Home>Internationaler Fußball>MLS>

Pfannenstiel: "Darum habe ich mich gegen Bayern entschieden"

MLS>

Pfannenstiel: "Darum habe ich mich gegen Bayern entschieden"

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Pfannenstiel: Darum nicht Bayern

Der ehemalige Fortuna-Düsseldorf-Sportdirektor Lutz Pfannenstiel spricht im SPORT1-Interview über seinen Ruf als Wandervogel, Ex-BVB-Torhüter Bürki und eine Offerte des FC Bayern.
Laut Lutz Pfannenstiel hatte Bastian Schweinsteigers Zeit in der MLS bei Chicago Fire keinen riesigen Effekt für die Liga.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Lutz Pfannenstiel ist im Fußballgeschäft bestens vernetzt.

{ "placeholderType": "MREC" }

In Deutschland arbeitete er nach der aktiven Laufbahn für die TSG Hoffenheim als Head of International Relations and Scouting und bei Fortuna Düsseldorf war er Sportdirektor. Als Torwart stand er in 19 Profijahren bei nicht weniger als 26 Klubs unter Vertrag.

Dennoch hört er das Wort Weltenbummler gar nicht gerne. Nach seiner Zeit in Düsseldorf wurde er bei europäischen Spitzenklubs wie Inter Mailand oder dem FC Chelsea gehandelt - und ging völlig überraschend in die USA zu St. Louis City. Einem Team, das es damals noch gar nicht gab - denn erst in diesem Jahr ist der Verein offiziell in der amerikanischen Major League Soccer gestartet.

Lutz Pfannenstiel hat St. Louis zu einem MLS-Spitzenklub geformt
Lutz Pfannenstiel hat St. Louis zu einem MLS-Spitzenklub geformt

Pfannenstiel spricht über Ex-BVB-Schlussmann Bürki

Im SPORT1-Interview spricht Pfannenstiel über sein Abenteuer, den früheren BVB-Torwart Roman Bürki und den amerikanischen Fußball. Zudem verrät der 49-Jährige, warum er mit 18 ein Angebot des FC Bayern ablehnte.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Herr Pfannenstiel, Sie mischen mit St. Louis City die US-Profiliga auf. Die Begeisterung für den vierten Profiklub neben den geliebten Cardinals (Baseball), Blues (Eishockey) und seit diesem Jahr dem XFL-Team der St. Louis Battlehawks ist nicht nur wegen des historisch guten Saisonstarts enorm. Wie blicken Sie zurück?

Lesen Sie auch

Lutz Pfannenstiel: Es waren mehr als zweieinhalb Jahre harte Arbeit, viel strategische Planung und auch Organisation bis ins kleinste Detail. Der Fußball hat einen hohen Stellenwert in St. Louis und die Euphorie ist unglaublich. Der Start mit fünf Siegen in fünf Spielen hat bisher alle Rekorde gebrochen. Es ging in meiner bisherigen Zeit nicht nur um die Entwicklung der Profimannschaft, sondern darum, einen Verein nachhaltig und gesund aufzubauen. Ein Großteil der Gelder und der Arbeit fließt in den Kinder- und Jugendfußball. Unser Ziel ist es eine der besten Akademien in Nordamerika zu haben. Das haben wir zu einem Großteil schon geschafft. Wir wollen im Bereich Infrastruktur und Innovation als Vorzeigeprodukt gelten. Unser Stadion und Trainingszentrum sind auf Bundesliga-Niveau.

„Wir hatten einen komplett anderen Ansatz als die meisten Vereine“

SPORT1: Es gab nicht wenige, die ob Ihrer Verpflichtung und Herangehensweise eher skeptisch waren. Wieviel Genugtuung spüren Sie?

Pfannenstiel: Mir geht es nicht um Genugtuung. Meine Verpflichtung wurde sehr positiv gesehen. Die Herangehensweise ist ein anderes Thema. Meine Transferstrategie ist einfach komplett anders und diese Art auf dem amerikanischen Markt eine gewisse Skepsis hervorruft, war klar. Wir hatten einen komplett anderen Ansatz als die meisten Vereine. Ich habe einen klaren Plan bis ins kleinste Detail entwickelt und diesen Stück für Stück implementiert. Bernhard Peters (u.a. früherer HSV-Sportdirektor, d. R.) hat mich dabei mit Rat und Tat unterstützt.

{ "placeholderType": "MREC" }
Lutz Pfannenstiel lotste den Ex-Herthaner Eduard Löwen zu seinem MLS-Klub St. Louis
Lutz Pfannenstiel lotste den Ex-Herthaner Eduard Löwen zu seinem MLS-Klub St. Louis

SPORT1: Was ist Ihr Plan gewesen?

