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Die spektakuläre Flucht einer Olympia-Ikone: "Ich habe mich für die Freiheit entschieden"

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Die spektakuläre Flucht einer Olympia-Ikone: "Ich habe mich für die Freiheit entschieden"

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Die spektakuläre Flucht einer Ikone

Mit 14 wurde Nadia Comaneci bei Olympia über Nacht zum Superstar und Stolz ihrer Heimatnation. Vor 35 Jahren flüchtete sie vor ihrem beengten Leben in der untergehenden Diktatur.
Nadia Comaneci bei Olympia 1980 in Moskau
Nadia Comaneci bei Olympia 1980 in Moskau
© IMAGO/Sven Simon
Mit 14 wurde Nadia Comaneci bei Olympia über Nacht zum Superstar und Stolz ihrer Heimatnation. Vor 35 Jahren flüchtete sie vor ihrem beengten Leben in der untergehenden Diktatur.

Es gibt eine leise, aber besonders eindringliche Szene in „Die Turnerin und der Diktator“, einer TV-Doku über das bewegte Leben von Nadia Comaneci.

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„Es war …“, setzt darin die Zeitzeugin Anda Onesa Lieberman an, eine Schauspielerin aus Comanecis Heimat Rumänien - ehe sie unterbrechen muss, weil sie von Tränen überwältigt wird bei der Erinnerung an den legendärsten Olympia-Moment ihrer berühmten Landsfrau. „Mein Gott“, führt sie dann im zweiten Anlauf aus: „Für dieses Land, das nicht viel Gelegenheit hatte sich zu freuen, war es ein wirklich unvergesslicher Augenblick.“

Es war der 18. Juli 1976, als die damals 14 Jahre alte Teenagerin bei den Spielen in Montreal über Nacht zu dem wurde, was heute Simone Biles ist: eine Ikone des Turnens, ein gefeierter Star, der mit ihrer Kunst die Welt verblüffte und berührte - und der umjubelte Stolz ihrer Heimatnation.

Comaneci vollführte damals eine bis heute in ihrer Mischung aus athletischer Explosivität und ästhetischer Perfektion atemberaubende Übung am Stufenbarren, die ihr die erste „Perfect 10″ in der Geschichte des Turnens einbrachte, die bestmögliche Note des Kampfgerichts.

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Es war der Urknall einer ruhmreichen Karriere, in deren Schatten sich allerdings auch ein verborgenes Drama abspielte, das erst nach ihrer spektakulären Flucht in die USA heute Nacht vor 35 Jahren wirklich nachvollziehbar wurde.

Nadia Comaneci schrieb mit „Perfect 10″ Geschichte

Comaneci wurde am 12. November 1961 in Onesti geboren, einer Kleinstadt in den Ostkarpaten. Mit sechs Jahren wurde sie bei einer Schulsichtung von Bela und Marta Karolyi entdeckt, dem mit ihr berühmt gewordenen Trainerguru-Paar ungarischer Abstimmung, das mit zentralisierter Frühförderung und militärischem Drill den Erfolg des rumänischen Turnens begründete.

Die junge Nadia tat sich in der Karolyi-Schule durch ihre besondere Begabung, aber auch durch besondere Leistungsbereitschaft hervor. „Wenn ich gesagt habe ‚Zehn Liegestütze!‘, hat sie zwanzig gemacht. Sie wollte immer mehr“, sagte später der kürzlich verstorbene Karolyi - dessen knallharte Methoden heute hochumstritten sind, von Comaneci aber immer verteidigt wurden.

Die besondere Klasse, die Comaneci erreichte, zeigte sich schon mit 13 Jahren, als sie bei der EM 1975 im norwegischen Skien vier Goldmedaillen holte. In Montreal folgte vor den staunenden Augen der Weltöffentlichkeit der große Auftritt am Stufenbarren, der damals auch die Technik überforderte: Die Anzeigetafel vor Ort zeigte eine 1,0, weil sie für die 10 nicht programmiert war.

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Es war nur der Auftakt einer historischen Galaserie: Die Teenie-Sensation mit dem meist tief ernsten Gesichtsausdruck errang in Montreal noch fünf weitere Bestnoten und insgesamt drei Goldmedaillen - neben der am Stufenbarren auch im Mehrkampf und am Schwebebalken, wo Comaneci die Zuschauer mit ihrer technisch-artistischen Fertigkeit ähnlich in den Bann zog.

Auf den großen Moment folgte zunächst ein tiefer Fall

Comaneci reiste als umjubelte Nationalheldin zurück in die Heimat, wo sie von ihrem neuen Weltruhm allerdings nur bedingt etwas hatte. Der als besonders eisern bekannte kommunistische Diktator Nicolae Ceausescu schmückte sich zwar gern mit seiner Volksheldin - ihr Alltagsleben in dem von wirtschaftlicher Not geplagten Land soll jedoch kaum privilegierter gewesen sein als das ihrer Zeitgenossen.

