„Williiiiii“ schallte es in den 1980er-Jahren durch Deutschlands Leichtathletik-Arenen, wenn 800-m-Weltmeister Wülbeck seine Bahnen zog. Mit dem überraschenden Triumph bei der ersten Leichtathletik-WM 1983 in Helsinki war der Junge aus dem Ruhrgebiet zu einer Art Volksheld emporgestiegen. Noch heute laufen dem gebürtigen Oberhausener Schauer über den Rücken, wenn er an seinen überraschenden Sturmlauf über die Zielgerade denkt.
Eine deutsche Legende wird 70
„Es war der Lauf meines Lebens, noch heute kriege ich bei Gedanken daran Gänsehaut. Ich trage dieses Rennen wie eine Krone vor mir her“, sagt Wülbeck, der am Mittwoch seinen 70. Geburtstag feiert. Im Vorjahr reiste er mit Freundin Lucia zum 40. Jubiläum des Gold-Rennens noch einmal nach Helsinki. „Ich habe mich dort auf die Bahn gestellt und bin im Geiste nochmal das Rennen gelaufen. Aber nicht in 1:43 Minuten - sondern in 6:43″, sagt Wülbeck - und lacht.
Wülbeck wird 1983 zum Helden
Seine 1:43,65 Minuten vom WM-Triumph sind noch heute Deutscher Rekord. „Das zeigt, wie hochklassig diese Leistung war“, sagt Wülbeck, der nach 44 Jahren auch noch eine zweite deutsche Bestmarke hält: 1980 erzielte der damalige Wattenscheider hinter dem Weltrekord laufenden Sebastian Coe in Oslo 2:14,53 Minuten über 1000 m, zwischen 1974 und 1983 wurde er zehn Mal in Serie auf der selben Distanz Deutscher Meister.
Dabei hatte Wülbeck bei seinem WM-Coup offenbar noch ein paar Reserven. „Ich bin überzeugt, dass ich bei meinem WM-Sieg sogar noch ein bisschen schneller hätte laufen können, weil ich mich vor der Zielgeraden noch bewusst zurückgehalten habe.“ So seien seine beiden Rekorde „Referenzen, die mich bis heute stolz machen“.
Allerdings musste der Mittelstreckler in seiner Karriere auch schwere Momente überstehen - etwa als er bei der EM 1978 in Prag seinen Lauf verpasste, weil er wegen eines Toilettenbesuchs zu spät im Sammelraum erschienen war. „Als ich zurückkam, wurde mein Name offenbar schon aufgerufen, jedenfalls waren meine Konkurrenten weg“, erinnerte er sich bei SPORT1.
Es sei ein Trauma gewesen, das ihn noch länger verfolgt habe, sagt Wülbeck heute. Der Mann mit dem Kämpferherz war damals 23 Jahre alt und hatte 1976 in Montreal als Olympia-Vierter für positive Schlagzeilen gesorgt. Entsprechend war er in Prag als deutsche Medaillenhoffnung angereist, nur um später kübelweise Spott für sein Missgeschick zu bekommen - vor allem vom gefürchteten Boulevard, der zu dieser Zeit noch weniger zimperlich war als heute.
„Da wachte der Penner von Prag auf“
„Die Bildzeitung hat später getitelt: ‚Da wachte der Penner von Prag auf‘, als ich ein Rennen später in Frankfurt an den Start ging und das Publikum mal wieder meinen Namen rief.“ Seine Fans hatten ihm den Fauxpas schon da verziehen und seinen Vornamen skandiert, immer dann, wenn er an ihnen vorbeilief.
Nach dem WM-Triumph peilte Wülbeck damals auch hoffnungsvoll Olympia-Gold 1984 an, doch eine Knieverletzung zerstörte alle Pläne. Zwei Jahre danach hängte Wülbeck, der 1973 in Duisburg mit Silber bei den Junioren-Europameisterschaften in die Karriere gestartet war, die Spikes an den Nagel.
Lange Jahre hielt sich das in Oberhausen lebende Ruhrgebietskind durch Lauftraining fit, dann setzte eine Hüftarthrose Wülbeck Grenzen. „Seitdem trainiere ich regelmäßig 30 bis 40 Minuten auf dem Rad, mache Krafttraining und bleibe auch durch Walking-Kurse, die ich seit vielen Jahren gebe, in Bewegung“, sagt er.
Vor drei Wochen wurde Wülbeck allerdings ausgebremst. Nach Beschwerden in der Brust ging er zum Arzt, der stellte verstopfte Blutgefäße fest und verpasste dem Ex-Weltmeister gleich drei Stents. „Damit kann man mindestens 90 werden“, sagt die Frohnatur, die ihren Humor auch nach dem Eingriff am Herzen nicht verloren hat.
Garniert mit einem lachenden Smiley schrieb er nach der OP folgende Nachricht an SPORT1: „Ich bin jetzt ein ‚Stent-Man‘ und nicht ‚Stunt-Man‘“.
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