Einst war er ein Wunderläufer, über den die Sport-Welt staunte - umso härter war danach sein tiefer Fall.
Das Leichtathletik-Wunder verblüffte die Welt - dann fiel er tief
Ein tief gefallener Mythos
Henry Rono schrieb im Jahr 1978 Leichtathletik-Geschichte: Der kenianische Läufer stellte sagenhafte vier Weltrekorde in vier verschiedenen Disziplinen auf (3000 Meter, 3000 m Hindernis, 5000 Meter, 10.000 Meter) - innerhalb von drei Monaten.
Der damals 26 Jahre alte Rono galt als kommender internationaler Superstar der Leichtathletik, hatte einen für damalige Verhältnisse hoch dotierten Vertrag mit Nike.
Doch große persönliche Probleme verhinderten, dass der heute vor einem Jahr verstorbene Rono den Erwartungen gerecht wurde.
Henry Ronos Karriere blieb unvollendet
Ronos Karriere blieb auch aus politischen Gründen unvollendet: Er nahm nie an Olympia teil, weil Kenia zu seinen aktiven Zeiten zweimal fernblieb.
1976 in Montreal protestierte das Land dagegen, dass das IOC einen neuseeländischen Bruch des Boykotts gegen den südafrikanischen Apartheid-Staat nicht sanktionierte. 1980 in Moskau ging es um den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan - unter anderem hatte Box-Ikone Muhammad Ali in Kenia aktiv dafür geworben, sich dem Boykott westlicher Länder anzuschließen. 1984 war Rono nicht mehr der, der er einmal war.
Wegen psychischer Schwierigkeiten - an denen der Frust über die verpassten Spiele nicht unschuldig waren - musste Rono seine Karriere zeitweise unterbrechen, nach einem letzten Weltrekord über 5000 Meter 1981 wechselte er zum Marathon, wo er nicht dasselbe Niveau wie auf der Langstrecke erreichte.
Alkoholprobleme, Geldnot und Bank-Betrug
Rono - der als Kind wegen eines Fahrradunfalls lange nicht laufen hatte können - hatte viele Jahre lang mit Alkoholproblemen und Geldnot zu kämpfen. Auch mit dem Gesetz kam er mehrfach in Konflikt: 1986 wurde er in seiner Wahlheimat USA verhaftet, weil er diverse Banken um Geld betrog - er eröffnete zum Schein Konten, verlangte dann unter falschen Vorwänden einen höheren Betrag zurück und lief damit weg.
„Er ist ein guter Mensch, aber er hat leider Probleme“, verteidigte ihn sein damaliger Coach John Dehart.
Rono lebte vagabundierend in verschiedenen US-Städten und zeitweise in Obdachlosenunterkünften, hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, hatte an die 40 Kilo Übergewicht.
„Ich habe meine Würde wiedergefunden“
Ende der Neunziger wurde Rono trocken, baute sich auf dem zweiten Bildungsweg ein neues Leben in geordneteren Bahnen auf.
„Ich bin seit sieben Jahren nüchtern. Ich glaube, ich habe meinen Platz in der Gesellschaft und meine Würde wiedergefunden“, sagte Rono 2008, als ihn der Weltverband IAAF bei einer Gala ehrte.
In seinen letzten Lebensjahren war er aber wieder von gesundheitlichen Rückschlägen und Geldsorgen geplagt. Rono - der in den USA zuletzt an als Hilfskraft an einem Flughafen gearbeitet hatte - wanderte 2021 wieder nach Kenia aus.
Rono starb am 15. Februar 2024 kurz nach seinem 72. Geburtstag in einem Krankenhaus in Nairobi.