Als die österreichischen Skispringer geschlagen waren, versuchte ein rot-weiß-roter Fan sein Glück und wollte die Siegesfeier von "Piefke" Richard Freitag in Innsbruck stören.
Traumflug durch die Gewitterwolken
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Er bestieg mit nacktem Oberkörper den Aufsprunghügel am Bergisel, eine österreichische Fahne in der Hand.
Doch schnell hatte sich eine Phalanx von Sicherheitskräften vor dem Siegespodest postiert und fing den Flitzer ab.
"Verdammt geil!"
Nichts und niemand konnte ihn aufhalten und so bescherte er den deutschen Skisprung-Fans den ersten Tagessieg bei einer Vierschanzentournee seit 13 Jahren und trat damit in die Fußstapfen von Sven Hannawald.
Freitag selbst tat sich schwer, diesen historischen Erfolg in Worte zu fassen: "Das war heute so was von verdammt geil!", schrie er einfach nur ins Stadionmikro. Dabei hatte sich Freitags Erfolg schon am Vortag angekündigt. Mit Platz drei in der Qualifikation setzte der Erzgebirgler die erste Duftmarke. Am Sonntag legte er dann mit zwei blitzsauberen Sprüngen noch eine Schippe drauf.
"Ich war vom Kopf her frei, im Training lief es gut. So habe ich gemerkt, es kann hier was gehen. Und dann kommt man in einen Flow rein", schilderte er, was sich in seinem Inneren vor dem großen Erfolg abgespielt hat.
Hexenkessel beflügelt Freitag
Freitag wirkte diesmal wie verwandelt, als hätte das Überschreiten der Landesgrenze bei ihm eine Verkrampfung gelöst (SERVICE: Alles, was Sie zur Vierschanzentournee wissen müssen).
Schienen ihn die Zuschauermassen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen noch gehemmt zu haben, versetzten ihm die 22.500 ekstatischen Fans in Innsbruck eine regelrechte Schubwirkung. "Ein geniales Gefühl im Hexenkessel", schilderte er.
Ungewohnt starke Gefühlsregungen bescherte er mit dem Sieg auch seinem Coach Werner Schuster.
"Ich bin natürlich sehr froh und echt ein bisschen gerührt", erzählte der Bundestrainer von seinen Emotionen.
Schuster lobt das Team
Schuster lobte aber nicht nur Freitag, sondern die ganze Mannschaft, die sich erstmals bei dieser Tournee mit fünf Plätzen unter den ersten 20 geschlossen gut präsentiert.
Zuvor war die Vierschanzentournee aus deutscher Sicht ziemlich enttäuschend verlaufen. In Oberstdorf kam kein Springer in die Top 10, in Garmisch-Partenkirchen reichte es auch nur für die Plätze neun und zehn von Freitag und Severin Freund.
"Wir können stolz sein auf das Team. Sie haben immer die Ruhe bewahrt und an ihre Qualität geglaubt", meinte Schuster deshalb diesmal und zog umso mehr den Hut vor seinen Schützlingen.
Mediengewitter nach Debakel
Nach dem Debakel in Oberstdorf hatte sich das aus seinem Mund noch ganz anders angehört.
Mit harschen Worten in Richtung seiner schwachen Vorflieger sorgte er für ein erstes Donnergrollen, dem prompt ein mediales Gewitter folgte.
Der deutsche Boulevard taufte die DSV-Adler gar kurzerhand zu Schneehühnern um.
"So den Turnaround zu schaffen, das ist brutal schwer. Es war eine unglaublich schwierige Aufgabe, mit dem Gewitter umzugehen", sagte Schuster nun. Freitag kam aber selbst mit dem großen Druck im österreichischen Hexenkessel bestens zurecht, der den Gesamtführenden Stefan Kraft zum Schanzenrekord von 137,5 Meter trug.
Traumnote für Traumflug
Für ihn ist all das mittlerweile vergeben und vergessen. "Wir waren genauso enttäuscht, und in so einem Moment muss man auch ehrlich zu sich selbst sein. Solche Situationen muss man analysieren und mit Kritik umgehen."
Er zog jedenfalls die richtigen Schlüsse und steigerte sich im Laufe der Tournee von Sprung zu Sprung ehe er mit seinem Flug auf 132 Meter im Zweiten Durchgang von Innsbruck eine Bilderbuchvorstellung ablieferte.
Da er auch noch den Telemark setzte, wurde er zurecht mit der Traumnote 20,0 belohnt. Mit vier Weltcupsiegen in seiner noch jungen Karriere hatte Freitag seine Talent bereits mehrfach nachgewiesen.
Deshalb war sein historischer Sieg vor dem abschließenden Springen in Bischofshofen (im LIVE-TICKER) für Schuster weder ein Wunder noch eine Sensation.
"Es ist niemand mit dem Zauberstab gekommen", brachte er es auf den Punkt.