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FC Bayern: Eine Demütigung, nach der der Transfermarkt bebte

Bayerns teuerste Pleite der Geschichte

Am heutigen Samstag steht zum 113. Mal in der Bundesliga der Südschlager zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Bayern an. Eigentlich immer ein gutes Pflaster für die Münchner - doch 2007 gab es eine Niederlage, die weitreichende Folgen hatte.
Oliver Kahn war über Jahre einer der besten Torhüter der Welt, die Personifizierung der Bayern-Dominanz und mit insgesamt 18 Titeln einer der erfolgreichsten Fußballer Deutschlands aller Zeiten. Heute ist der 50-Jährige als Vorstandsmitglied wieder in München.
Am heutigen Samstag steht zum 113. Mal in der Bundesliga der Südschlager zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Bayern an. Eigentlich immer ein gutes Pflaster für die Münchner - doch 2007 gab es eine Niederlage, die weitreichende Folgen hatte.

Gegen keinen Verein gewannen die Bayern öfter als gegen den VfB Stuttgart: 71 Mal. Das ist Bundesligarekord für eine Paarung. Selbst in Stuttgart feiern meist die Bayern, zwölf Siege gab es in den vergangenen 13 Jahren.

Niederlagen dort sind immer seltener geworden, aber wenn es sie gab, dann hatten sie zuweilen ernsthafte Folgen oder schrieben Geschichte (Stuttgart - Bayern, Samstag ab 15.30 Uhr im LIVETICKER).

Lothar Matthäus etwa verabschiedete sich 2000 mit einem 0:2 in Stuttgart aus der Bundesliga, die erste Ära von Ottmar Hitzfeld bei Bayern endete 2004 nach einem 1:3 im Schwäbischen, ausgerechnet VfB-Trainer Felix Magath beerbte ihn.

Alles in den Schatten stellte jedoch die 0:2-Pleite am 21. April 2007, die teuerste Niederlage der Bayern-Geschichte.

FC Bayern 2007: Eine tiefe Sinnkrise

Nach dem Sommermärchen der WM 2006, an dem viele Bayern-Spieler beteiligt waren, und zwei Double-Gewinnen in Folge hatten die Verantwortlichen ganz bewusst von einem „Übergangsjahr“ gesprochen. Immerhin war DFB-Kapitän Michael Ballack nach London abgewandert und der Großteil der Mannschaft satt.

Trotzdem sollte der FC Bayern die Champions League erreichen, das war der Anspruch. Dafür musste man damals noch mindestens Dritter werden. Doch dieser Platz wurde zum Phantom, das sie vergeblich jagten. Im Januar 2007 wurde Magath entlassen und Hitzfeld kam zurück. Was ausblieb, war die Wende zum Guten.

Es war die Saison, als Uli Hoeneß einen seiner berühmtesten Sätze sagte: „Der Nikolaus war noch nie der Osterhase.“ Aber auch der brachte nichts anderes an die Säbener Straße. Seit dem 19. Spieltag verharrten die Bayern auf Rang vier, es drohte die schlechteste Platzierung seit zwölf Jahren – und so kam es dann auch.

Die Vorentscheidung fiel am 30. Spieltag, als der Titelverteidiger beim kommenden Meister VfB Stuttgart unter Trainer Armin Veh an die Wand gespielt wurde. Es war eine fußballerische Demütigung. Vorstand Karl-Heinz Rummenigge war vor der Partie noch mit einem Punkt zufrieden gewesen, Hitzfeld bestand auf drei.

Cacau führt Stuttgart zum Sieg

Doch der Respekt vor dem Meister war geschwunden, in einer kicker-Umfrage schrieben 58% der Teilnehmer die Champions-League-Chancen der Bayern ab und VfB-Stürmer Mario Gomez verkündete: „Wir müssen uns nicht in die Hosen machen. Wir werden ein Tor mehr schießen als die Bayern.“

Das war noch großzügig kalkuliert, denn bereits nach 25 Minuten stand es 2:0 durch einen Doppelschlag von Cacau. Dass es dabei blieb, war angesichts eines Chancenverhältnisses von 8:2 für den VfB pures Glück.

