sagt damals: „Was Du richtig siehst, das verstehst Du besser. Dabei geht es gar nicht um das Geld, sondern einfach darum, ein Ziel greifbar zu machen.“
In der Teamsitzung im Hotel werden die taktischen Dinge besprochen, keiner ahnt etwas beim Betreten der Kabinen, in die Koch in geheimer Mission schon vorher gegangen ist. Für die Spieler ist der Anblick eine riesige Überraschung und Koch weiß noch genau, dass unter anderem Paul Steiner mit der Nase an einen Tausender rückt, um das Geld buchstäblich zu riechen.
Koch: „Das war für jeden Spieler eine Motivation, glauben Sie es mir.“ Extra motiviert werden übrigens auch die Bremer, wenn auch von dritter Seite. Bayern-Trainer Jupp Heynckes, von Daum stark angefeindet in jenen Tagen, bietet Werder-Manager Willi Lemke eine Kiste Champagner als Siegprämie.
Am Ende jubelt Köln
Der Reiz des Geldes ist offenbar stärker. Trotz früher Bremer Führung ausgerechnet durch Frank Ordenewitz (5.), der bereits einen Vertrag in Köln unterschrieben hat, gewinnen die Kölner noch mit 2:1 – denn auch deren Stürmer treffen. Das 1:1 fällt durch Pierre Littbarski (24.), das 1:2 durch Fleming Povlsen (58.).
Es ist ein echtes Spitzenspiel, 32.700 Zuschauer sind hin- und hergerissen. Werder gewinnt zumindest nach Chancen (11:7), aber die Punkte gehen an die mit Geld gedopten Gäste, die ihre Serie auf 15 Spiele ohne Niederlage ausbauen.
Was aus dem Geld wurde, muss offen bleiben. Koch glaubt sich zu erinnern, jeder Spieler hätte einen Tausender eingesteckt, quasi als Anzahlung auf die Meisterprämie, die es dann ja aber nie gab.
So nah wie 1989 waren sie zwar nie mehr dran, aber auch damals feierten die Bayern. Denn ein anderer Motivationstrick von Daum ging nach hinten los. Mit seinen Verbalattacken gegen Heynckes, unter anderem in einer legendären Sportstudio-Sendung zwei Wochen später, sorgte er für eine Wagenburgmentalität bei den Bayern, die das entscheidende Spiel in Köln (1:3) auch für ihren Trainer gewannen.