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Der Tag, an dem Deutschland einen Jahrhundertsportler verlor

Ein deutscher Jahrhundertsportler

Heute vor sieben Jahren starb Hans Günter Winkler - der den deutschen Reitsport so sehr prägte wie keiner vor und nach ihm. Vor allem ein legendärer Ritt auf Wunderstute Halla ist unvergessen.
Hans Günter Winkler im Jahr 1964 mit Wunderstute Halla
Hans Günter Winkler im Jahr 1964 mit Wunderstute Halla
© IMAGO/Horstmüller
Heute vor sieben Jahren starb Hans Günter Winkler - der den deutschen Reitsport so sehr prägte wie keiner vor und nach ihm. Vor allem ein legendärer Ritt auf Wunderstute Halla ist unvergessen.

Mit Micky fing alles an. Das war 1934, Hans Günter Winkler war acht Jahre alt, und sein schwarz-weißes Pony biss ihn immer wieder aus dem Stall.

Damals hat „HGW“ die Grundlagen für das gelegt, was ihn viele Jahre später zu einer Legende seines Sports machte: „Ich habe meine Pferde immer mit Köpfchen überzeugt, sie waren meine Partner, nicht meine Diener.“

Heute vor sieben Jahren starb „HGW“, fünfmaliger Olympiasieger im Springreiten, ein Sport-Idol im Nachkriegsdeutschland - nach 91 bewegten Lebensjahren. Winkler hatte seine Sportart mehr geprägt als jeder andere vor und nach ihm.

Er konnte im Sattel alles

Geboren am 24. Juli 1926 im heutigen Wuppertaler Stadtteil Barmen, wurde Winkler als Sohn eines Reitlehrers groß. Der Vater fiel 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs, auch der junge Hans Günter war noch an der Front.

Winkler - der 1944 als 17-Jähriger in die NSDAP eintrat, wie nach seinem Tod herauskam - wurde als Flakhelfer in Thüringen eingesetzt, geriet in amerikanische Gefangenschaft, aus der er flüchtete.

Nach dem Krieg verdingte sich Winkler im Taunus als Stalljunge und gab Reitunterricht für die amerikanischen Besatzer - unter anderem für den späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, damals Militärgouverneur.

Das Reiten war seinerzeit noch mehr als heute eine elitäre Angelegenheit, aber Winkler hatte allen anderen etwas voraus. Er war mit Pferden groß geworden, und er konnte sie alle reiten: „Außerdem half mir meine gute Erziehung, meine Eltern hatten mich Respekt und hervorragende Manieren gelehrt“, erinnerte sich Winkler wenige Jahre vor seinem Tod.

Wunderstute Halla war sein Schicksal

Winklers Talente drangen bis zum Oberlandstallmeister Gustav Rau durch, der den 24-Jährigen 1950 zum Lehrgang des Deutschen Olympiade-Komitees nach Warendorf bestellte. Er hatte nichts, aber er konnte im Sattel alles, deshalb durfte er bleiben: „Ich wusste, wie man aus vier Beinen und einem bockigen Kopf einen Athleten macht.“

Und dann kam Halla. Geboren 1945, Mutter ein Wehrmachts-Beutepferd aus Frankreich, Vater ein deutscher Hengst mit dem Namen Oberst. Die Stute stand bei einem Bauern auf der Weide, allein unter Kühen, sie war phlegmatisch und galt als absolut unreitbar. Erfolglos getestet in der Dressur und in der Military, war ihre Karriere im Sport eigentlich schon beendet. „Spannt sie vor den Pflug, das kann sie vielleicht“, sagte der Bauer.

Der Rest ist Legende, deutsche und olympische Sportgeschichte.

Ein legendärer Gold-Ritt 1956

Alles kam an diesem 17. Juni 1956 zusammen, bei den Reiterspielen von Stockholm. Nationenpreis, erster Umlauf, bei der Landung nach dem letzten der 13 Hindernisse schreit Winkler auf, ein Muskel in der linken Leiste ist gerissen, die Schmerzen rauben ihm fast den Verstand.

Aber der zweite Umlauf steht an, es geht um Olympiagold für Deutschland, und deshalb ist es für Winkler keine Frage, ob er reitet. Er lässt sich in den Sattel heben, Medikamente und eine ganze Kanne Kaffee haben sein Bewusstsein vernebelt, doch Halla weiß, was zu tun ist. Unbeeindruckt trägt sie ihren Reiter über die Hindernisse, fehlerfrei, ohne Zögern.

„Als ich sie brauchte, war sie für mich da“, sagte Winkler: „Aber ich war auch immer für sie da.“ Halla wurde als „Wunderstute“ zur Legende, Winkler - der in Stockholm auch Mannschaftsgold holte - zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt. Zum zweiten Mal nach seinem zweiten WM-Titel 1955.

Private Tragödie 2011

Mit Halla holte Winkler auch 1960 in Rom den Olympiasieg mit der Mannschaft, 1964 in Tokio (auf Fidelitas) und auch 1972 in München (auf Torphy) folgten weitere Gold-Coups mit dem Team.

Winkler saß bis 1986 im Sattel, auch danach war das Reiten sein Leben: Er organisierte Turniere, förderte den Nachwuchs, setzte seinen Namen und sein Netzwerk in vielfältiger Weise für seinen Sport ein. Er schrieb auch viele Bücher, sprach sogar eine Schallplatte über den Umgang mit Pferden ein. Im Jahr 1975 erhielt Winkler das Bundesverdienstkreuz, 2006 war er eines der ersten Mitglieder der Hall of Fame des deutschen Sports.

In Winklers Privatleben gab es manche Turbulenzen und eine späte Tragödie: 2011 kam seine vierte Ehefrau Debby Malloy mit nur 51 Jahren bei einem Reitunfall ums Leben.

„HGW“ starb am 9. Juli 2018 nach einem Herzinfarkt. Sein Vermächtnis wird im deutschen Reitsport noch lange nachwirken.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)