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César Luis Menotti: Weltmeister-Trainer und Philosoph

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César Luis Menotti: Weltmeister-Trainer und Philosoph

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César Luis Menotti: Das Gewissen des schönen Spiels

Cesar Luis Ménotti, der argentinische Weltmeistertrainer, ist nicht nur wegen seines Erfolgs legendär - sondern auch wegen seiner philosophischen Gedanken.
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© Credit: SPORT1-Grafik/Getty Images/Imago
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Es gibt Menschen, die nur alle vier Jahre ihren Geburtstag am richtigen Datum feiern können, weil sie an einem 29. Februar geboren wurden.

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Und es gibt César Luis Menotti, der seinen Ehrentag jedes Jahr zwei Mal feiern kann. Einmal an seinem eigentlichen Geburtstag am 22. Oktober und ein weiteres Mal am 5. November.

An jenem Datum, das bei ihm offiziell ausgewiesen wird, weil sein Vater zwei Tage nach seiner Geburt verreisen musste, die Meldefrist verpasste und nach der Rückkehr beim Standesamt kurzerhand ein späteres Geburtsdatum angab.

Das Ereignis der Geburt seines Sohnes war ihm offenbar deutlich wichtiger als das amtliche Ergebnis, wenn man so will.

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Mittlerweile hat der argentinische Weltmeistertrainer und Fußballphilosoph César Luis Menotti seine beiden Geburtstage je über 80 Mal gefeiert - und ist nicht nur wegen seiner Erfolge als Coach in Erinnerung geblieben.

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El Flaco, oder: das Gewissen des kunstvollen Kicks

Sein Spitzname "El Flaco", der Dürre, wird oft genannt. Doch das klingt beinahe ähnlich beliebig wie "Langer" und wird nur Menottis Statur gerecht. Um ihn und sein Verständnis des Fußballs, der Welt oder gleich des Lebens insgesamt einigermaßen ganzheitlich zu erfassen, müsste Menotti eigentlich der Ästhet oder vielleicht sogar das Gewissen des kunstvollen Kicks genannt werden.

In jedem Fall darf man ihn wohl als eine der wichtigsten Stimmen des schönen Spiels bezeichnen. Immer noch oder gerade jetzt, weil der Fußball zunehmend von der Athletik und Arithmetik des Marktes bestimmt wird.

Auch deshalb erhebt der "hormonelle Marxist", wie er vom Schriftsteller Jose Saramago genannt wurde, weiter seine Stimme, wenngleich aufgrund seines Alters nicht mehr ganz so oft, um an den eigentlichen Sinn des Fußballs und an den Spielcharakter seines Lieblingssports zu erinnern.

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Man kann beinahe in jedem Interview mit Menotti fündig werden, wie der frühere Stürmer und Trainer sein Lebensthema Fußball versteht und in den Gesamtzusammenhang einordnet.

Er sagt dann Sätze wie diesen: "Das Grundprinzip des Spiels ist die Freiheit. Man kann einen Fußballer nicht in ein Schema pressen, das nur vom Erfolg geprägt ist, denn es würde den Tod des Sports bedeuten."

Oder: "Für mich ist Fußball etwas Menschliches. All jene, die nur darauf aus sind, Spiele zu gewinnen, haben den eigentlichen Sinn nicht verstanden. Sie spielen in meinen Augen falsch."

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Menotti für Bernd Schuster "ein Toptrainer"

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte ihn einmal den "Welterklärer des Fußballs" mit einer besonderen Aura. Diese hob auch Bernd Schuster hervor, der 1980 als Profi mit Deutschland Europameister wurde und zwischen 1983 und 1984 beim FC Barcelona unter Menotti spielte.

"Eine unglaubliche Ausstrahlung" habe Menotti, befand Schuster einmal, "mit seiner Körpergröße und seiner väterlichen Art wirkt er beruhigend auf die Spieler. Statt der klassischen Besprechung vor dem Spiel, in der die eigene Mannschaft und die des Gegners auf einer Tafel aufgemalt sind, saß Menotti einfach nur 20 Minuten auf dem Tisch, hat erzählt, wie gut wir sind - und hat den Gegner mit keinem Wort erwähnt."

Menotti sei "ein Toptrainer" gewesen, "aber wenn er mit einem Spieler geredet hat, hat er gefragt, ob es Frau und Kindern gut geht. Ansonsten saß er auf der Bank und rauchte 50 Zigaretten."

