Vor ihrer Heimreise aus Tschechien mussten die deutschen Biathleten noch die Autoscheiben kratzen - und es muss sich angefühlt haben wie blanker Hohn.
Letztes WM-Erlebnis als blanker Hohn
Ausgerechnet in der Nacht nach der Frühlings-WM setzte in Nove Mesto winterlicher Frost ein. Nachdem warme Temperaturen und nasser, weicher Schnee Benedikt Doll und Co. zwei Wochen lang den letzten Nerv geraubt hatten, war dieser Witterungsumschwung, der nichts mehr nutzte, wie eine sarkastische Schlusspointe des Wettergotts.
Das deutsche Skimaterial war schlecht eingestellt auf die Bedingungen, es war aus Sicht des DSV das große Thema der WM. Und nach dem folgenschweren Fiasko gibt es nun einiges aufzuarbeiten.
Biathlon-WM: Warmes Wetter war Deutschlands Fluch
„Wir müssen in der Lage sein, von Anfang an ein besseres Setup zur Verfügung zu haben und auf sowas schneller zu reagieren“, forderte Sportdirektor Felix Bitterling. An neun Wettkampftagen in der Vysocina Arena war kein Aufwärtstrend erkennbar - und angesichts des fortschreitenden Klimawandels sind die Zukunftsaussichten düster, wenn sich der Trend verfestigt.
„Das hier wird eher das neue Normal als die Ausnahme“, führte der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV) aus: „Wir werden in der Zukunft noch sehr viele von diesen Wettbewerben sehen.“
Mit Blick auf kommende Großereignisse müssen Lösungen her, die Sportler wurden bei der WM im Stich gelassen. „Es hat sich angefühlt wie im Flugzeug. Die vorne Business Class und wir zweite Klasse“, sagte Vanessa Voigt. In der Tat fehlten zur Skiqualität der Franzosen und Norweger Welten. Im Endspurt rollten dann sogar mit begrenzten Mitteln antretende Esten und Finnen schier spielerisch vorbei. „Wir müssen in diesem Thema ‚nass‘ besser werden“, sagte Bitterling.
Der 46-Jährige wies zwar auch darauf hin, dass das Material-Thema nicht die einzige Ursache für die schwache deutsche Bilanz war - speziell bei den Männern vermisste er auch die richtige Antwort beim Umgang mit dem Problem. Trotzdem: Bei der nachträglichen Analyse der WM wird die Technikabteilung im Fokus stehen.
Viele Techniker, wenig Ertrag
Es gelte, die Emotionen abkühlen zu lassen und dann mit den Spezialisten innerhalb des Verbandes „überdisziplinär“ und „in aller Ruhe“ Lösungen zu erarbeiten, sagt Bitterling.
In Nove Mesto war der DSV trotz neun Technikern um Chef Sebastian Hopf, zwei Wachstrucks und Schleifmachine abgehängt - kaum nachvollziehbar bei diesen Möglichkeiten. „Die Techniker haben alles probiert, was in diesem Wachstruck war, jeden Tag zehn, zwölf, vierzehn Stunden geackert - von Strukturen, von Schliffen, von Wachs“, erklärte Bitterling schützend.
Auf der wissenschaftlichen Suche nach einer „Rakete“ unter den Füßen gibt es Tausende Kombinationen - und jede Nation arbeitet seit dem Fluorverbot mehr denn je zusätzlich an eigenen Wundermitteln. Bei kalten und harten Bedingungen ist Deutschland Weltspitze, doch der langfristige Klimatrend geht zum weichen Schneematsch von Nove Mesto. „Da waren wir für die Medaillen nicht konkurrenzfähig“, sagte Johannes Kühn: „Wir können nur hoffen, dass es besser wird, weil so gewinnen wir nix.“
DSV-Medaillen von Glück begünstigt
Podestplätze gab es bezeichnenderweise nach den beiden einzigen WM-Nächten mit Frost (Doll und Hettich-Walz) sowie nach einem windbeeinflussten Fehlerfestival (Frauen-Staffel).
Laufrückstände von Minuten waren inmitten einer Saison des leistungsmäßigen Aufschwungs an der Tagesordnung. Die Athleten spürten oft „gar keinen Auftrag“ (Kühn), vielmehr klebten die Skier „ein bisschen am Schnee“ (Grotian).
Für die Ende Februar am Holmenkollen startende Schlussphase der Saison sei ihm dennoch „nicht bange“, betonte Bitterling. Doll freute sich auf der vermeintlichen Karrierezielgeraden „auf richtig schönen Winter“.
Problem: Die Langzeit-Wettervorhersagen lassen auch für Oslo zarte Plusgrade und Regen befürchten.
-----
Mit Sport-Informations-Dienst (SID)