Dramatischer hätte das Weltcup-Finale in Oslo nicht sein können. Auf der letzten Runde kam es zum direkten Duell zwischen Franziska Preuß und Lou Jeanmonnot. Es galt: Wer zuerst im Ziel ist, wer den ersten Platz im abschließenden Massenstart holt, der gewinnt den Gesamtweltcup. Doch drei Kurven vor Schluss folgte die Schlüsselszene, Jeanmonnot fiel in den Schnee - Ärger zwischen den Rivalinnen gab es trotzdem nicht. Aus einem guten Grund.
Preuß-Rivalin gibt emotionale Einblicke
„Ehrlich gesagt: Wenn ich sie nicht ausstehen könnte, wenn Franziska eine total blöde Kuh wäre, dann wäre ich unausstehlich gewesen und hätte Einspruch eingelegt“, sagte Jeanmonnot jetzt in einem Interview mit Eurosport. Doch die Situation war bekanntlich eine ganz andere. Statt eines Streits lagen sich die Französin und Preuß im Ziel in den Armen - die wohl schönsten Bilder der Saison, Gänsehaut für jeden Zuschauer.
Preuß? Ein “lieber Mensch, sie hat es verdient”
So behielt die geschlagene Jeanmonnot die Fassung und erzählte, dass Preuß ein “lieber Mensch" sei, sie den Erfolg verdient habe. “Es hätte 50 Prozent der Leute, die Biathlon schauen, das Herz gebrochen. Franziska hatte schon viel länger zu kämpfen als ich, war sehr oft krank, sie ist unglaublich nett. Im Rennen war sie noch nie unfair, deshalb war es einfach normal, so zu reagieren." Dennoch kam der Zuspruch von Preuß bei Jeanmonnot zunächst gar nicht an.
„Ich habe nicht sofort geweint. Ich konnte kaum fassen, dass ich es wirklich vergeigt hatte“, schilderte die 26-Jährige und führte ihre Gedanken aus. „Ich weiß, dass sie umgekehrt genauso reagiert hätte. Da musste ich nicht einmal überlegen, das war einfach so. Es war mein Fehler - basta.” Erst die folgenden Worte ihrer Teamkollegin und Freundin Justine Braisaz-Bouchet hätten zu ihrem emotionalen Ausbruch geführt.
Braisaz-Bouchet sei weinend zu Jeanmonnot gekommen und “sagt mir wahrscheinlich die schönsten Worte, die eine Freundin sagen kann”, beschrieb sie die Szene im Ziel. “In dem Moment breche auch ich in Tränen aus. Das war wie ein Auslöser - da ließ ich alles los." Schließlich sei die Niederlage im Gesamtweltcup „das Schlimmste, das ich in meinen Albträumen der letzten fünf Tage befürchtet hatte”.
Biathlon-Star: “Ich glaube, körperlich war ich überlegen”
Ob Jeanmonnot ohne den Sturz am Ende vor Preuß gelandet wäre? “Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich glaube, körperlich war ich überlegen, aber mental war sie bereit, viel mehr zu investieren", antwortete die Französin auf eine entsprechende Frage.
Wie Jeanmonnot weiter betonte, sei Preuß im entscheidenden Moment mental zu allem bereit gewesen. „Sie wirkte, als würde sie sogar ihre Seele dem Teufel verkaufen. Also - ich weiß es wirklich nicht“, sagte sie über ihre Konkurrentin.