Als die brutale "Raubvogel"-Piste ihre scharfen Krallen ausfährt, bleibt Rückkehrer Thomas Dreßen ganz cool.
Dreßen freut sich auf Schicksalspiste
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"Ich bin voll zufrieden", sagte der beste deutsche Abfahrer nach Platz vier im ersten Training auf der berüchtigten "Birds of Prey" in Beaver Creek, "die erste Fahrt auf der Strecke, wo es mich im Vorjahr so zerlegt hat, kann sich sehen lassen."
Am 30. November 2018 war der Kitzbühelsieger im US-Bundesstaat Colorado mit Tempo 125 ins Sicherheitsnetz gerauscht, sein rechtes Knie und die linke Schulter hielten den gewaltigen Kräften nicht stand.
Kreuzband, Innen- und Außenmeniskus, Knorpel, Innenband, Schulter - "es war alles im Arsch", sagte Dreßen. Doch jetzt hat er schon vor den Weltcup-Rennen am Freitag (Super-G) und Samstag (Abfahrt) seinen Frieden mit der Unglückspiste gemacht.
Dreßen: "Warum sollte ich Angst haben?"
"Natürlich war ich bei der Besichtigung ein bisschen nervös", berichtete Dreßen nach der ersten Testfahrt. Doch an der Stelle, an der er vor zwölf Monaten gestürzt war, habe er gedacht: "Eigentlich war's saublöd, dass es dich da zerlegt hat. Wenn du normal tust, ist es so easy zu fahren."
Diese Erkenntnis hat ihm geholfen, zu vergessen: "Dass es mich geschmissen hat, war einfach mein Fehler. Weder Beaver Creek, noch der Schnee oder sonst jemand kann was dafür. Warum sollte ich dann Angst haben?"
Positiv verstärkt wird diese Einstellung durch Dreßens Comebacksieg am vergangenen Wochenende bei der Abfahrt in Lake Louise. Er sei mit einem "sehr guten Gefühl und viel Selbstvertrauen" in die USA gereist, sagte er, "und ich muss sagen: Ich habe mich brutal gefreut, auch wenn man es mir vielleicht nicht glaubt."
Die Raubvogelpiste sei "eine meiner Lieblingsstrecken - und ich hätte gerne, dass sie das bleibt".
Wasmeier schwärmt von Dreßen
Im Dezember 2017 stand Dreßen als Abfahrtsdritter am Biberbach erstmals auf dem Weltcup-Podium - die Initialzündung für den Triumph in Kitzbühel sieben Wochen später.
Seit Lake Louise ist der 26-Jährige mit drei Erfolgen der beste deutsche Abfahrer der Geschichte und trotz der langen Verletzungspause einer, der die Königsdisziplin in den nächsten Jahren "dominieren kann", wie Doppel-Olympiasieger Markus Wasmeier meinte.
Dreßen selbst warnte vor zu hohen Erwartungen. Noch fahre er "zu wenig konstant", Siege wie jener in Kanada dürften erst mal die Ausnahme bleiben.
Die Rahmenbedingungen verheißen allerdings Großes. Sein Material passt derzeit perfekt, im Training seien seine Ski auch in Beaver Creek "brutal marschiert", sagte Dreßen und scherzte: "Ich weiß nicht, was mein Servicemann da schon wieder gemacht hat."
Dreßen lobt den Abfahrtscoach
Und auch mit dem Speedteam harmoniert es - nicht nur, weil ihn die interne Konkurrenz antreibt. Zum neuen Abfahrtscoach Andi Evers habe er "ein super Verhältnis", sagte Dreßen.
Der Österreicher, der einst Ski-Helden wie Hermann Maier oder Stephan Eberharter betreute, sei ein eher ruhigerer Typ, "aber was er sagt, hat Hand und Fuß. Ich hänge ihm an den Lippen."
Grundsätzlich, meinte Dreßen, müssten Topathleten aber "so selbstständig sein, dass dir der Trainer nicht immer alles vorgaukeln muss". Bei ihm, das hat Dreßen längst bewiesen, ist das der Fall.