Sportmix>

In 495 Marathons durch Deutschland: Joyce Hübner erklärt ihre irre Herausforderung

Sie läuft 495 Marathons am Stück

Über 495 Tage ist die Extremläuferin Joyce Hübner unterwegs durch jegliche Städte Deutschlands - und das in Marathons. Warum sie sich dieser Herausforderung stellt und was sie innerhalb dieser Zeit alles erlebt, verrät sie im exklusiven Interview mit SPORT1.
Joyce Hübner durchläuft alle Städte Deutschlands
Joyce Hübner durchläuft alle Städte Deutschlands
© Privat
Über 495 Tage ist die Extremläuferin Joyce Hübner unterwegs durch jegliche Städte Deutschlands - und das in Marathons. Warum sie sich dieser Herausforderung stellt und was sie innerhalb dieser Zeit alles erlebt, verrät sie im exklusiven Interview mit SPORT1.

21.312 Kilometer, 2059 Städte, 495 Marathons. Das ist die unglaubliche Realität, die Extremläuferin Joyce Hübner für knapp eineinhalb Jahre durchlebt. Sie absolviert jeden Tag einen Marathon - bis sie alle Städte Deutschlands abgelaufen hat.

Vor knapp zehn Jahren nahm sie zum ersten Mal am Berliner Halbmarathon teil. Als sie bemerkte, dass sie in ihrem normalen Job nicht länger voll zufrieden war, entbrannte in ihr die Sehnsucht nach einer neuen Herausforderung. Diese fand sie in ihrem ersten Projekt - der Deutschland-Umrundung. Seitdem gibt die 37-Jährige in den sozialen Medien tagtäglich Einblicke in ihr Leben. Ihr aktuelles Projekt? Joyce Städtetrip - Kopf aus, Beine an.

Bei ihrem aktuellen Projekt ist sie dabei, jede deutsche Stadt in Marathons abzulaufen. Täglich begleiten sie dutzende Personen auf ihrem Weg, viele absolvieren dabei sogar ihren ersten Halb-Marathon oder ersten Marathon.

Wie sie auf den Extremsport kam und wie ihr typischer Tagesablauf aussieht, verriet die Extremläuferin im exklusiven Interview mit SPORT1. Zudem spricht sie über ihre besten und schlimmsten Momente unterwegs und wo es nach dem Zieleinlauf in Berlin hingehen könnte.

Joyce Hübner: Von 18 Marathons zu über 200

SPORT1: Frau Hübner, wann ging bei Ihnen der Laufsport in die Extreme?

Joyce Hübner: Das liegt im Auge des Betrachters. Rückblickend würde ich sagen, im Jahr 2023, da bin ich schon mal die deutsche Grenze abgelaufen. Bis dahin habe ich noch nicht so viel Vergleichbares gemacht. Davor bin ich 18 Marathons gelaufen, dann kam ich auf die glorreiche Idee: Dann laufe ich mal 120. Das klingt erstmal ein bisschen komisch – war es natürlich auch. Ich dachte mir, wenn ich das ganz entspannt mache und in meinem Tempo laufe, dann wird das schon klappen.

SPORT1: Wie kam es dann zu der Idee?

Hübner: Damals habe ich mich anstecken lassen von anderen Extremsportlern, die ich über Social Media beobachtet habe. Ich fand sehr cool, was die alles sehen und erleben. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich schon längst dazu entschieden, im Job keine Karriere mehr anzusteuern, deswegen habe ich meine Energie woanders „verschwendet“, sag‘ ich mal (lacht). Mein Freund meinte dann: Lauf doch mal um Deutschland herum, das hat noch keiner gemacht. Er hatte aber nicht damit gerechnet, dass ich die Idee so gut finde. Während des Projekts habe ich eigentlich schon darüber nachgedacht, was ich dann als Nächstes mache. Letztes Jahr kam dann wieder mein Freund auf die Idee der Städte-Tour.

SPORT1: Wann kam der Übergang zur Vollzeit-Social-Media-Läuferin?

