Er prägte den Fußball nicht nur mit seinem linken Fuß - und mit seiner Persönlichkeit.
Die Tragödie eines legendären FC-Bayern-Schrecks
Die Tragödie einer Legende
Heute vor drei Jahren starb der frühere Freistoßkünstler und Serie-A-Coach Sinisa Mihajlovic. Sein Tod hinterließ eine Lücke, die sich nicht allein in Zahlen, Titeln oder Stationen erklären lässt.
Sinisa Mihajlovic: Eine Identität, vom Krieg zerrissen
Der 1969 im damaligen Jugoslawien geborene Serbe wuchs in Vukovar auf, einer Stadt, die Anfang der 1990er-Jahre zum Symbol für den Zerfall Jugoslawiens wurde. Der Krieg prägte seine Identität.
Mihajlovics familiäre Wurzeln stehen sinnbildlich für die Spannungen der Region: ein serbischer Vater, der als Lastwagenfahrer arbeitete, eine kroatische Mutter, die in einer Schuhfabrik ihr Geld verdiente.
In einer Zeit, in der Herkunft plötzlich politische Bedeutung bekam, geriet Mihajlovic - der zu beiden Ländern Loyalität empfand - zwischen die Fronten: Mihajlovics Haus wurde von kroatischen Streitkräften zerstört, sein bester Freund aus Kindheitstagen war an der Operation beteiligt.
Er bescherte dem FC Bayern einen Albtraum
Den größten Erfolg seiner Karriere feierte anfangs im Offensivbereich eingesetzte Mihajlovic früh in seiner Laufbahn - und noch in seinem Heimatland.
Mit Roter Stern Belgrad holte Mihajlovic 1991 den Europapokal der Landesmeister - und schaltete auf dem Weg dorthin auch den FC Bayern aus: Im Halbfinale rang Belgrad die damals von Jupp Heynckes trainierten Münchener nach einem 2:1-Auswärtssieg im Hinspiel nieder, indem es dem deutschen Rekordmeister ein 2:2 abtrotzte. Mihajlovic schoss per Freistoß den ersten Treffer - und leitete mit einer Flanke Klaus Augenthalers bitteres Eigentor in der 90. Minute ein.
Das starbesetzte Team mit Mihajlovic, Dejan Savicevic, Robert Prosinecki und Darko Pancev gewann das Finale in Bari gegen Olympique Marseille mit 5:3 im Elfmeterschießen. Mihajlovic behielt am Punkt die Nerven.
Freistoß-Tore en masse in der Serie A
Mihajlovic wechselte 1992 zum AS Rom - und fand in Italien seine zweite sportliche Heimat, in der er bei der Roma, Sampdoria Genua, Lazio Rom und Inter Mailand tiefe Spuren hinterließ.
Mit 28 direkt verwandelten Freistößen teilt der in Italien zum Verteidiger umgeschulte Mihajlovic sich bis heute den Serie-A-Rekord mit Andrea Pirlo - und blieb überdies als kompromissloser und charakterstarker Führungsspieler in Erinnerung.
Auch Titel sammelte der 63-malige Nationalspieler: Mit Lazio Rom und Inter Mailand wird Mihajlovic italienischer Meister. Mit den Römern gewann er zudem den Europapokal der Pokalsieger sowie den UEFA Super Cup.
Diagnose Leukämie im Jahr 2019
Auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere im Sommermärchen-Jahr 2006 blieb Italien der Mittelpunkt seines sportlichen Wirkens. Als Trainer stand Mihajlovic bei sieben Klubs in mehr als 400 Pflichtspielen - bei Catania, dem AC Florenz, Sampdoria Genua, AC Mailand, dem FC Turin und zweimal dem FC Bologna.
2012 übernahm er das Amt des serbischen Nationaltrainers - verpasste aber die Qualifikation für die WM 2014.
2019 heuerte Mihajlovic nach einem turbulenten Kurz-Intermezzo bei Sporting Lissabon zum zweiten Mal in Bologna an. Im selben Jahr ereilte ihn der Schicksalsschlag: Er erkrankte an Leukämie.
Entlassung erst wenige Wochen vor dem Tod
Mihajlovic besiegte die Krankheit zunächst mit Hilfe einer Rückenmarks-Transplantation, Anfang 2022 folgte jedoch ein Rückfall, der sich als fatal erwies: Mihajlovic starb am 16. Dezember 2022 im Alter von 53 Jahren.
Die öffentliche Anteilnahme an Mihajlovics Martyrium war groß, vor allem wegen seiner beeindruckenden Entscheidung, trotz der Erkrankung im Amt zu bleiben.
Erst im September 2022 entschied Bologna-Klubboss Joey Saputo, sich von dem zunehmend geschwächten Mihajlovic zu trennen. Er sprach von der „schwierigsten Entscheidung“ seiner Funktionärskarriere.
Der Trauerfeier für Mihajlovic in Rom wohnten 2000 Menschen bei, der Sarg wurde unter anderen von Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini - der lange mit Mihajlovic zusammengespielt hatte - und vom einstigen Lazio-Star Dejan Stankovic aus der Kirche getragen.
Ein Vermächtnis, das bleibt
„Auf dem Spielfeld verkörperte er mit seinen Freistößen eine große Leidenschaft und Hingabe für die Schönheit des Fußballs, die einen bleibenden Eindruck in der Welt des Sports hinterlassen hat“, würdigte FIFA-Präsident Gianni Infantino den Verstorbenen: „Sein Tod ist für uns alle ein großer Verlust.“
Mihajlovic hinterließ seine Frau Arianna, seine Kinder Viktorija, Virginia, Miroslav, Dusan und Nicholas sowie eine Enkelin. Wegen seiner Qualitäten auf und neben dem Platz und seiner inspirierenden Geschichte ist er speziell in der serbischen Heimat und in Italien als Ikone in Erinnerung.