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Ski alpin: DSV-Ass Josef Ferstl im Interview über Olympia in Peking, FIS-Pläne und Super-G

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Ski alpin: DSV-Ass Josef Ferstl im Interview über Olympia in Peking, FIS-Pläne und Super-G

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Ski-Star mit revolutionärer Olympia-Idee

Die alpinen Speed-Spezialisten starten bald in die Olympia-Saison. Josef Ferstl spricht bei SPORT1 über die Kritik an den Spielen in Peking - und verrät sein Erfolgsrezept sowie seine Meinung zu den FIS-Plänen.
Josef Ferstl will das Beste aus den Olympischen Spielen 2022 in Peking machen
Josef Ferstl will das Beste aus den Olympischen Spielen 2022 in Peking machen
© SPORT1-Grafik: Marc Tirl/Imago
Stefan Junold
Stefan Junold

Der Saisonstart der Speed-Experten im alpinen Ski-Weltcup lässt nicht mehr lange auf sich warten. Ende November steht der Auftakt der schnellen Disziplinen in Lake Louise auf dem Programm.

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Die Vorfreude auf die Saison ist groß, schließlich wartet mit Olympia in Peking ein großes Highlight auf die Athleten - auch wenn es im Vorfeld der Spiele Kritik an der Vergabe nach China gab. (DATEN: Alle Ski-Weltcup-Rennen LIVE im SPORT1-Ticker)

Damit nicht genug: Auch Pläne der FIS sorgten zuletzt für Wirbel. Auf einem Meeting des Ski-Weltverbands wurden gleich mehrere Vorschläge diskutiert, wie man den Ski-Weltcup für die Zukunft fit machen könne. Unter anderem wurde laut der Associated Press dabei die Abschaffung des Super-G ins Spiel gebracht.

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Markus Wasmeier kritisierte das Vorhaben im SPORT1-Interview vehement, auch Josef Ferstl hält nicht viel davon. Im Interview mit SPORT1 macht der Traunsteiner die Besonderheit seiner Paradedisziplin deutlich, blickt auf die Winterspiele in Peking und verrät, was er von einem Olympia-Boykott hält.

Ski-Ass Ferstl hofft nach Verletzung auf Lake Louise

SPORT1: Herr Ferstl, Sie haben sich bei der Saisonvorbereitung verletzt. Was genau ist passiert und wie geht es Ihnen?

Josef Ferstl: Ich habe mir beim Riesenslalomtraining in Sölden Mitte Oktober eine Verletzung am rechten Oberschenkelmuskel zugezogen. Während der Fahrt spürte ich einen stechenden Schmerz und musste daraufhin das Training abbrechen. Die in München durchgeführte MRT-Untersuchung zeigte einen Riss im Faszienbereich des Muskels. Mir selbst geht es den Umständen entsprechend gut, ich habe direkt mit dem Rehabilitationsprogramm begonnen.

SPORT1: Wie sehr beeinträchtigt die Verletzung die Olympia-Saison, was prognostizieren die Ärzte?

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Ferstl: Momentan muss ich zwar ein paar Wochen pausieren, aber bezüglich der Olympiasaison mache ich mir keine Sorgen. Ich werde auch wie geplant in die USA fliegen und mich in Copper Mountain auf den Speed-Auftakt in Lake Louise vorbereiten.

SPORT1: Sind zumindest Ihre Teamkollegen alle fit? (NEWS: Alles Wichtige zum Ski-Weltcup)

Ferstl: Leider nicht. Thomas Dreßen ist schon seit Längerem verletzt, hatte letzte Saison Probleme mit Knie und Hüfte. Er steckt in der Reha-Phase. Der Fortschritt sieht aber gut aus. Manuel Schmid hat sich leider im Sommertraining schwer verletzt. Er fällt aufgrund einer komplexen Knieverletzung auf alle Fälle die Saison aus. Wir sind leider bisschen minimiert.

Ferstl: Olympische Spiele werden große Überraschung

SPORT1: Was haben Sie sich für die anstehende Saison und speziell die Olympischen Spiele vorgenommen?