Hübner: Nach der Deutschland-Umrundung. Ich habe während dieser Zeit ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub genommen und bin danach direkt wieder zurück in den Job gegangen – was auch sehr gut war, weil die Kassen leer waren (lacht). Nach drei Monaten habe ich aber gemerkt, dass das gar nichts mehr für mich ist. Es war total erfüllend für mich, jeden Tag diese Freiheit und Natur zu genießen und mit Menschen zusammen zu sein, die einem etwas Gutes wollen. Vor allem, weil ich sehr viele Menschen dazu bewegt habe, ihren ersten Marathon oder ihre ersten fünf Kilometer zu laufen. Wir haben jeden Tag etwas zu feiern gehabt. Da habe ich dann gesagt: Ich setze jetzt alles auf eine Karte, ich kündige meinen Job und konzentriere mich vollständig auf Social Media.

Hübner läuft auf „Bildungsreise“ durch Deutschland

SPORT1: Wie sieht dann so ein typischer Tagesablauf auf der Tour aus?

Hübner: Eigentlich ist der ziemlich langweilig, weil jeder Tag der gleiche Prozess ist – mittlerweile ist auch jeder Handgriff einstudiert. Nach dem Marathon setzt mich mein Freund in der Ferienwohnung ab und macht organisatorische Sachen wie Einkaufen oder zur Post fahren, weil unsere Wäsche beispielsweise mit der Post kommt. Dadurch, dass wir jede Nacht woanders sind, können wir nirgends selbst waschen. Das heißt, wir schicken unsere Wäsche zu einem Freund und der schickt uns diese dann wieder gewaschen zurück. Es ist viel Organisation, die im Hintergrund läuft. Nachmittags lade ich meinen Content in den sozialen Medien hoch und buche auch gleichzeitig sieben bis 14 Tage im Voraus die Hotels. Dazu kommt Buchhaltung und alles Nervige, was andere sonst am Wochenende machen - das mache ich dann peu à peu Tag für Tag.

SPORT1: Wie behalten Sie die Motivation?

Hübner: Ich habe jeden Tag knapp 43 Kilometer in einer komplett fremden Umgebung. Ich weiß nie, was kommt, weil ich an sehr vielen Orten noch nicht gewesen bin. Das ist mein Ausgleich für den restlichen Tagesablauf. Ich habe ungefähr sechs Stunden am Tag, in denen ich in der freien Natur unterwegs bin und laufbegeisterte Menschen um mich herum habe. Ich lerne viel über die Umgebung – eine richtige Bildungsreise.

Hübner: Liebe es jeden Tag von fremden Menschen etwas zu lernen

SPORT1: Gibt es härtere Strecken?

Hübner: Immer mal wieder. Ich liebe das total, wenn jeden Tag wildfremde Menschen dastehen und ich nicht weiß, was ich von denen lernen werde. Aber es ist ein Punkt, der auch gewissermaßen anstrengend ist, weil du jeden Morgen von vorne anfängst mit dem Kennenlernen. Ich hatte einen Tag, da hatten wir gefühlte 42 Grad und ich war den größten Teil der Strecke allein – was auch ganz gut war, weil sonst hätte ich alle vollheulen müssen, wie anstrengend das ist (lacht).

SPORT1: Kommt es dann auch zu Abbruch-Gedanken?

Hübner: Tatsächlich nicht. Ich habe mich viele Monate davor seelisch und moralisch darauf vorbereitet und will das jetzt machen, komme was wolle. Ich bin komplett gesund, also sind auch ganz schlimme Sachen noch nicht passiert. Aber ich bin darauf eingestellt und ich ziehe das einfach durch. Ich sehe mich jetzt schon gedanklich im Ziel und das ist der Grund, warum ich jeden Tag weitermache.

SPORT1: Gibt es ein Tour-Highlight bisher?

