Schwimmen>

Mark Warnecke analysiert die Schwimm-EM

"Wir fangen ganz, ganz unten an"

Bei der Schwimm-Europameisterschaft in Berlin beginnen die Wettbewerbe im Becken. Ex-Weltmeister Mark Warnecke schätzt die Situation der Deutschen ein.
Mark Warnecke
Mark Warnecke
© Getty Images
Bei der Schwimm-Europameisterschaft in Berlin beginnen die Wettbewerbe im Becken. Ex-Weltmeister Mark Warnecke schätzt die Situation der Deutschen ein.

Liebe Schwimm-Freunde,

die Schwimm-EM in Berlin (tägl. im LIVE-TICKER) geht nach den tollen Leistungen der Freiwasserschwimmer - Isabell Härle als Europameister über 5km, das ist phänomenal - ins Becken.

Da gab es in den letzten Jahren viele Enttäuschungen. Der DSV gibt unter anderem deswegen eine eher vorsichtige Zielstellung von sechs bis acht Medaillen aus.

Das deutsche Schwimmen befindet sich im Umbruch und leistet gerade Aufbauarbeit. Deswegen ist die Erwartungshaltung nicht so wie in guten Jahren.

Ich hoffe trotzdem, dass viele Bestzeiten geschwommen werden und die teilweise ansprechenden Leistungen der deutschen Mannschaft bestätigt werden. Das wäre ein guter Anfang.

Nachdem es in den letzten Jahren auch zwischenmenschliche Probleme gab, wird diesmal der Teamgeist gelobt. Und das kann ich nur bestätigen.

Ich trainiere ja Dorothea Brandt und sie ist Aktivensprecherin. Die Mannschaft hat aber auf jeden Fall eine sehr gute Stimmung.

Einer der Stars dieser Mannschaft ist Paul Biedermann. Ich traue ihm alles zu. Im Trainingslager soll er noch ein wenig geschwächelt haben, was aber normal ist in der Vorbereitung. Jetzt ist er gut drauf und zuversichtlich.

Er ist sehr talentiert und ehrgeizig. Ich habe da ein gutes Gefühl.

Sein Aus im Vorlauf über 400m-Freistil war jetzt so nicht zu erwarten. Aber prinzipiell wird das mi ihm aber schon werden.

Um seine Form mache ich mir keine Sorgen. Es ist am ersten Tag auch recht früh, die Mannschaft zu bewerten. Da würde ich abwarten.

Aber nochmal: Die Stimmungslage im Team und der Zusammenhalt ist wirklich sehr, sehr gut. Das war definitiv mal anders.

Wir sind – das darf man nicht vergessen – bei einer Basis-Arbeit. Das Ziel, bei Olympia 2016 konkurrenzfähig zu sein, ist auch sehr, sehr eng. Für Dorothea Brandt ist das wegen ihres Alters und ihres Fokusses der Höhepunkt – für die gesamte Mannschaft ist das aber eine Durchgangsstation.

Es muss noch einiges im Verband und in den Strukturen passieren. Wir fangen ganz, ganz unten an.

Kommen wir zum Aktuellen. Wer sind unsere Hoffnungsträger?

Ich als ihr Heimtrainer hoffe natürlich, dass Dorothea über ihre ungeliebte 50m-Brust-Strecke eine Medaille macht. Keiner weiß, warum sie das kann, aber sie kann es halt gut. Im Freistil müssen wir mal schauen. Da hat sie noch Startprobleme, im Wasser ist sie aber sehr schnell.

Marco Koch ist natürlich eine absolute Hausnummer. Er ist einer der Top-Brustschwimmer weltweit.

Mal schauen, was Hendrik Feldwehr noch bringt über die kurzen Bruststrecken.

Allgemein habe ich aber wenig Gefühl, was unsere Deutschen angeht.

Es ist wie bei der Fußball-Bundesliga und der Frage, ob der FC Bayern München Probleme mit Borussia Dortmund kriegt. Dann spekuliert man und wartet die ersten fünf Spiele ab. Dann kann man was sagen.

Ich warte ab. Nach den ersten zwei Tagen kriegt man Tendenzen aus der Mannschaft, wie alle drauf sind, wie die Stimmungslage ist. Und dann kann man sich schon ein Urteil fällen.

Im deutschen Schwimmen wird inzwischen viel für den Umbruch getan – aber noch nicht genug.

Die Richtung ist teilweise sehr, sehr gut und richtig. Die Konsequenz in vielen Sachen aber noch nicht. Da gilt es ja Meinungen und Strukturen zu modernisieren und internationalen Standard zu erreichen.

Weil da viele Menschen am Werk sind, braucht es da viel Überzeugungsarbeit.

Wir brauchen Geduld.

Bis zum nächsten Mal,

Euer Mark Warnecke