Pfannenstiel: 2020 war turbulent. Ich hatte offizielle Angebote aus England und Italien. Mit den Engländern war ich mir auch so gut wie einig. Nur dann hat es sich sehr gezogen und St. Louis City machte mir eine Offerte. Und das hat mich sofort interessiert. Es war für mich das spannendste Projekt im internationalen Fußball. Ich konnte einen Verein von Null aufbauen, konnte meine Erfahrungen als aktiver Profi und aus meiner Zeit in Hoffenheim und Düsseldorf einbringen. Ich habe jeden einzelnen Mitarbeiter in der Abteilung Sport persönlich eingestellt, um einen gewissen Überblick zu haben. Das war mir wichtig.

SPORT1: Ein wirklich anspruchsvolles Projekt.

Pfannenstiel: Oh ja. Und ich muss nicht gegen irgendwelche bösen Geister ankämpfen, die in einer Ecke des Vereins schlummern. Aber wichtig ist die Nachhaltigkeit. Wir wollen kein One-Hit-Wonder sein. Wir wollen Jugendliche zu Profis ausbilden, das Ganze gespickt mit guten Spielern aus Europa und der Bundesliga. So kann hier etwas entstehen.

Gelingt dem Aufsteiger der Durchmarsch in der MLS?

SPORT1: Jetzt sind in der US-Profiliga sechs Spieltage absolviert, und die neue, 29. Franchise der MLS, hat als einzige alle Spiele gewonnen. Einem Neueinsteiger gelang das noch nie. Wie stolz macht Sie das?

Pfannenstiel: Es ist ein schöner Rekord, den wir uns einrahmen können. Rekorde sind dazu da, dass sie gebrochen werden. Wir haben aber noch nichts erreicht. Es ist ohne Frage ein gutes Gefühl, dass wir so gut gestartet sind, normalerweise braucht ein Expansion-Team (die Neugründung einer Mannschaft, d. Red.) länger, um sich an alles zu gewöhnen. Unser Ziel war es sofort wettbewerbsfähig zu sein. Das haben wir bisher unter Beweis gestellt. Aber diese Form wollen wir dauerhaft bestätigen.

Lutz Pfannenstiel ist der gefeierte Mann bei seinem x-ten Arbeitgeber St. Louis
Lutz Pfannenstiel ist der gefeierte Mann bei seinem x-ten Arbeitgeber St. Louis

SPORT1: Was haben Sie konkret gemacht für diesen Erfolg?

Pfannenstiel: Ich habe Trainer Bradley Carnell (früherer Bundesligaspieler beim KSC, in Gladbach, Stuttgart und Rostock, d. R.) ein Jahr vor dem ersten Spiel verpflichtet, was unwahrscheinlich wichtig war. Es gab hunderte Trainer mit dickem Lebenslauf und erfolgreicher Vergangenheit, die diesen Job haben wollten. Aber das war nicht der springende Punkt. Ich wollte von Anfang an eine DNA integrieren, die eine gewisse Spiel-Philosophie mit sich bringt sehr stark anlehnend an das Konzept Hoffenheim. Bradley war genau der Richtige. Bei uns soll immer die Mannschaft im Vordergrund stehen und keine individuellen Superstars. Der zweite Punkt war, dass wir sechs Monate vor Saisonbeginn schon eine große Anzahl der Spielern bringen konnten. Löwen, Bürki, Ostrak, Klauss konnten St. Louis also schon frühzeitig als ihr Zuhause bezeichnen, als sie im Januar zurückgekommen sind. Das hatte einen riesigen Einfluss auf den Zusammenhalt und die Chemie innerhalb des Teams. Wir haben die Zeit gut genutzt. Das waren die zwei wichtigsten Punkte.

„Fredi Bobic ist einer meiner besten Freunde“

SPORT1: Sie haben St. Louis City quasi aus dem Nichts mit erschaffen. Ein Traumszenario für einen Fußballmanager, oder?

Pfannenstiel: Mit Sicherheit eine ideale Ausgangsposition. Wir mussten aber viel Arbeit und Zeit investieren. Ich kann meine Ideen komplett umsetzen und spüre das Vertrauen unser Eigentümer.

SPORT1: Ihr Kumpel Fredi Bobic wollte bei Hertha BSC auch viel umsetzen, doch nach nur anderthalb wurde er beurlaubt. Kann man Ihre Rollen vergleichen?

