So wirklich fassen konnten die Schweizer Handballer nicht, was sie da gerade erlebt hatten.
Eine Odyssee mit Happy End
"Was für ein Tag", war auf der Website der Schweiz nach verrückten 24 Stunden, die mit einem überraschenden 28:25-Auftaktsieg bei der Weltmeisterschaft gegen Österreich endeten, zu lesen.
Für die Schweiz war es das erste WM-Spiel seit dem 20. Mai 1995, als gegen Tschechien Platz sieben gesichert wurde. Der historische Erfolg brachte die Aargauer Zeitung gar dazu, von einem "Tag für die Ewigkeit" und einem "Helden-Epos" zu schreiben (So läuft die Handball-WM 2021).
"Alles surreal": Handball-WM statt Homeschooling
Erst am Dienstagabend hatten die Schweizer wegen der coronabedingten Absage der USA erfahren, dass sie kurzfristig als WM-Teilnehmer nachrücken (Handball-WM 2021 vom 13. bis 31. Januar im LIVETICKER).
Daraufhin veränderten die Spieler, die Samstag immerhin noch ein fünftägiges Trainingslager absolviert hatten, ihre Pläne und packten ihre Sachen, am Donnerstagmorgen stand der Abflug nach Ägypten an.
"Gerade ist alles surreal, Dienstagabend habe ich mich mit meinem Sohn um die Schulaufgaben der nächsten Tage gekümmert, Mittwochmorgen hat er mich dann gefragt, ob wir jetzt Weltmeister werden. Es ist verrückt", berichtete Andy Schmid von den Rhein-Neckar Löwen, der nach sieben Treffern gegen Österreich zum Spieler des Spiels gekürt wurde, in der Berliner Zeitung.
Handball-WM statt Homeschooling!
Verspäteter Flug, fehlendes Gepäck
Vor 6 Uhr machte sich der Tross des Nachrückers am Donnerstag auf den Weg zum Flughafen Zürich - ohne Jonas Schelker und Luka Maros, die wegen Coronafällen zurückgelassen werden mussten.
Der ohnehin schon eng getaktete Zeitplan - am gleichen Abend stand schließlich bereits das Auftaktspiel gegen Österreich an - wurde durch den Wintereinbruch noch stressiger.
Denn der für 8 Uhr geplante Abflug verzögerte sich um mehr als 90 Minuten. In Ägypten etwa viereinhalb Stunden vor Spielbeginn angekommen, mussten Schmid und seine Kollegen noch auf dem Rollfeld in einem Bus erst einmal das Corona-Prozedere über sich ergehen lassen (Handball-WM: Die wichtigsten Regeln).
Denn erst nach einem negativen Schnelltest und einem Abstrich für einen PCR-Test durfte die Reise weiter gehen. Begleitet von einer Polizei-Eskorte ging die Fahrt wegen der Verspätung allerdings nicht in das Hotel, sondern direkt zur Halle, wo die Nati zwei Stunden vor Anpfiff eintraf.
Allerdings fehlte das Gepäck, das - offenbar noch durchnässt - erst eine Stunde vor Anwurf eintrudelte. Gerade noch rechtzeitig, um sich umzuziehen und aufzuwärmen - und dann tatsächlich den Coup gegen Österreich zu schaffen (Spielplan & Ergebnisse der Handball-WM).
Schweiz nach Coup ungläubig
"So etwas wie heute habe ich noch nie erlebt. Ich kann es noch gar nicht fassen, was heute alles passiert ist", erklärte Kreisläufer Alen Milosevic, der in der Handball-Bundesliga für den SC DHfK Leipzig aufläuft.
"Am Morgen früh standen wir noch in Zürich im Schnee. Dann mussten wir erst am Flughafen und später noch auf das Gepäck warten. Das darfst du eigentlich niemandem erzählen", ergänzte er laut Blick.
Ein "Pfüseli", ein kleines Schläfchen in Bus oder Flugzeug, habe trotz der Strapazen für die nötige Energie gesorgt. Zu Essen gab es gerade einmal ein bisschen Obst.
Trainer Michael Suter war "unglaublich stolz auf meine Mannschaft. Nach diesem Tag mit allem drum und dran so eine Leistung zu zeigen, nötigt mir größten Respekt ab."
Erinnerungen an Dänemark 1992
Jetzt winkt den Schweizern sogar die WM-Hauptrunde. Denn drei der vier Vorrundenteams kommen weiter, mit Österreich wurde der vermeintliche Konkurrent um den dritten Platz bezwungen. Nun warten auf die deutschen Nachbarn zwei Hammer-Aufgaben: Frankreich und Norwegen (Tabellen der Handball-WM).
Am Freitag dürfen sich die Schweizer erst einmal von den Strapazen erholen. Und "dann sollen Norwegen und Frankreich nur kommen, wir sind bereit", tönte Milosevic.
Gibt es am Ende sogar ein Märchen, wie es Dänemarks Fußballer 1992 schrieben? "Danish Dynamite" nahm damals als Nachrücker an der EM teil - und holte am Ende den Titel.