Der Tag, an dem sich ganz Kolumbien in James Rodríguez verliebte, liegt nun rund siebeneinhalb Jahre zurück.
WM-Quali 2022: James Rodríguez - vom Volksheld in Kolumbien zum Sündenbock
Der Sündenbock einer Fußball-Nation
Damals hatte sich der Kolumbianer im Achtelfinale der WM 2014 unsterblich gemacht, als er an einem lauen Tag im ausverkauften Maracana von Rio de Janeiro ein Zuspiel aus der Luft annahm, sich um die eigene Achse drehte und den Ball dann aus gut 25 Metern volley unter die Querlatte des Tores von Uruguays Nationaltorhüter Fernando Muslera jagte.
Durch einen Doppelpack von James zog Kolumbien mit einem 2:0-Sieg gegen den Rivalen aus Südamerika ins Viertelfinale ein. Dort war zwar nach einem 1:2 gegen Gastgeber Brasilien Schluss, doch der Offensivspieler war in wenigen Tagen zum Weltstar aufgestiegen und wechselte in der Folge von der AS Monaco zu Real Madrid. Auch für den FC Bayern war er aktiv.
Ein Weltstar ist der 30-Jährige mittlerweile nicht mehr und was noch erstaunlicher ist: Auch in Kolumbien wird er nicht mehr geliebt.
Kolumbische Fans beschimpfen und bewerfen James Rodríguez
Wie groß die Gräben zwischen James und den kolumbianischen Fußball-Fans ist, zeigte sich jüngst im Länderspiel gegen Peru. Kolumbien kämpft derzeit um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022, doch das Ticket für Katar ist nach dem 0:1 gegen Peru um Freitag und dem darauf folgenden 0:1 in Argentinien am Dienstag in weiter Ferne gerückt. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der WM-Quali in Südamerika)
Beim Heimspiel gegen Peru kam es zu Szenen, die man sich vor gut sieben Jahren nicht im entferntesten hätte vorstellen können. Die Fans hatten das Spiel der kolumbianischen Nationalmannschaft - und im Speziellen von James - mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht.
James fuchtelte auf dem Rasen wild gestikulierend mit den Armen und soll „undankbares Sch***pack“ in Richtung der Tribünen gerufen haben. Aus dem weiten Rund des Estadio Metropolitano Roberto Meléndez konterten einige Anhänger mit noch deutlich schlimmeren Beschimpfungen. Als James nach der Partie das Feld verließ, regnete es Getränkebecher.
James: Ein Volksheld wird zum Sündenbock
In Kolumbien ist seitdem der Teufel los. Ein Volksheld ist zu einem Sündenbock verkommen. Die Liebe scheint blankem Hass gewichen zu sein, wie die Szenen in Barranquilla nahelegen.
Der einstige Superstar hatte sich im vergangenen Jahr vom europäischen Top-Fußball verabschiedet und war vom FC Everton zum katarischen Klub Al-Rayyan SC gewechselt.
„James präferiert Geld und ein komfortables Leben. Das ist ihm wichtiger als der Wettkampf und der Erfolg im Fußball“, hatte der damalige Everton-Coach Rafael Benítez diese Entscheidung kommentiert. Und die Kolumbianer nehmen ihrem Landsmann den Wechsel übel. (NEWS: James Rodríduez flippt in Katar aus)
Der Weg in eine sportliche Bedeutungslosigkeit wirkt sich aus ihrer Sicht auch auf die Nationalmannschaft aus, die sich lange Jahre im Speziellen über James definiert hat.
Kolumbien seit 646 Minuten ohne Torerfolg
Nach dem Viertelfinale von Brasilien hatte Kolumbien bei der WM 2018 immerhin das Achtelfinale erreicht - und scheiterte in diesem nur sehr knapp nach Elfmeterschießen gegen England. In Katar müssen die Fans in dem fußballbegeisterten Land aber nun wohl mit anderen Teams fiebern.
Zwei Spieltage vor dem Ende der WM-Qualifikation in Südamerika trennen die Kolumbianer vier Punkte auf den Fünftplatzierten Peru und fünf Punkte auf den Viertplatzierten Uruguay. Der fünfte Rang würde für Playoff-Spiele zur WM reichen, der vierte für die direkte Qualifikation. (DATEN: Tabelle der WM-Quali in Südamerika)
In den letzten beiden Spielen trifft Kolumbien zu Hause auf Bolivien und auswärts auf Venezuela. Zwei machbare Aufgaben gegen Teams, die keine Chance mehr auf die WM-Qualifikation haben. Machbar wirkt für die Kolumbianer aber gerade wenig, was vor allem mit der Offensive zu tun hat.
Seit unglaublichen 646 Spielminuten ist Kolumbien mittlerweile ohne eigenen Treffer. Viele Gegentore kassiert die Mannschaft selten, doch mit dieser außergewöhnlichen Sturmflaute kann sie eben auch keine Spiele gewinnen. James ist einer der Gründe für diese.
Sein letztes Tor erzielte der Offensivspieler im November 2020, bei einem 1:6 in Ecuador. Seine Kapitänsbinde ist er mittlerweile los. Und die Liebe der Kolumbianer wohl auch.