Pfannenstiel: Fredi Bobic ist einer meiner besten Freunde. Es hat mir sehr leid getan, wie das in Berlin abgelaufen ist. In meiner Charity Global United bin ich der Gründer und er ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Wir sind wöchentlich und manchmal auch in täglichem im Austausch. Man kann St. Louis City SC aber nicht mit Hertha BSC vergleichen. Ich kann hier im Sport frei agieren. Jeder Angestellte in der Abteilung Sport wurde von mir ausgesucht. Bei den meisten anderen Vereinen ist das ganz anders. Oft hast du Leute im Verein, die dich vielleicht gar nicht da haben wollen. Das war in St. Louis nicht der Fall. Wir haben viel Geld in das Stadion und in die Infrastruktur investiert, aber wir haben die billigste Mannschaft in der gesamten Liga, haben niedrige Gehälter und das kleinste Budget, wenn es um Transfers geht.

SPORT1: Sie haben frühere Bundesliga-Stars geholt wie den ehemaligen BVB-Torwart Roman Bürki (früher Borussia Dortmund), den Brasilianer Joao Klauss (früher TSG Hoffenheim) oder den ehemaligen U21-Nationalspieler Eduard Löwen (zuletzt Hertha BSC). Machen diese Jungs den Erfolg aus?

Pfannenstiel: Unsere Philosophie ist gegen den Ball schon an Red Bull angelehnt, das gebe ich gerne zu. Bradley war schon ein Spieler unter Ralf Rangnick und bei Red Bull New York arbeitete er als Co-Trainer und Interimscoach. Daher gibt es schon gewisse Ähnlichkeiten. Mit dem Ball sind wir etwas kreativer und es steckt auch viel Hoffenheim mit drin. Natürlich spielen Bürki, Löwen und Klauss eine große Rolle, aber es dreht sich nicht nur alles um diese Jungs. Ich habe nur Spieler verpflichtet, die innerhalb unseres Systems arbeiten wollen oder bei denen wir wussten, dass sie von Natur aus diese Aggressivität auf dem Platz zeigen. Wir haben ja auch viele junge Spieler im Kader. Ich sehe das DP-Denken (Designated Players, d. Red.) sehr kritisch. Bei uns gibt es keinen Spieler, der macht, was er will. Wir sind auf den mannschaftlichen Erfolg ausgerichtet. Alle unsere Jungs haben den gleichen Status. Bürki hat viel Erfahrung und ist ein Führungsspieler, der die jungen Spieler gerne an die Hand nimmt. Das ist wahnsinnig wichtig.

„Ich fand Bürki schon immer gut“

SPORT1: Bürki war lange beim BVB die Nummer 1. Wie denken Sie über ihn?

Pfannenstiel: Ich fand Bürki schon immer gut. Er ist ein Torwart, den ich seit Jahren verfolgt habe. Zu meiner Hoffenheimer Zeit, aber auch, als ich in Düsseldorf war. Er hat eine Luftveränderung gebraucht und wollte auch etwas ganz Neues. Roman ist sehr interessiert an der amerikanischen Sportkultur. Von daher war das ein perfektes Match. Es passte vom ersten Tag mit Roman. Er fühlt sich wohl hier. Was ich über ihn denke, ist ganz einfach: Er ist mit Abstand der beste Torwart in der Liga und ein absoluter Führungsspieler. Die Jahre beim BVB haben ihn groß gemacht. Für mich ist er technisch und taktisch herausragend. Er ist ein mitspielender Torwart und mit dem Fuß ganz stark. Roman ist ein aggressiver Keeper, der aufgrund seiner Qualität eine Schlüsselfigur bei uns ist.

SPORT1: Sie haben bisher viel gemacht in Ihrer Karriere, waren als Scout und als Trainer tätig, die Fifa führt Sie als offiziellen Trainerausbilder und Sie waren auch mal Experte für den Daily Mirror. Kritiker würden sagen der Pfannenstiel macht viel, aber nichts so richtig. Was füllt Sie richtig aus?

Pfannenstiel: Ich war nach der Spielerkarriere als Trainer und im Scouting-Bereich tätig. Die Zeit in Hoffenheim war sehr erfolgreich und hat mich unglaublich geprägt. Ich mache immer noch die Bundesliga-Livespiele aus Amerika für ESPN. Was meine Kritiker sagen, ist mir komplett egal. Mir hilft die Medienarbeit dabei, gewisse Informationen zu bekommen. Und ich kann neue Kontakte knüpfen. Mir macht die Medienarbeit Spaß, da geht es nicht mal um finanzielle Interessen, sondern es lenkt mich etwas ab von der täglichen Arbeit. Wenn jemand sagt „Der Pfannenstiel macht viel, aber nichts zu 100 Prozent“, dann hat er keine Ahnung.

