Der beste deutsche Tennisspieler der Gegenwart und der erfolgreichste der Historie: Das ist eine zunehmend unschöne Geschichte.
Zverev offenbart in seinem Streit mit Becker ein seltsames Verständnis der Lage | Kommentar
Zverevs seltsame Deutung
Alexander Zverev ist nach seinem frühen Aus bei den ATP Finals und einer allgemein enttäuschenden Saison merklich genervt von den kritischen Kommentaren Boris Beckers und hat auf diese „keine Lust mehr“. Boris Becker wiederum sieht sich missverstanden: Er kritisiere Zverev nicht, „weil ich das böse meine, sondern weil ich auch Ahnung von diesem Sport habe“ - und sei eigentlich „der größte Fan“ der deutschen Nummer 1. Muss Zverev das nur besser verstehen?
Zverevs Deutung von Beckers Motivation ist abwegig
Sicher ist: Zverev offenbart ein seltsames Verständnis der Lage, wenn er Becker - wie vor einigen Wochen erklärt - unterstellt, „dass er so ein bisschen nach Aufmerksamkeit sucht und die bekommt er über mich“.
Unter allen Tennis-Experten in Deutschland ist Becker genau derjenige, der am wenigsten darauf angewiesen wäre, sich auf Zverevs Kosten zu profilieren.
Becker ist der prominenteste Experte der Tennis-Nation, mit dem sich alle Branchenmedien gern schmücken. Würde er kritische Einschätzungen zu Zverev unterlassen oder allzu sehr glätten, um bei Zverev nicht anzuecken: Er käme dem Job nicht nach, für den er bezahlt wird.
Womöglich kommt Becker als übergriffig herüber
Die andere Seite der Wahrheit ist: Auch Zverev hat das Recht, nicht jede Expertenkritik zu akzeptieren.
Gerade Fernanalysen zum psychisch-mentalen Bereich sind - speziell bei Zverev - hochsensibles Territorium. Und so oft Becker betont, dass er es nur gut mit Zverev meint: Es ist nicht auszuschließen, dass gerade das ein Teil des Problems ist. Dass er mit seinen wiederholten Versicherungen, nur das Beste für Zverev zu wollen, das Gegenteil des gewünschten Effekts erreicht und ungewollt als übergriffig herüberkommt. Die Redensart, dass auch Ratschläge Schläge sind, kommt nicht von ungefähr: Zverev möchte sich womöglich nicht gern ungefragt bemuttert fühlen.
So oder so: Es hat eine gewisse Tragik mitanzusehen, wie die Kommunikation misslingt zwischen einem herausragenden Sportler, der seit Jahren vergeblich versucht, die allerletzten Prozentpunkte aus sich herauszukitzeln, und einem profilierten Experten, der vor einigen Jahren von einem gewissen Novak Djokovic genau dafür engagiert wurde – mit Erfolg, bekanntermaßen.