Auf eine Badekappe verzichtete Aleksandr Popov bei Wettkämpfen. Stattdessen reichte ihm eine knappe Hose und seine Brille, um eine ganze Sportart über Jahre nach Belieben zu dominieren. In seiner gewohnten Montur sorgte er am 18. Juni 1994 für ein Schwimm-Beben.
Er veränderte eine Sportart für immer
Sein Vermächtnis ist bis heute prägend
Bei einem Meeting in Monaco stellte der Russe über 100 Meter Freistil mit 48,21 Sekunden einen neuen Weltrekord in der Königsdisziplin auf und unterbot die zuvor sechs Jahre von Matt Biondi gehaltene Bestmarke um satte 21 Hundertstel.
Unumstritten war diese unglaubliche Leistung nicht. Denn neben ihm blieben auf beiden Seiten die Bahnen frei und somit hatte er leichteres Spiel.
Heute gehört Popov mit dieser Zeit in der ewigen Bestenliste nicht einmal mehr zu den 200 besten Athleten. Der aktuelle Weltrekord wurde bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris vom Chinesen Pan Zhanle auf 46,40 Sekunden verbessert. Und doch hat der Mann, der aufgrund seines ruhigen und würdevollen Verhaltens und seines einzigartig eleganten Stils im Becken den Spitznamen „Zar“ bekam, ein riesiges Vermächtnis und gilt für viele bis heute als der beste Schwimmer aller Zeiten.
Popovs Training bis heute das große Vorbild
Denn noch heute ahmen nahezu alle Amateure und Profis das Training des Superstars nach, der am 16. November 1971 in Swerdlowsk geboren wurde. Auch als wissenschaftliche Methode wurde sein Vorgehen festgehalten.
Denn Popov und sein 2020 verstorbener Coach Gennadi Touretski erfanden das Training in ihrer Sportart quasi neu und verließen zur Optimierung auch ihre Heimat. 1993 ging das Duo für zehn Jahre nach Canberra in Australien und war am Australian Institute of Sport tätig. In der Welt verriet Popov 2005 seine Methoden und offenbarte, dass er außerhalb von Wettkämpfen kaum schnell schwamm.
„Ich musste beim Training extra langsam schwimmen. Über sehr lange Strecken. Und dann genau auf meine Bewegungen und meine Atmung achten, bis ich das irgendwann verinnerlicht hatte“, so Popov. Trainer Touretski zog zudem physikalische und mathematische Gesetze hinzu. Und so entstand ein eleganter Schwimmstil, der bis heute unerreicht ist. Bei den Kommentatoren und Experten wurde deshalb ein Ausspruch immer wieder genutzt: „Der schwimmt wie in Milch.“
Trotz seiner Dominanz soll Popov, der ein Studium an der Sportakademie von Wolgograd 1994 abschloss, laut Untersuchungen sogar bis zu 25 Prozent weniger Kraft als seine Konkurrenten eingesetzt haben.
Popov hatte als Kind Angst vor Wasser
Zum Wasser hatte der Russe ohnehin immer eine ganz besondere Beziehung. Denn als kleiner Junge hatte er panische Angst vor der Flüssigkeit. Doch sein Vater zwang Popov an einem schicksalhaften Tag im Jahr 1979 dazu, schwimmen zu lernen. Mit acht Jahren ging der spätere Superstar also in das örtliche Becken, lernte das Schwimmen und ließ das kühle Nass nie wieder aus seinem Herzen heraus.
„Stellen Sie sich immer vor, an der Wasseroberfläche sei ein dünner Faden gespannt. Bei jedem Zug fassen Sie diesen Faden und ziehen ihn zu sich hin. Und zwar so geschmeidig, dass er nicht kaputtgeht. Schwimmen ist eine Sache der Geschmeidigkeit, nicht der Stärke. Verkrampfen Sie nicht und genießen Sie, wie das Wasser ihren Körper auffängt“, beschrieb Popov der Welt.
Am Ende seiner Karriere, die er 2004 nach den Olympischen Spielen in Athen beendete, hatte er eine riesige Trophäensammlung angehäuft. Er holte unter anderem 30 Goldmedaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften.
Höhepunkt seines Schaffens: Dem Zwei-Meter-Hünen gelang der historische Olympia-Doppelsieg in Barcelona und Atlanta über 50 Meter und 100 Meter Freistil. Seit Johnny Weissmuller, der in den Filmen Tarzan spielte, hatte dies seit den 1920er Jahren niemand geschafft. Übrigens blieb Popov zwischen Barcelona und Atlanta in allen Wettkämpfen unbesiegt.
Popov überstand Messer-Attacke
Nach Siegen bedankte er sich oft trotz spielerischer Überlegenheit bei seinen Gegnern für „den tollen Wettkampf“. Das wurde ihm als Arroganz angehängt.
Kurios: Noch 1990 - und somit vor seinem ersten EM-Gold im Freistil - war Popov als Rückenexperte bekannt. Doch dann kam er zu Coach Touretski und zur neuen Technik, die auch am 18. Juni 1994 in Monaco zu einem heroischen Rennen führte.
Der dreifache Familienvater Popov, während seiner Karriere bereits in mehreren IOC-Kommissionen aktiv, hat übrigens seinen größten Sieg dennoch außerhalb des Beckens errungen. Im Spätsommer 1996 wurde der Star in Moskau in den Bauch gestochen und musste notoperiert werden.
Der Modellathlet hatte versucht, einen Streit zwischen seinem Freund und einem Wassermelonenverkäufer zu klären. Der Straßenhändler stach dann zu. Das Messer durchbohrte eine Arterie, streifte eine Niere und beschädigte zudem das Rippenfell.
Doch dieser Vorfall macht die Geschichte von Popov noch legendärer. Denn nach dreimonatiger Pause kehrte er zurück und holte noch viele internationale Titel.