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Kolumne: Raphael Honigstein über Manchester City

City hat viel zu verlieren

Finanziell ist Manchester City seit Jahren ein Koloss, doch mit der Champions League fremdeln Fans und Verein noch. Manuel Pellegrinis Understatement birgt Gefahren.
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© SPORT1-Montage: Marc Tirl
Finanziell ist Manchester City seit Jahren ein Koloss, doch mit der Champions League fremdeln Fans und Verein noch. Manuel Pellegrinis Understatement birgt Gefahren.

Von Raphael Honigstein

Um 19:43 Uhr darf heute wieder herzhaft gebuht werden.

Es ist im Etihad-Stadion zur guten Tradition geworden, während der Champions-League-Hymne zu pfeifen und zu schimpfen. Die Unmutsbekundungen gelten dabei der UEFA und Michel Platini.

Der Franzose und sein Verband sind in der blauen Hälfte Manchesters nicht wohlgelitten, weil die City-Fans ihren von Scheich Mansour aus Abu Dhabi unterstützten Klub durch die (mittlerweile wieder entschärften) Financial-Fairplay-Regeln gezielt benachteiligt sehen.

Mit der Anstrengung eines Disziplinarverfahrens gegen den Verein nach den Buhrufen vor dem Sieg gegen Sevilla (2:1 am 21. Oktober) hat die UEFA die Anhänger der Hellblauen erst recht gegen sich aufgebracht. 

Millionenschwerer Underdog  

Das Verfahren wurde letztlich eingestellt, doch wie man kurz vor Anpfiff des Spiels gegen Borussia Mönchengladbach (ab 20.15 Uhr Uhr alle Infos im Bitburger Fantalk im TV auf SPORT1LIVE in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER) hören wird, ist der Ärger geblieben. Im Match selbst wird es dagegen voraussichtlich weit weniger laut werden, denn Champions-League-Abende in den Eastlands haben ihre ganz eigene, sehr merkwürdige Atmosphäre.

Meist hört man nur die gegnerischen Fans singen. Geschrien wird nach City-Toren, den größten Radau aber gibt es, wenn sich die Einheimischen vom Schiedsrichter (soll sagen: der UEFA) betrogen fühlen.

Man kommt nicht um den Eindruck herum, dass sich Klub und Fans acht Jahre nach der Übernahme durch den Golfstaat immer noch am liebsten in der Rolle des Underdogs und Außenseiters sehen. 

City mit zwei Gesichtern

In der Liga hat man nach zwei Meisterschaften in den vergangenen drei Jahren ein gesundes Selbstverständnis entwickelt; die Stärke des Kaders und durchgehend offensive Spielweise des Teams unter Pellegrini erfüllen die zuvor Jahrzehnte lang gebeutelten Fans mit großem Stolz.

International aber wirkt die Mannschaft oft verunsichert, das Publikum nervös und zugleich seltsam lethargisch. City ist auf seinem Weg in die Spitze Europas trotz des irrsinnigen Investitionsvolumens nur Trippelschritte voran gekommen.

Pellegrini nimmt Druck heraus

Das ist der Hauptgrund, warum die Macher den nach der 0:2-Pleite in Stoke schon wieder gehörig unter Druck stehenden Pellegrini am liebsten schon gestern gegen Pep Guardiola ausgetauscht hätten.

Und es erklärt auch, warum der 62-Jährige im Vorfeld der Gladbach-Partie - bei der es aus Sicht der bereits für die K.o.-Runde qualifizierten Engländer noch um den Gruppensieg geht - das machte, was einem Spitzentrainer in der Regel gar nicht gut zu Gesicht steht:  er setzte seinen Erfolg in Relation zu den Problemen der Anderen.

"Es wäre keine Enttäuschung, Zweiter zu werden. Wir müssen auch nicht pessimistisch sein, was die Auslosung angeht." Und überhaupt: "Chelsea, Manchester United und Arsenal wären gerne in unserer Position." 

Gefährliches Understatement

Das stimmt natürlich. Mit ein bisschen Pech für die Premier League könnte City nach dieser Woche als einziger englischer Vertreter im Wettbewerb übrig bleiben. Das aber würde mehr über die Schwächen der Rivalen aussagen, als über sein eigenes Team.

Unter die letzten Sechzehn zu kommen, ist angesichts der immensen Ausgaben das Mindeste. In Wahrheit, das werden auch viele City-Fans so sehen, sollte man minderbetuchte Gegner wie Juventus schlagen und zumindest regelmäßig ins Viertelfinale vorstoßen.

Pellegrini macht seine Elf aus Selbstschutz kleiner als sie ist. Mit der Folge, dass sie ihm das vielleicht sogar selbst glaubt und gegen spielstarke Mannschaften vom Festland oft ins Schlingern gerät.

Platz zwei in der Champions League und ein schwerer Gegner in der nächsten Runde würden Pellegrinis Job in den kommenden zwei Monaten nicht leichter machen.

Teure Abwehr als Schwäche

Darüber hinaus birgt das Duell mit André Schuberts befreit aufspielenden Fohlen auch andere, unmittelbare Gefahren. Für City werden mit Eliaquim Mangala und Nicolas Otamendi beispielsweise zwei Innenverteidiger in der Startelf stehen, die zusammen allein knapp 100 Millionen Euro gekostet haben, aber bisher nicht überzeugen konnten.

Ein Misserfolg gegen den (im europäischen Vergleich) Low-Budget-Kader vom Niederrhein wäre extrem peinlich für alle Beteiligten. 

City hat am Dienstagabend also viel zu verlieren. Gladbach sollte diese Situation für sich ausnutzen und sich dazu von den Buhrufen für die Hymne aufmuntern lassen.

Diese zeugen nämlich nicht nur von dem Hass auf die UEFA. Sondern auch davon, dass sich Man City im Kreis der europäischen Champions immer noch nicht richtig heimisch fühlt.