Oliver Kahn sprach von einer „fatalen ersten Halbzeit“, bemängelte die Körpersprache und vermisste „all die Dinge, die etwas mit dem FC Bayern zu tun haben“. Nach 90 Minuten stand die bereits achte Auswärtsniederlage der Saison und der Abstand auf Platz drei betrug fünf Punkte.

„Da muss intern etwas nicht stimmen. Das ist keine Mannschaft“, konstatierte Trainer- und Experten-Ikone Udo Lattek wenige Tage später im SPORT1-Interview: „Keiner ist für den anderen da. Es ist keine Hierarchie zu erkennen. Die spulen die Spiele runter und wenn es läuft, dann läuft’s, wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm.“ Bayern sei in „allen“ Mannschaftsteilen schlecht aufgestellt, befand das Doppelpass-Urgestein.

Gewaltiger Umbruch in München

Es musste etwas geschehen, das war auch den Bayern klar. Hitzfeld tat das Seine, zeigte den Profis am Sonntag das Horrorvideo von der ersten Halbzeit in voller Länge und sagte den Medien: „Sechs, sieben neue Spieler werden kommen, vielleicht acht. Das ist eine halbe Mannschaft, das gibt einen gewaltigen Umbruch.“

Er wusste längst, dass Manager Hoeneß noch auf der Rückfahrt beschlossen hatte, den Kader kolossal aufzurüsten und auszumisten. Zehn Spieler traf der Bannstrahl, auch wenn einige freiwillig gingen. Roy Makaay, Hasan Salihamidzic, Mehmet Scholl und Claudio Pizarro, um die größten Namen zu nennen, verließen die Bayern nach „der schlechtesten Saison, an die ich mich erinnern kann“, wie Kahn sagte.

Auf das kurz danach feststehende Verpassen der Champions League, erstmals seit zehn Jahren, begaben sich die Bayern auf eine einmalige Shopping-Tour ihrer Klubgeschichte. Das Festgeldkonto wurde im Sommer 2007 regelrecht geplündert.

Konkret: 25 Millionen Euro für Franck Ribéry, 15 Millionen für Miroslav Klose, 14 Millionen für Marcell Jansen, 11 Millionen für Weltmeister Luca Toni, neun für José Ernesto Sosa, 1,2 für Jan Schlaudraff. Zeitenwende in München.

Hoeneß-Prophezeiung bewahrheitet sich

Hoeneß und Rummenigge berichteten am 7. Juni 2007 im Fünf-Sterne-Hotel Westin Grand stolz von ihren abenteuerlichen Reisen zu den diffizilen Verhandlungen. Insgesamt kamen im Sommer der Investitionen acht Profis für rund 75 Millionen Euro Ablöse – ein Bundesligarekord. Von den Gehältern ganz zu schweigen. „Wir gingen extrem in Vorlage“, sagte Finanzvorstand Karl Hopfner Jahre später.

In der Winterpause gingen noch zwölf Millionen an den FC Sao Paulo für Abwehrflop Breno. All das in einem Jahr, in dem sie eben kein Geld aus den Töpfen der Königsklasse bekamen und nur um den „Cup der Verlierer“, wie Franz Beckenbauer zu sagen pflegte, spielten.

Der 2015 verstorbene Lattek lag dennoch richtig mit seiner Einschätzung, die er SPORT1 damals gab: „Es muss jetzt ein Reinigungsprozess stattfinden. Da muss man halt Dinge tun, die weh tun. Wenn man dadurch nicht umgeschmissen wird, kommt man da gestärkt wieder raus.“ Dieselbe Zuversicht vermittelte Hoeneß: „Ich bin überzeugt, dass der nächste Meister wieder FC Bayern heißen wird.“

So kam es, und das dann noch sehr oft. Die Champions League haben sie nach der sportlichen Nahtoderfahrung von Stuttgart nie wieder verpasst.