Hübner: Das ist schwer zu sagen. Es gibt unterschiedliche Erlebnisse, die man nicht miteinander vergleichen kann. Manchmal sind die Menschen das Highlight, manchmal ist es die Region. Manchmal sind es ganz schlimme Wege, die schon lange zugewachsen sind und man über Zäune klettern muss oder eine Kuh hinter uns herläuft. Es gibt immer wieder Situationen, die skurril sind und am Ende denkst du dir: Das war mega, das Highlight.

Routenplanung? „Einfach Google Maps“ angeschrieben

SPORT1: Wie sind Sie damals auf die Route gekommen?

Hübner: Wir haben uns eine Liste aller Städte vom Statistischen Bundesamt gezogen und sind damit zu jeglicher KI gegangen, um nach der cleversten Route zu fragen. Da ist aber leider alles abgebrochen. Mein Freund kam dann auf die Idee, dass wir einfach Google Maps anschreiben könnten. Wir hätten im Leben nicht mit einer Reaktion gerechnet, aber da kam relativ schnell eine Antwort und die wollten das für uns ausrechnen. Unser Wunsch war es, in Berlin den Zieleinlauf zu haben – der Start war egal. Nach ein paar Stunden hatten wir dann eine Liste, die ich dann aber noch feinjustiert habe – da habe ich dann, glaube ich, nochmal 50 Marathons gespart.

Wenn du hier klickst, siehst du Instagram-Inhalte und willigst ein, dass deine Daten zu den in der Datenschutzerklärung von Instagram dargestellten Zwecken verarbeitet werden. SPORT1 hat keinen Einfluss auf diese Datenverarbeitung. Du hast auch die Möglichkeit alle Social Widgets zu aktivieren. Hinweise zum Widerruf findest du hier.
IMMER AKZEPTIEREN
EINMAL AKZEPTIEREN

SPORT1: Inwiefern werden Sie von Ihrem Umfeld unterstützt?

Hübner: Mein Freund ist 24/7 dabei. Ich würde auch sagen, dass das unser Projekt ist. Ohne ihn würde es gar nicht funktionieren. Ich denke, der Rest meiner Familie ist stolz. Manche meiner Freunde können das nicht so ganz nachvollziehen. Aber die machen sich mittlerweile nicht mehr so viele Gedanken, weil sie wissen, dass bei mir sowieso nicht alles ganz normal ist (lacht).

SPORT1: Vermissen Sie auch mal einen normalen Alltag?

Hübner: Null. Klar, es ist mega anstrengend und es gibt auch viele schlechte Momente, aber ich würde das nie wieder tauschen gegen einen 08/15-Job. Wer weiß, wie lange das funktioniert - aber dann kann ich wenigstens sagen, dass ich bis dahin richtig was erlebt habe.

SPORT1: Wie organisieren Sie Weihnachten und Geburtstage?

Hübner: Ich glaube, ich habe das entspannteste Weihnachten von allen dieses Jahr. Ich muss keine Geschenke kaufen, ich muss mich nicht zerteilen und jetzt habe ich die perfekte Ausrede: Sorry, dieses Jahr habe ich keine Zeit! Ich glaube tatsächlich, dass ich an diesen Feiertagen sogar relativ viele Mitläufer haben werde, weil jeder wahrscheinlich froh ist, mal kurz rausgehen zu können. Geburtstage sind natürlich ein bisschen schade, auch wegen meiner Großeltern. Aber ich hoffe einfach, dass wir danach noch viele weitere Geburtstage feiern können.

SPORT1: Gibt es Sportler, zu denen Sie aufschauen?

Hübner: Das verschwimmt ein bisschen, weil ich selbst in ein Extrem reingerutscht bin. Deswegen fokussiere ich mich eigentlich am liebsten auf mich selbst. Ich sage auch jeden Tag, dass es nach diesem krassen Projekt mit Sicherheit weitere Projekte geben wird. Aber ich werde nie wieder das toppen können, was ich jetzt mache – es sei denn, ich habe eine Leidenschaft für eine weitere Sportart, das kann natürlich passieren (lacht).