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Zsolt Löw: Tuchels Schattenmann beim FC Chelsea rückt in den Fokus

England verliebt sich in Tuchels Schattenmann

Vom 250.000-Euro-Mann zum Co-Dirigenten des Champions-League-Siegers: Zsolt Löw hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Wann folgt der nächste Schritt?
Das Coronavirus sorgt rund um die Feiertage für Chaos und Absagen in der Premier League. Chelsea-Trainer Thomas Tuchel fordert daher die Wiedereinführung von fünf Spielerwechseln.
Vom 250.000-Euro-Mann zum Co-Dirigenten des Champions-League-Siegers: Zsolt Löw hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Wann folgt der nächste Schritt?

Seine erste Erfahrung mit dem deutschen Fußball hätte eine bessere sein können.

Bald 20 Jahre ist es her, es war die Bundesliga-Saison 2002/03: Für eine Ablösesumme von 250.000 Euro - 500.000 D-Mark für die, die damals noch umrechneten - wechselte der junge Linksverteidiger von Ujpest Budapest zum Ost-Underdog Energie Cottbus.

Der damals 23-Jährige war jeden Cent bzw. Pfennig wert, erspielte sich einen Stammplatz, wurde Leistungsträger im Team von Eduard Geyer - konnte aber ein enttäuschendes Saisonende nicht verhindern: Eine Niederlagenserie - beginnend mit einem 0:2 gegen den FC Bayern (Doppeltorschütze: Michael Ballack) - beförderte die Lausitzer in der Rückrunde auf Tabellenplatz 18, Löw und Kollegen stiegen ab.

18 Jahre später fällt die Jahresbilanz etwas freundlicher aus. Löw, seit Januar Co-Trainer Thomas Tuchels beim FC Chelsea, gewann an dessen Seite die Champions League. Und mehr und mehr Beobachtern fällt auf, dass der Schattenmann aus Budapest nicht ganz unschuldig daran zu sein scheint.

Zsolt Löw als „unbesungener Held“ gefeiert

Sports Illustrated, The Athletic, die Daily Mail: Diverse namhafte internationale Medien widmeten Löw zuletzt kleinere und auch größere Porträts. Es wächst das Interesse an dem „unbesungenen Helden hinter den Kulissen von Chelsea“ (Mail).

Ein erstaunlicher Werdegang für den einstigen Weggefährten von Energie-Kultfiguren wie Tomislav Piplica und Vasile Miriuta.

Der „Missing Link“ zwischen diesen beiden weit entfernten Polen? Eine wegweisende Karriere-Station gegen Ende von Löws aktiver Laufbahn.

Von Rangnicks Red-Bull-Welt in den Kosmos Tuchel

Über die Zwischenstation Hansa Rostock landete Löw 2006 bei der damals noch in der Regionalliga spielenden TSG Hoffenheim, war einer der Routiniers, die Ralf Rangnick zum Hopp-Klub holte, um in Richtung Bundesliga zu marschieren.

Löw war Teil der Hoffenheimer Aufstiegs- und Herbstmeistermannschaft 2008 - und obwohl er am Ende nur noch Ergänzungsspieler war, wurde die Rangnick-Connection zum Katalysator der Seitenlinien-Karriere, die er nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn bei Mainz 05 begann.

Der 25-malige ungarische Nationalspieler wurde Teil des von Rangnick gelenkten Red-Bull-Trainerkosmos, begann als Co-Trainer beim österreichischen Farmteam FC Liefering, wurde Assistent von Adi Hütter bei Red Bull Salzburg, war dann der Sidekick von Rangnick und später Ralph Hasenhüttl bei RB Leipzig.

2018 ging Löw von sich aus neue Wege, um sich von der Red-Bull-Schule zu emanzipieren: „Er wollte zu einem neuen Trainer, dessen Fußball ballbesitzorientierter ist, um etwas Neues zu lernen“, berichtet Hasenhüttl. Sein Weg führte zu Paris Saint-Germain, an die Seite von Tuchel, seinem einstigen Coach in Mainz - und die Verbindung erwies sich als Glücksfall für beide Seiten.

„Spielerflüsterer“ Löw ergänzt Kopfmensch Tuchel

Löw wird von den Beobachtern in London ein „warmherziges Naturell und positive Energie“ (Mail) zugeschrieben - und damit Eigenschaften, die die Stärken des Kopfmenschen Tuchel sinnvoll ergänzen.

„Ich kann direkter mit den Spielern agieren, persönlicher mit ihnen werden, mit ihnen über ihre Familien und ihr Leben sprechen“, berichtete Löw kürzlich im ungarischen InfoRadio über seinen Umgang mit Timo Werner, Kai Havertz und Co.: „Das hilft zu erkennen, wenn gewisse Dinge falsch laufen und Probleme gerade zu rücken.“

Im selben Atemzug betonte Löw aber auch, dass seine Rolle nicht als die eines reinen Gute-Laune-Onkels missverstanden werden sollte: „Auch als Co-Trainer darf man nicht zu nah dran sein. Wo ein Trainer drei Schritte Abstand halten sollte, muss es bei den Assistenten zumindest einer sein.“

Bald Chef? Spekulationen mehren sich

Der wesentliche Faktor ist, dass Löw sowohl zu den Spielern als auch zu Tuchel den Zugang gefunden hat, menschlich wie fachlich. Die beiden seien in einem ständigen Austausch über „Trainingsplanung, Gespräche mit den Spielern, Teambesprechungen, Videoanalyse, Taktik und Aufstellung, Kommunikation von der Seitenlinie“.

Die Prozesse seien so miteinander verwoben, dass es nach Löws Darstellung auch keine klassische Aufteilung „Der macht dies, der macht das“ gebe: „Es ist ein ständiger Dialog zwischen uns allen, der nie aufhört.“

Dass Löws Sachverstand eine große Rolle bei Tuchels erfolgreichem Jahr in Chelsea gespielt hat, spricht sich herum - und führt inzwischen auch zu Spekulationen, wann er den nächsten Schritt vollzieht. Beim alten Arbeitgeber RB Leipzig wurde er nach der Entlassung von Jesse Marsch jüngst schon als Alternativkandidat zu Domenico Tedesco gehandelt.

Dass ein Cheftrainer-Job das Fernziel des 42 Jahre alten Löw ist, ist kein Geheimnis: Schon zu PSG-Zeiten sprach er etwa in einem Interview mit dem kicker offen darüber, dass er sich mit dem Thema „beschäftige“.

Man darf gespannt sein, wo der Weg von Tuchels Schattenmann noch hinführt.