Auch in Frankfurt dürfte am Dienstag auf den Tribünen wieder ein zuletzt nicht seltenes Phänomen zu beobachten sein: leere Sitze.
Wie gewinnt der DFB die Fans zurück?
Gleich blockweise herrschte am Samstag beim vorletzten EM-Qualifikationsspiel in Mönchengladbach gegen Weißrussland Leere auf den Rängen. Nur 33.164 Menschen sahen wie die DFB-Elf mit einem 4:0 das EM-Ticket löste.
Auch die über 50.000 Zuschauer fassende Commerzbank-Arena wird am Dienstag (EM-Qualifikation: Deutschland - Nordirland, ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) nicht ausverkauft sein, wenn die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gegen Nordirland den Gruppensieg sichern will.
Die Zahl der verkauften Tickets lag am Montag laut DFB-Pressesprecher Jens Grittner bei "noch nicht ganz 40.000, aber es geht auf diese Marke zu". Die 8.000 besonders günstigen Karten für 10 Euro seien jedenfalls vergriffen.
Hohe Ticketpreise schrecken Fans ab
Die deutlich höheren Preise der anderen Kategorien schrecken offenbar viele ab. Die billigsten Karten sind ab 25 Euro zu haben, doch der Preissprung zur nächst besseren Kategorie ist mit 20 Euro mehr durchaus bemerkenswert. Für die besten Plätze muss man stolze 80 Euro pro Sitz berappen.
Viele fordern mehr Großzügigkeit seitens des DFB, etwa in Form von Gratis-Tickets für Schüler oder Vereine.
Der neue DFB-Präsident Fritz Keller hat sich zum Ziel gesetzt, "Ticketpreise hinzubekommen, dass jeder hingehen kann", wie der 62-Jährige am Samstag zu SPORT1 sagte: "Fußball ist für alle da, für jeden Geldbeutel. Das wollen wir auch hinkriegen. Es wird ein schwieriges Unterfangen, aber das ist ein Beispiel, wie wir das wieder attraktiver gestalten können."
Dass die Probleme tiefer liegen, zeigt der Boykott des Gladbacher Supporters Club, der sein Fanhaus und den Infostand am Samstag während des Länderspiels im Borussia-Park geschlossen hielt.
Kritik an der Politik des DFB
"Die Fanszene Mönchengladbach ist nicht gewillt, die Machenschaften beim DFB sowie den Kommerz rund um unsere Nationalmannschaft mitzutragen", hieß es in einem Statement des FPMG-Vorstands. "Künstliche Konstrukte wie etwa die Umbenennung in 'Die Mannschaft' oder die Zwangsmitgliedschaft im sogenannten 'Fanclub Nationalmannschaft', um Eintrittskarten zu erhalten, stoßen langjährige Fans vor den Kopf."
Zwar sind die Karten auch in einem freien Vorverkauf zu haben, nur eben nicht für alle Blöcke. Um von exklusiven Vorverkaufsphasen zu profitieren, ist eine Mitgliedschaft im "Fanclub Nationalmannschaft" nötig. Kostenpunkt: jährlich 30 Euro, plus einer einmaligen Anmeldegebühr von 10 Euro. Der Supporters Club der englischen Nationalmannschaft erhebt übrigens keinen Mitgliedsbeitrag und bietet vergleichbare Vorteile.
Ein stimmgewaltiger Support wie bei den Three Lions, ist bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft aber traditionell nicht zu erwarten. Die Atmosphäre bei Bundesligaspielen, in denen die Ultras in den Kurven den Ton angeben, ist mit Länderspielen nicht zu vergleichen, auch weil solche Fangruppen den Länderspielen eher fernbleiben.
"Es ist schade", findet Gladbachs Sportdirektor Max Eberl bei SPORT1. "Wenn früher Länderspiele stattfanden, waren die Stadien voll und die ganze Stadt hat pulsiert. Heute ist es ein Stückweit so, dass der Überdruss im Fußball da ist und sehr viele Fußballspiele geschaut werden können. In dieser Phase hatten wir im Borussia-Park sehr viel Heimspiele, wo vielleicht der ein oder andere an die Kasse gedacht hat oder ausgespannt hat. Aber ich finde, dass wir es alle zusammen wieder schaffen sollten, dass solche Länderspiele ausverkauft sind. Da haben wir momentan einiges zu tun.“
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Und was sagen die Spieler zur Stimmung, die abgesehen von der vom Fanclub eingeladenen Blaskapelle der "Yetis Stockach" in Gladbach doch recht mau war?
"Ich nehme das gar nicht so extrem wahr", sagte Toni Kroos und berichtete von einem "extrem positiven Gefühl", das während der Ehrenrunde von den Rängen kam. "Am Ende der Tage muss jeder selbst entscheiden, ob er ins Stadion geht. Aber ich finde nicht, dass unsere Leistungen dagegen sprechen." Die Mannschaft tue jedenfalls alles dafür, "dass die Menschen ins Stadion kommen und nicht enttäuscht werden".
Maßnahmen für mehr Fannähe ausbaufähig
Der Kritik über die oft vermisste Fannähe stellte sich die Nationalmannschaft nach dem WM-Debakel 2018, seitdem werden öfter Schulen und Vereine besucht oder öffentliche Trainingseinheiten abgehalten. Doch Aktionen, wie das öffentliche Trainingsspiel in Aachen im Sommer, stellten die Fans letztlich nicht zufrieden, weil im Vorfeld andere Erwartungen geschürt wurden.
"Wir kommen aus einer langen Phase der Begeisterung, in der Dinge fast von allein liefen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mehr tun müssen, um das Niveau halten zu können", sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Es sei aber ein Klagen auf hohem Niveau, betonte er: "Im internationalen Vergleich stehen wir mit über 90 Prozent Auslastung vorne. Damit wären auch die meisten Bundesligaklubs zufrieden."
Kleinere Stadien als Mittel gegen leere Plätze?
Die Zahlen sind allerdings etwas geschönt, da laut ARD-Sportschau auch Sponsorenkontingente vom DFB berücksichtigt werden - unabhängig davon, ob die Karten auch alle genutzt werden. Schon das Freundschaftsspiel gegen Argentinien war mit nur 45.197 Zuschauern in Dortmund alles andere als gut besucht. Die hohe Auslastung in diesem Kalenderjahr kommt nur zustande, weil die Partien gegen Serbien (in Wolfsburg) und Estland (in Mainz) in kleineren Stadien stattfanden.
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Diesen Weg schlägt auch der spanische Verband verstärkt ein. So fand beispielsweise die Partie gegen Malta im mit 20.000 Zuschauern ausverkauften Stadion des Zweitligisten Cádiz statt.
Bundestrainer Löw sieht im Zuschauerschwund jedoch kein rein deutsches Phänomen. Das sei zudem regelmäßig in einem Jahr vor einem Turnier zu beobachten, sagte Löw nach der Partie am Samstag - und er betonte: "Das zieht dann wieder an, wenn ein Turnier stattfindet."