Von Reinhard FrankeundJulian Ignatowitsch

München - Der Gaucho-Tanz der deutschen Nationalspieler hat in den sozialen Netzwerken (BERICHT: Internetwirbel um Gaucho-Tanz) heftige Reaktionen hervorgerufen.

Auch Tag nach dem Empfang in Berlin wird hitzig darüber diskutiert, ob der Jubeltanz der Nationalspieler eine harmlose Geste oder tatsächlich eine Beleidigung der Argentinier war.

Der frühere Bundesligaspieler Rodolfo Cardoso sagt dazu jetzt bei SPORT1: "Die Aktion war unnötig. Ich habe den Sinn nicht verstanden. Sowas haben wir ja auch nicht gemacht. Bei uns herrscht nur gegen Brasilien eine ganz große Rivalität, aber nicht gegen Deutschland."

Der in Deutschland lebende Argentinier zeigt aber auch durchaus Verständnis für die Spieler.

"Ich glaube aber nicht, dass sie uns bösartig veralbern wollten. Vielleicht war es die Euphorie. Die Jungs waren alle sehr glücklich und wenn man glücklich ist, dann macht man verrrückte Dinge", erklärte Cardoso. (News)

Auch die deutschen Medien reagieren kontrovers auf die Einlage von Miroslav Klose, Toni Kroos, André Schürrle, Mario Götze, Shkodran Mustafi und Roman Weidenfeller.

Sie waren während der WM-Feier vor dem Brandenburger Tor in gebückter Haltung und mit dem Gesang "So geh'n die Gauchos, die Gauchos, die geh'n so" über die Bühne vor der Fanmeile getanzt ().

Niersbach will Brief schreiben

"Es tut uns leid, wenn dies bei einigen falsch und missverständlich rübergekommen ist", wurde DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in einer Mitteilung des DFB am Mittwoch zitiert.

Niersbach will Argentiniens Verbandschef Julio Grondona "einen Brief schreiben und nochmal deutlich machen, dass die Aktion in keinster Weise despektierlich gemeint war. Wir haben größten Respekt vor Argentinien, beste Beziehungen zum dortigen Verband und freuen uns auf das baldige Wiedersehen beim Länderspiel in Düsseldorf."

Er wisse von Teammanager Oliver Bierhoff, "dass die Idee der Spieler spontan aus der Emotion und Freude heraus entstanden ist", sagte Niersbach: "Sie sind alle absolut anständige und faire Sportsleute, die sich über niemanden lustig machen, sondern einfach nur ausgelassen mit den Fans feiern wollten."

Mustafi: "Kritik ist lächerlich"

Dies bestätige auch Mustafi: "Das ist meiner Meinung nach einfach lächerlich. Wir sind Weltmeister geworden. Wir wollten feiern. Für uns war das einfach ein Gesang, und wir wollten keinen lächerlich machen", sagte der Sampdoria-Profi im "Hessischen Rundfunk".

"Ich finde das einfach lächerlich und respektlos uns gegenüber, dass man so was dann in den Medien schreibt".

SPORT1 zeigt die Pressestimmen aus aller Welt:

Deutschland:

Die Resonanz in Deutschland ist überwiegend negativ.

Spiegel Online: "Siegestrunkene Nationalspieler. Götze, Klose und Co. verhöhnen die Argentinier."

Tagesspiegel: "'Die Gauchos gehen so', nämlich gebückt, die Deutschen dagegen aufrecht, ungebeugt, stolz. Haha. Das musste doch noch mal gezeigt werden, diese deutsche Überlegenheit, ganz plastisch, damit alle Welt es sieht. Und alle Welt sah es, sah zu. Plötzlich war sie weg, die deutsche Bescheidenheit im Triumph. In den Ärger mischt sich Trauer über so viel Dummheit."

"Und so beschleicht einen am Ende eine Ahnung: Vielleicht wird es auch das sein, was von dieser Weltmeisterschaft in den Köpfen vieler Menschen außerhalb Deutschlands bleibt. Dazu das frenetische Klatschen des Publikums. Sie haben es nicht böse gemeint. Das ist wohl so. Aber sie haben bewiesen, dass es auch im Fußball nicht nur Trottel gibt, sondern auch Riesentrottel."

Europa:

In Europa findet der Tanz dagegen kaum Beachtung. Hier überwiegt die Begeisterung über die ausgelassene Feier des DFB-Teams. Insbesondere in England sind die Medien regelrechte Fans des deutschen Teams und ihrer Siegesfeierlichkeiten:

Mirror: "Heute ist Deutschland in einem Flugzeug zuhause angekommen und hielt bei einer gefühllosen, effizienten und humorlosen Party triumphierend den Weltpokal in die Höhe. Nein, das ist nicht passiert, denn all diese Stereotypen sind total falsch und Deutsche sind nicht langweilig, sondern absolut verrückt. Die deutsche Weltmeister-Rückkehr-Party war anarchisch, chaotisch und oft an der Grenze zum Surrealen. Sie war es wert, stundenlang vor dem Livestream zu sitzen statt einen öden Dienstagnachmittag bei der Arbeit zu verbringen."

Daily Mail: "Bei seiner Rückkehr nach Berlin wollte Deutschland Spaß haben und den Gewinn der Weltmeisterschaft feiern - und hatte dafür sogar eine urkomische Showeinlage einstudiert. Ungefähr eine halbe Million Fans strömten am Dienstagmorgen zum Brandenburger Tor in der Hauptstadt, um ihre Helden zu begrüßen und eine Überraschung zu erleben: Thomas Müller, Mats Hummels, Erik Durm und Christoph Kramer schienen alleine aufs Podium zu kommen, aber Kapitän Philipp Lahm hatte sich hinter ihnen versteckt."

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Auch in Spanien, Frankreich und der Niederlande sind die Reaktionen wohlwollend:

El Pais (Spanien): "Die Party, die auf vier deutschen Fernsehsendern und CNN live übertragen wurde, zeigte, dass Deutschland - ansonsten ein Land der Disziplin und strenger Gesetze, die Extravaganzen nicht erlauben - in der Lage ist, fast tropische Gefühle auszudrücken, wenn es darum geht, einen grandiosen Triumph der Nationalmannschaft zu feiern, die Löw seit acht Jahren trainiert."

L'Equipe (Frankreich): "Die Helden sind in Berlin. Am Montagabend aus Brasilien abgereist, wurden die deutschen Weltmeister am Dienstagmorgen am Brandenburger Tor von hunderttausenden Menschen erwartet. Dem Anlass entsprechend ausgerüstet mit Sonnenbrillen und kleinen Augen, sind sie sofort in einen Doppeldecker gestiegen. Auf dem Weg durch die jubelnde Menge nippten sie an ein paar Bier und machten die La Ola. Am Brandenburger Tor angekommen, tanzten und sangen die Deutschen vor den versammelten Menschenmassen."

De Telegraaf (Niederlande): "Die deutschen Spieler machten ihren Empfang in Berlin zu einer echten Show. Die Weltmeister führten vor hunderttausenden von Fans schöne Freudentänze auf."