„Ich bin nicht der Schreibtisch-Sportdirektor“

SPORT1: Trainer oder Sportdirektor? Warum fühlen Sie sich hinterm Schreibtisch offenbar deutlich wohler

Pfannenstiel: Auf jeden Fall Sportdirektor. Mir hat der Trainerjob und auch die Trainer-Ausbildung bei der FIFA immer Spaß gemacht, aber der Job im Management ist genau das Richtige für mich. Ich bin aber nicht der Schreibtisch-Sportdirektor. Ganz im Gegenteil. Ich stehe jeden Tag auf den Trainingsplatz und bin auch bei allen Mannschaftssitzungen dabei. Ich konnte nicht nur im Büro sitzen, das war in Düsseldorf auch so. Beim Sportdirektor geht es auch um das Netzwerk und das Verhandlungsgeschick.

Zu Lutz Pfannenstiels breitem Netzwerk gehört auch Jürgen Klinsmann
Zu Lutz Pfannenstiels breitem Netzwerk gehört auch Jürgen Klinsmann

SPORT1: Sie sind der weltweit erste Fußballspieler, der in jedem der sechs anerkannten Kontinentalverbände einem professionellen Fußballverein angehörte.

Pfannenstiel: Der Einzige zu sein, ist was Besonderes. Es hat dabei geholfen ein gutes Netzwerk aufzubauen. Wie schon gesagt das kann ich mir an die Wand hängen, aber es hilft dir am Ende des Tages gar nichts, wenn der Erfolg ausbleibt. Großer Stolz bricht da in mir nicht aus.

SPORT1: 1993 wechselten Sie nach Malaysia zu Penang FA. Damals hatten Sie auch ein Angebot vom FC Bayern. Sie hätten Vertragsamateur werden sollen. Den Bayern abzusagen, war schon frech.

Pfannenstiel: Das war nicht frech, sondern einfach nur realistisch. Mir war damals relativ schnell klar, dass ich nicht das Zeug dazu habe, beim FC Bayern die Nummer 1 zu werden. Ich war nie ein Torwart für die Bank. Ich wollte immer spielen. Darum habe ich mich gegen Bayern entschieden. Vertragsamateur war nichts für mich, ich wollte Profi werden. Und dann bin ich ins Ausland gewechselt. Von 18 bis 38 war ich dann international unterwegs.

„Das beste Beispiel ist Joe Scally“

SPORT1: Warum haben Sie es als Torwart nie lange in einem Klub ausgehalten?

Pfannenstiel: Es kam immer viel zusammen. Ich habe die Vereine nicht aus Spaß an der Freude gewechselt. Ich habe aber sehr viel gelernt in diesen Jahren und ich musste dagegen kämpfen, dass man über mich sagte ‚Der Pfannenstiel hält es nirgendwo länger aus.‘ Erst nach der aktiven Laufbahn konnte ich das ablegen. Acht Jahre Hoffenheim stehen für sich. Und in St. Louis bin ich jetzt auch schon fast drei Jahre.

SPORT1: Immer mehr Stars wechseln aus der MLS nach Europa. Nicht wie früher nur die Altstars in die USA. Können Sie mal aufzeigen, warum die USA endlich Talente entwickelt, die in europäischen Topklubs spielen können?

Pfannenstiel: Die USA und auch Kanada entwickeln seit einiger Zeit eine große Anzahl an richtig guten Spielern. Junge Profis, die nach Europa wechseln und dort auch einschlagen. Das hat sehr viel mit der athletischen Ausbildung zu tun. Der deutsche und auch der englische Markt passt gut zum amerikanischen. Das beste Beispiel ist Joe Scally (in der Jugend bei New York City FC, seit 2021 bei Borussia Mönchengladbach, d. Red.) Er ist ein sehr dynamischer, athletischer und kraftvoller Spieler, der sich in die erste Mannschaft rein gearbeitet hat. Weston McKennie (in der Jugend beim FC Dallas, später Schalke 04, aktuell bei Leeds United, d. Red.) ist ein anderes, gutes Beispiel. Da gibt es inzwischen genug Fälle, die dafür stehen, dass das sehr gut passt.

SPORT1: Zum Schluss eine These: In den nächsten 20 Jahren wird die USA Weltmeister, weil das Potenzial in den USA riesengroß ist. Würden Sie diese These unterschreiben?

Pfannenstiel: Coole These! Talent und das Potenzial sind definitiv da. Der Fußball wächst immer mehr als Sportart. Es geht definitiv in die richtige Richtung. Die Liga hat gerade einen brutalen Boom. Auch im Hinblick auf die WM 2026 wird da viel Geld und Zeit investiert. Bei den Frauen ist Amerika die Topnation. Die Männer haben auch das Zeug dazu mittelfristig kann sich da etwas tolles entwickeln.