Dass sich der intellektuelle Sohn eines Arztes stets zu seinen linken Einstellungen bekannte, änderte über die politischen Lager hinweg nichts an seinem Einfluss auf den Fußball. Wohl auch deshalb, weil er seine Meinung zwar sehr überzeugt, aber nicht zu ideologisch vertritt.

Er formulierte es einmal so: "Ich empfinde eine gewisse Abscheu für den Kapitalismus. Ich glaube, dass es keine dermaßen ungerechte Welt geben darf. Aber gut, wir leben alle vom Geschäft Fußball. Man soll nur innerhalb dieses Systems das Kulturgut Fußball respektieren, das Spiel."

Ein Titelgewinn als Triumph gegen die Diktatur

Um Letzteres ging und geht es ihm vor allem. Schon in seinen Anfängen als Stürmer in seiner Heimatstadt Rosario, wo er für den Klub Central am 3. Juli 1960 beim 3:1 gegen die Boca Juniors in Argentiniens Primera División debütierte. Später lief er für den Racing Club Avellaneda und die Boca Juniors auf, ehe er in den USA (New York Generals) und in Brasilien (FC Santos, CA Juventus) spielte.

Eine ganz große Spielerkarriere gelang ihm nicht, als Trainer aber machte sich einen ganz großen Namen.

Vor allem, weil er mit Argentinien 1978 bei der Heim-WM den Titel gewann. "Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt", sagte er danach. Es war seine Art der Kritik an der damals regierenden Militärjunta.

Allerdings hatte diese vielen Indizien zufolge zum Titelgewinn beigetragen. Mit Getreidelieferungen und Millionenzahlungen soll der zum Finaleinzug nötige hohe Sieg in der Zwischenrunde gegen Peru (6:0) erkauft worden sein.

Trotz der umstrittenen Umstände sah Menotti den Titelgewinn stets als Triumph über die Diktatur in seinem Land. "Wir haben 20 Millionen Menschen auf die Straße gebracht, trotz Angst und Sperrstunde, obwohl sich sonst nicht mal drei Leute versammeln durften. Nur der Fußball schafft so was", sagte er einmal.

1986 gelang dies als Argentiniens Nationaltrainer auch Carlos Bilardo, der im Gegensatz zum eleganten Kurzpass-Verfechter Menotti einen körperbetonten und ergebnisorientierten Stil in den Mittelpunkt des Spiels stellte.

Gemein hatten beide nur den Gewinn des WM-Titels und den auf Klubebene überschaubaren Erfolg ihrer Trainerkarrieren. Mit 31 Jahren hatte Menotti diese bereits begonnen, erst Anfang 2008 beendete er sie mit 69 Jahren und nach 17 Stationen in fünf Ländern, als er beim mexikanischen Erstligisten UAG Tecos aus Guadalajara zurücktrat.

Drei Jahre später gab der langjährige Kettenraucher nach einer lebensgefährlichen Lungenentzündung sein Laster auf.

Pep Guardiola als Bewunderer

Sein Wort hat seit jeher Gewicht, auch jetzt noch. Besonders für Pep Guardiola, der Menottis Idee vom schönen Spiel verehrte und ihn auch aufsuchte, bevor er 2013 sein Amt beim FC Bayern antrat. Guardiola, sagte Menotti einmal, "versteht, dass die einzige Wahrheit des Lebens das Lernen ist, bis zum Tod". Es gebe zudem zwei Wege beim Fußball.

"Entweder man verwandelt den Platz in ein Schlachtfeld, wo die wilden Pferde herumlaufen. Oder du machst ihn zu einer Werkstatt, in dem Handwerker Kunstwerke schaffen. Das ist Guardiola. Wenn du einer Mannschaft von Guardiola zuschaust, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie dich der Schönheit annähert."

Guardiola habe zudem verstanden, dass sich "aus der Ordnung heraus eine große Freiheit für das Abenteuer" ergebe, "aber immer wieder mit sofortiger Rückkehr aus dem Abenteuer zur Ordnung".

Den eigentlichen Sinn des Fußballspiels sieht Menotti zunehmend bedroht, vor allem durch die Geldgier und die enormen TV-Erlöse. "Heute sieht man Spiele zu jeder Tages- und Nachtzeit. Deshalb müssen wir aufpassen, dass es nicht langweilig wird. Stellen Sie sich vor, täglich würden überall Konzerte von Placido Domingo laufen. Das Ereignis würde völlig an Bedeutung verlieren", sagte er einmal.

Er sprach natürlich nicht vom Ergebnis, sondern vom Ereignis. Um dessen Schönheit geht es ihm vor allem, nicht zuerst um Sieg oder Niederlage.