Christoph Daum ist eine echte Trainerlegende - in Deutschland und in der Türkei. Er wurde mit dem VfB Stuttgart 1992 Deutscher Meister und 1995 mit Besiktas Istanbul sowie 2004 und 2005 mit Fenerbahce Istanbul türkischer Meister.
DFB-Team: Christoph Daum spricht im SPORT1-Interview über das Duell Deutschland-Türkei
DFB-Team: Christoph Daum spricht im SPORT1-Interview über das Duell Deutschland-Türkei
„Nagelsmann ist der bessere Trainer“
Der 70-Jährige, der aktuell an Krebs erkrankt ist, wird am Samstagabend im Berliner Olympiastadion mitfiebern, wenn die deutsche Nationalmannschaft gegen die Türkei antritt (Deutschland - Türkei, ab 20.45 Uhr im LIVETICKER). Im exklusiven SPORT1-Interview spricht er über das Duell.
Alles zum DFB-Team auf SPORT1
„Wird ein absoluter Härtetest für Deutschland“
SPORT1: Herr Daum, mit welchen Gedanken blicken Sie auf das Duell zwischen Deutschland und der Türkei?
Christoph Daum: Das wird ein absoluter Härtetest für die deutsche Nationalmannschaft und wird sicher den Charakter eines Auswärtsspiels haben. Nur wenn die deutschen Nationalspieler bereit sind, an ihre Leistungsgrenze zu gehen, werden sie als Sieger den Platz verlassen.
SPORT1: Wie sehen Sie die Machtverhältnisse zwischen beiden Nationalteams?
Daum: Nach der Qualifikation für die EM 2024 strotzt die Türkei vor Selbstvertrauen und kann auch bei der Europameisterschaft für Überraschungen sorgen. Vom Potenzial her und auf dem Papier haben die deutschen Spieler Vorteile, aber, wie schon Otto Rehhagel sagte: die Wahrheit liegt auf dem Platz.
SPORT1: Welchen Stellenwert hat das Freundschaftsspiel für die türkische Nationalmannschaft?
Daum: Für die Türkei ist dies immer ein besonderes Spiel und auch Freundschaftsspiele fließen in das FIFA-Ranking mit ein.
Türkei ist „eine Bereicherung für jedes Turnier“
SPORT1: Die türkische Mannschaft hat sich schon in ihrem vorletzten Spiel der Gruppe D für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland qualifiziert und den WM-Dritten 2022 sowie WM-Zweiten 2018, Kroatien, hinter sich gelassen. Wie ist die aktuelle türkische Nationalmannschaft einzuordnen?
Daum: Die türkische Nationalmannschaft ist eine Bereicherung für jedes Turnier, die türkischen Fans werden ihre Spieler zu Höchstleistungen treiben und für eine außergewöhnliche Stimmung in den Stadien sorgen. Es ist eine erfahrene Mannschaft mit vielen Spielern, die im Ausland spielen und einigen jüngeren Profis, wie zum Beispiel Salih Özcan (aktuell Borussia Dortmund, d. Red.) oder Yunus Akgün (Leicester City, d. Red.), die in der Lage sind, mit Einzelaktionen den Unterschied auszumachen.
„Nagelsmann einer der besten deutschen Trainer“
SPORT1: Wie bewerten Sie das deutsche Team nach den ersten beiden Länderspielen zuletzt unter dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann?
Daum: Riesenkompliment an Rudi Völler und den DFB, denen es gelungen ist, Julian Nagelsmann zu verpflichten, der für mich zu den besten deutschen Trainern zählt. Das Team ist auf einem guten Weg, ein Stimmungsumschwung ist erkennbar, man kann wieder den Eindruck gewinnen, dass eine verschworene Gemeinschaft auf dem Platz steht.
SPORT1: Mit dem Bremer Marvin Ducksch und Leipzigs Torwart Janis Blaswich hat Nagelsmann zwei neue Spieler dazu geholt. Wie überrascht waren Sie von diesen Nominierungen?
Daum: Hieran wird für mich deutlich erkennbar, dass in der Nationalmannschaft wieder das Leistungsprinzip zählt.
SPORT1: Kann Julian Nagelsmann zusammen mit Co-Trainer Sandro Wagner eine neue Euphorie entfachen?
Daum: Aus meiner Sicht haben die beiden zusammen mit Rudi Völler schon für eine deutlich positivere Stimmung rund um die Mannschaft gesorgt und man kann nur hoffen und wünschen, dass bis zur EM eine Euphorie entsteht und der Funke vom Platz wieder auf die Zuschauer überspringt, wie bei der WM 2006.
SPORT1: Stefan Kuntz war von 2021 bis 2023 Nationaltrainer der Türkei. Seine Bilanz: zwölf Siege, drei Remis, fünf Niederlagen. Nach der 2:4-Pleite gegen Japan sowie dem 1:1-Unentschieden in der EM-Qualifikation gegen Armenien wurde er entlassen, obwohl die Chance auf die EM noch bestand. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Daum: Stefan hat in der Türkei gute Arbeit abgeliefert, insofern kam die Entlassung für viele überraschend. Ich bin mir sicher, dass er in absehbarer Zeit wieder sehr attraktive Angebote erhalten wird, da ja auch seine Arbeit vorher in Deutschland außerordentlich erfolgreich war.
SPORT1: Was erwarten Sie von den Deutschen und den Türken bei der EM im nächsten Sommer?
Daum: Beide haben das Potenzial, die Gruppenphase zu überstehen. Im Anschluss hängt es auch vom Losglück ab, wie weit der Weg führen kann.
Deutschland oder Türkei? Daums Herz schlägt für beide
SPORT1: Für wen schlägt eigentlich Ihr Herz mehr? Deutschland oder die Türkei?
Daum: Mein Herz schlägt für beide und ich wünsche mir, dass die deutsch-türkische Freundschaft bei dieser Europameisterschaft vertieft wird.
SPORT1: Was erwarten Sie von Deutschland als Gastgeber der EM im nächsten Jahr?
Daum: Dass wir - wie 2006 - wieder ein weltoffener Gastgeber für alle Teilnehmer und Besucher sind und ein unbeschwertes Turnier mit toller Stimmung erleben werden.
SPORT1: Wenn Sie die beiden Trainer Julian Nagelsmann und Vincenzo Montella vergleichen, wie fällt da Ihr Urteil aus?
Daum: Montella war der bessere Fußballer, Nagelsmann ist der bessere Trainer.
SPORT1: Montella setzt am Samstag auf die Unterstützung der türkischen Fans. Wird es ein ähnliches Heimspiel wie für Galatasaray Istanbul zuletzt im Champions-League-Spiel beim FC Bayern in der Allianz Arena?
Daum: Ich gehe von einer vergleichbaren Situation wie in München aus.
Daum glaubt an knappen Sieg für Deutschland
SPORT1: Und was ist Ihr Tipp für Samstag?
Daum: 2:1 für Deutschland.