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Stefan Kretzschmar von THW Kiel überzeugt

"Das wäre ein Handball-Wunder"

SPORT1-Experte Stefan Kretzschmar erklärt den holprigen Saisonstart des THW Kiel. An seiner Meisterprognose hält er dennoch fest. Melsungen und Magdeburg traut er viel zu.
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SPORT1-Experte Stefan Kretzschmar erklärt den holprigen Saisonstart des THW Kiel. An seiner Meisterprognose hält er dennoch fest. Melsungen und Magdeburg traut er viel zu.

Hallo Handball-Fans,

die neue Saison in der DKB HBL (im TV auf SPORT1) ist endlich eröffnet.

Natürlich hat mich die Auftaktniederlage des THW Kiel beim TBV Lemgo extrem überrascht - insbesondere wegen meiner letzten Kolumne.

Für die "Hardcore-Fans" und "Super-Experten" kam das natürlich nicht überraschend. Dementsprechend musste ich auf meinen Social-Media-Kanälen Sätze lesen wie: "Was bist du denn für ein Experte?" oder "Sowas nennt sich Experte!?".

Ganz im Ernst: Dass Kiel in Lemgo verliert, hätte ich nicht gedacht - erst recht nicht, dass es so deutlich wird und der THW so desolat ist. Der Angriff war unterirdisch.

Zwei Komponenten sind allerdings zu beachten. Erstens: Man muss den Hut ziehen vor der Leistung Lemgos, vor deren Torwart Nils Dresrüsse und der Einstellung des Teams.

Zweitens: Der THW Kiel startet traditionell schlecht.

Wenn man Kiel schlagen kann, dann wahrscheinlich am Anfang der Saison. Denn dann wissen sie noch nicht, wo sie stehen.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass in den Kieler Köpfen möglicherweise eine laxe Mentalität aufgekommen ist.

Einige Spieler könnten denken: "Wir sind Meister geworden mit einer Mannschaft, mit der uns das nicht viele zugetraut hätten. Jetzt haben wir drei neue Wahnsinns-Spieler hinzubekommen. Dann müssen wir theoretisch dominanter auftreten und auch besser werden."

So etwas kann sich einschleichen. Ein Filip Jicha oder Marko Vujin könnten sich mehr auf andere Spieler verlassen und sagen: "Die Last liegt nicht mehr nur auf meinen Schultern. Jetzt habe ich ja einen Duvnjak oder einen Canellas an meiner Seite."

Kiel muss sich noch einspielen - wie jedes andere Team, das zwei, drei Neue hat. Auch Weltklasse-Spieler müssen sich noch finden. Das braucht seine Zeit.

Beim 30:26-Sieg gegem die SG Flensburg-Handewitt am Dienstag habe ich über weite Strecken eine gute Kieler Mannschaft gesehen. Die haben sich reingebissen, die Abwehr hat überzeugt, die Torwartleistung kam dazu.

Der THW hat gezeigt, wozu er in der Lage ist: Nämlich einen der größten Konkurrenten um die Meisterschaft zu schlagen. Das war teilweise das Gesicht des THWs, wie man es sich vorstellt.

Bei den Rhein-Neckar Löwen ist das anders. Deren Leistung gegen den SC Magdeburg war keinesfalls überragend. Komischerweise gab es ein Problem mit ihrem Innenblock. Auch hier gehört dem Gegner das Lob: Der SCM hat das wirklich gut gemacht: taktisch abgebrüht, viel Intensität im Spiel. Und sie haben das Duo Schmid/Myrhol ausgeschaltet.

Auch nach diesem durchwachsenen Auftakt gehe ich nicht von meiner These ab. Kiel wird Meister. Das wäre ein Handball-Wunder, wenn diese Mannschaft mit diesem Kader es nicht schaffen sollte über die gesamte Spielzeit hinweg die Besten zu sein. Das ist für mich nicht vorstellbar.

Vorstellbar ist dagegen, dass der SC Magdeburg eine Überraschungsmannschaft werden kann. Genauso wie MT Melsungen, der aktuelle Tabellenführer. Beide können nochmal einen Schritt nach vorne machen. Ich traue ihnen zu, sogar mal unter die Top 3 zu rutschen.

Denn die Füchse Berlin und der HSV Hamburg schwächeln.

Apropos HSV Hamburg. Am Sonntag empfängt die hanseatische Wundertüte den THW Kiel (ab 17.00 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und ab 17.15 Uhr im Gratis-LIVESTREAM).

Prinzipiell halte ich zu Beginn der Saison alles für möglich. Kiel sucht sich noch - und hat sich noch nicht ganz gefunden. Keiner rechnet damit, dass diese dezimierte Hamburger Mannschaft den THW Kiel schlagen kann.

Deswegen gilt für den HSV Hamburg: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Bis zum nächsten Mal,

Euer Kretzsche

Stefan Kretzschmar, 41, ist seit 2009 als Experte und Co-Kommentator das Handball-Gesicht von SPORT1. Der neben Heiner Brand wohl bekannteste deutsche Handballer hat in 218 Länderspielen 817 Tore für den DHB erzielt, gewann unter anderem Olympia-Silber in Athen 2004. In der Bundesliga war der ehemalige Weltklasse-Linksaußen für den SC Dynamo Berlin, Blau-Weiß Spandau, den VfL Gummersbach und zuletzt den SC Magdeburg aktiv, mit dem er 2002 die Champions League gewann. Bei SPORT1.de analysiert "Kretzsche" wöchentlich in seiner Kolumne das Handball-Geschehen.