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Kristina Vogel über Sturz, Querschnittslähmung und Zukunft

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Kristina Vogel über Sturz, Querschnittslähmung und Zukunft

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So erlebte Vogel das Sturz-Drama

Nach einem Sturz ist Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel querschnittsgelähmt. In einem Interview gibt sie erschütternde Einblicke in die Zeit nach dem Unfall.
Kristina Vogel ist nach einem Sturz im Training querschnittsgelähmt
Kristina Vogel ist nach einem Sturz im Training querschnittsgelähmt
© Imago
Franziska Wendler
Franziska Wendler

"Ich bin beim Training, ich gehe in Führung, und dann ist alles schwarz, tiefschwarz. Meine nächste Erinnerung ist, wie ich auf der Bahn wieder wach werde."

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Es war der 26. Juni 2018, an dem sich das Leben von Bahnradfahrerin Kristina Vogel für immer veränderte. Mit 60 Kilometern pro Stunde kollidierte die 27-Jährige auf einer Betonbahn in Cottbus mit einem jungen Niederländer.

Er blieb nahezu unverletzt, sie wurde mit massiven Rückenverletzungen in eine Klinik geflogen. Jetzt ist sie querschnittsgelähmt und wird nie wieder gehen können. Im Interview mit dem Spiegel hat Vogel beeindruckend offen und ungeschönt über die Ereignisse und ihre jetzige Situation gesprochen.

Vogel hatte großes Glück

Sie ist die erfolgreichste deutsche Radsportlerin aller Zeiten. Elfmal wurde sie Weltmeister, zweimal Olympiasiegerin, 23 Mal Deutsche Meisterin. Über die 200 und 500 Meter hält sie beim fliegenden Start den Weltrekord.

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Aktuell findet das Leben von Kristina Vogel im Krankenhaus statt. Bis Ende des Jahres will sie wieder nach Hause zurückkehren. "Ich muss wieder alleine überlebensfähig sein, mich zum Beispiel alleine anziehen und in den Rolli setzen können", sagt die 27-Jährige.

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Dass sie daran überhaupt denken kann, ist nicht selbstverständlich. "Auf den ersten Röntgenbildern sieht meine Wirbelsäule aus wie ein Ikea-Klapptisch. Ich habe großes Glück, dass ich noch lebe und dass ich noch voll funktionsfähige Arme habe. Ich hätte auch gut halsabwärts gelähmt sein können."

Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 holte Kristina Vogel die Goldmedaille im Sprint
Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 holte Kristina Vogel die Goldmedaille im Sprint

"Da war mir sofort klar, das war's"

An den Tag des Unfalls hat Vogel schlimme Erinnerungen. Als die Sportlerin nach dem Zusammenprall wieder wach wurde, spürte sie einen unerträglichen Druck. "Als wenn mein ganzer Körper angeschwollen wäre. Mir war alles zu eng, vor allem die Rennschuhe", erinnert sich die 27-Jährige.

"Ich habe gesagt: Zieht mir die Schuhe aus, zieht mir einfach die Schuhe aus. Das hat dann einen Moment gedauert, wegen der speziellen Schnürung", berichtet Vogel.

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"Und dann sah ich jemanden mit meinen Schuhen weggehen. Aber ich habe nicht gemerkt, dass sie mir ausgezogen wurden. Da war mir sofort klar, das war's. Jetzt bin ich querschnittsgelähmt, das mit dem Laufen wird nichts mehr."

Kollege Levy große Stütze

Dieser Moment war es auch, der Vogel auf die am Ende niederschmetternde Diagnose vorbereitet hat. "Es war gut, dass ich das selber schon wahrgenommen hatte, gleich auf der Bahn, dadurch hat mich die Nachricht nicht völlig erschlagen."

An der Brutalität der Tatsachen ändert dies selbstverständlich nichts. "Es ist scheiße, das kann man nicht anders sagen. Es nervt. Egal wie man es verpackt, ich kann nicht mehr laufen. Und das lässt sich nicht mehr ändern", sagt die Sportlerin.

Wenige Augenblicke nach dem Unfall war es vor allem Kollege Max Levy, der Vogel den nötigen Halt gab. "Er hat meine Hand gehalten. Und ich erinnere mich, dass ich zu ihm gesagt habe: Lass mich hier ja nicht alleine. Bleib bei mir. Ich brauchte eine Hand, um mich festzuhalten."

Max Levy stand Kristina Vogel nach ihrem schweren Trainingsunfall bei
Max Levy stand Kristina Vogel nach ihrem schweren Trainingsunfall bei

Lähmung der Lunge drohte

Vor allem das Atmen fiel der Radsportlerin in diesen Momenten schwer. "Aber ich habe mir gesagt: Heul nicht, sei stark, entspann dich. Ich habe gebettelt, dass man mich sediert. Und dann wird es schwammig."

Im Berliner Unfallkrankenhaus wurde Vogel anschließend intensiv behandelt, wenn auch nicht frei von Komplikationen. "Die ersten zwei Wochen habe ich so hart gekämpft wie noch nie. Ums Überleben",  erinnert sich Vogel zurück.

Nach einer zweiten Operation litt die 27-Jährige an einer schweren Lungenentzündung und musste in ein künstliches Koma versetzt werden.

Vor allem die Gabe von Schmerzmitteln führte zu großen Problemen. "Sie durften mir auch nicht zu viel geben, weil das die Lunge gelähmt hätte. Ich dachte zwischendrin wirklich, dass ich sterbe."

Positiver Blick in die Zukunft

Am siebten Brustwirbel ist das Rückenmark der Sportlerin durchtrennt. Von der Brust abwärts kann Vogel ihren Körper nicht mehr fühlen. "Ich spüre meine Haut, aber es gibt keine Rückkoppelung. Meine Beine spüren die Berührung nicht. Das ist schwer zu beschreiben", erklärt Vogel.

Die Frage nach dem "Warum ich?", die stellt sich die 27-Jährige nicht. "Es gibt Fragen, die einen nicht weiterbringen, emotional nicht, im Kopf nicht, situationsmäßig nicht. Es ist jetzt, wie es ist."

Trotz ihrer Lähmung blickt Vogel positiv in die Zukunft. "Ich bin noch da und immer noch dieselbe verrückte Nudel. Ich möchte Motivation für andere sein. Das Leben geht weiter, in meinem Fall nun auf vier Rollen statt auf zwei Rädern. Meine Arme sind jetzt halt auch meine Beine", sagte Vogel.

Zuspruch und Aufmunterung bekam sie von vielen Kolleginnen und Kollege. Paralympics-Sportschützin Manuela Schmermund, die seit einem Verkehrsunfall ebenfalls im Rollstuhl sitzt, schrieb Vogel auf Twitter: "Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Sortiere dich neu. Vieles wird anders. Vieles Neues (auch Positives) wartet darauf, von dir entdeckt zu werden. So, wie ich dich kennengelernt habe, bin ich sicher, du wirst noch unendlich viele tolle Dinge erreichen."

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Vogel: "Zum ersten Mal frei"

Ob die 27-Jährige in den nächsten Jahren bei den Paralympics starten will, steht noch nicht fest. "Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder in den Leistungssport will und, wenn ja, in welche Disziplin. Diese Frage stellt sich mir aktuell nicht", erklärt Vogel und blickt trotz allem mutig in die Zukunft.

"Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich nichts, ich kann. Diese Situation möchte ich genießen. Im Grunde genommen bin ich zum ersten Mal frei."