Die Jahre nach Comanecis Triumphzug von Montreal verliefen turbulent: Ihre Leistungen litten unter internen Querelen mit der zwischenzeitlichen Ausbootung ihres Mentors Karolyi, der Scheidung ihrer Eltern, den körperlichen Veränderungen der Pubertät und dem zunehmenden Bewusstsein für ihre Unfreiheit als Leistungssportlerin in einem autoritären System. Die kriselnde Karriere Comanecis schien 1978 schon mit 16 beendet, es gab auch Berichte über einen Suizidversuch.

Zwei Jahre später, bei Olympia 1980 in Moskau, war für ihre weltweite Fangemeinde nichts mehr davon zu spüren: Das zur jungen Frau gewordene Wunderkind brillierte erneut, schaffte zwei weitere 10,0-Wertungen und Gold am Stufenbarren und am Boden. Die zweite große Olympia-Show legte aber auch die Saat für weiteres persönliches Ungemach.

Toxisches Verhältnis zum Ceausescu-Clan

Nach den Spielen von Moskau geriet Comanecis Mentor Karolyi ins Visier der Staatsmacht, weil er ihr mit offener Kritik am kommunistischen Mutterland UdSSR Staub aufwirbelte - Karolyi vermutete eine absichtliche Benachteiligung Comanecis zu Gunsten der sowjetischen Konkurrentinnen.

Aus Furcht vor sich andeutenden Repressionen setzte sich Karolyi bei einer Promotion-Tour 1981 in die USA ab. Die Überwachung Comanecis durch den Inlandsgeheimdienst Securitate wurde danach noch rigoroser.

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Comaneci lebte hinter dem Eisernen Vorhang in einem rostigen goldenen Käfig, in einem - wie man heute sagen würde - toxischen Verhältnis zu dem Ceausescu-Clan: Diktator Nicole und seine nicht minder berüchtigte Frau Elena beuteten sie propagandistisch aus und hielten sie vordergründig in Ehren, insgeheim sollen sie sie um ihre Popularität aber beneidet haben.

Der extrovertierte Sohn Nicu Ceausescu hatte zu Comaneci zeitweise eine Beziehung, die die einen als Affäre bezeichneten - andere als missbräuchliches Abhängigkeitsverhältnis, in dem Comaneci auch körperliche Gewalt angetan worden sein soll. Comaneci redete das viel diskutierte Thema immer klein, wenn sie nicht - wie meistens - ganz dazu schwieg.

Spektakuläre Flucht im Wendejahr 1989

Comanecis Entfremdung vom System Ceausescu schritt voran, als ihre aktive Karriere endete und ihr Wert als menschliches Vorzeigeobjekt damit sank, während ihr Leben weiterhin beengt war: „Ich hatte keinen Sonderstatus mehr. Ich hatte Reiseverbot, keine Liebesbeziehung und musste jeden Monat darum kämpfen, etwas zu essen“, schrieb sie in ihrer Autobiografie.

Als der Kommunismus 1989 durch die Revolutionen in Ungarn, Polen, der DDR und anderswo ins Wanken kam, Ceaucescu sich aber weiter gegen Reformen sperrte, entschloss sich auch Comaneci zur Flucht.

Nach einem stundenlangen Fußmarsch durch frostiges Land überquerte Comaneci am 27. November 1989 die Grenze nach Ungarn, flog von dort nach Wien und beantragte Asyl in der amerikanischen Botschaft.

„Ich habe mich für die Freiheit entschieden“, sagte Comaneci bei einem viel beachteten Auftritt vor US-Reportern am New Yorker Kennedy-Flughafen. Es war ein symbolischer Hieb für das Regime, das wenige Wochen später zerfiel nach einem Volksaufstand, der im Tyrannenmord an den Ceausescus gipfelte.

Neues Leben in den USA

Comaneci baute sich in den USA ein neues Leben als erfolgreiche Geschäftsfrau auf, fand privat ihr Glück mit Barren-Olympiasieger Bart Conner. 2006 wurde die für viele wohltätige Zwecke engagierte Comaneci noch Mutter eines Sohnes.

Eine Verbindung in die Gegenwart ist auch die Rolle, die ihr Coach Karolyi nach seiner Flucht beim Aufstieg des US-Turnens spielte - wobei er im Zuge des Missbrauchskandals um Teamarzt Larry Nassar in Misskredit geriet.

Karolyi wurde vorgeworfen, das System Nassar - von dem auch Biles betroffen war - durch sein scharfes Trainingsregime indirekt begünstigt zu haben. Ein Teil der Missbrauchsfälle soll sich sogar auf seiner Ranch abgespielt haben. Der US-Verband distanzierte sich 2018 von Karolyi, kommentierte jüngst auch seinen Tod nur kühl.

Die heute 63 Jahre alte Comaneci ist derweil weiter eine weltweit bewunderte Persönlichkeit mit noch immer raumgreifender Präsenz: Bei den Spielen in Paris war sie Ehrengast und eine der Fackelträgerinnen bei der Eröffnungsfeier.