Ferstl: Es wird eine ganz besondere Saison, Olympia ist das große Highlight. Leider findet es nicht dort statt, wo der Wintersport normalerweise zu Hause ist. Nichtsdestotrotz werden Medaillen vergeben und man freut sich, dort anzutreten. Angesichts Corona wird es ebenfalls etwas Spezielles. Wir wissen noch gar nicht, was auf uns zukommt. Aber: Der olympische Gedanke ist natürlich groß, alle vier Jahre geht es um Medaillen. (DATEN: Rennkalender des Ski-Weltcup)

Eine Animation der alpinen Ski-Strecken bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking
Eine Animation der alpinen Ski-Strecken bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking

SPORT1: Sie haben es angedeutet – Sie wissen nicht wirklich, was in Peking auf Sie zukommt. Die Strecken konnten nicht von den Weltcup-Fahrern getestet werden, da der geplante Weltcup ausgefallen ist. Was wissen Sie bisher von den Strecken?

Ferstl: Ich weiß nur etwas vom Hörensagen. Es handelt sich um eine komplett neu angelegte Strecke. Es wird für alle eine große Überraschung.

SPORT1: Ist diese Situation eventuell ein Vorteil für Außenseiter?

Ferstl: Kann sein, muss aber nicht. Es hängt bei jedem davon ab, mit welcher Einstellung er dorthin fliegt und wie er sich vorbereitet. Es ist für alle gleich. Das ist wichtig: niemand hat auf den Strecken trainieren oder fahren können. Die Karten sind neu gemischt. Ob es dann Favoriten oder Außenseiter gibt, wird man sehen. Weltmeisterschaften und Olympische Spiele schreiben gerne mal ihre eigenen Geschichten. Jeder kann dort um Medaillen fahren.

Olympia-Boykott? Das sagt Ferstl dazu

SPORT1: China steht als Ausrichter in Bezug auf das Thema Menschenrechte in der Kritik. Stars wie Felix Neureuther haben einen möglichen Boykott ins Gespräch gebracht. Wurde das Thema bei Ihnen in der Mannschaft diskutiert und haben Sie persönlich einen Verzicht in Erwägung gezogen?

Ferstl: Ich weiß nicht, ob das der richtige Ansatz ist. Schlussendlich muss man festhalten, dass die Olympischen Winterspiele in einem Land stattfinden, in dem Wintersport nicht großgeschrieben wird bzw. nicht populär ist. Man muss sich schon die Frage stellen, ob es in die richtige Richtung geht. Anlagen, Lifte usw. werden neu gebaut. Bei uns in Europa gibt es perfekte Trainings- und Wettkampfstätten, man müsste nicht so viel investieren. Man könnte sich auch ein Konzept „Europäischer Winterspiele“ überlegen, indem man Biathlon im einen, Skispringen im anderen und Ski alpin wieder in einem anderen Land durchführt. Jetzt ist es aber so, dass Olympia in China stattfindet, aber ich hoffe, es geht zukünftig wieder in eine andere Richtung.

Felix Neureuther war als aktiver Läufer besonders stark im Slalom
Felix Neureuther war als aktiver Läufer besonders stark im Slalom

SPORT1: Ist der Rennkalender im Ski-Weltcup aus Ihrer Sicht noch ausgewogen und attraktiv genug?

Ferstl: Man muss sich überlegen, ob man wirklich so früh in die Saison einsteigt. Oktober ist meiner Meinung nach zu früh für Skirennen. Für mich ist die Kernzeit von Dezember bis Februar. In dieser Zeit wollen die Leute Skifahren schauen und den Sport selbst ausüben. Möglicherweise könnte man das mal ein bisschen anpassen. Auch der November ist schon relativ früh. Vielleicht sollte man den Kalender ein wenig optimieren und zusammenschieben. Selbstverständlich ist mir auch bewusst, dass mehr dahintersteckt, da beispielsweise Ferien eine Rolle spielen oder Strecken gesperrt werden müssen. Damit ist auch eine Menge Geld verbunden. Ein Ansatz wäre, den Umfang ein wenig zu reduzieren und einzelne Rennen spektakulärer zu gestalten, um die Aufmerksamkeit dafür zu steigern.

Ferstl kritisiert Super-G-Pläne der FIS

SPORT1: Können Sie „spektakulärer“ konkretisieren?

Ferstl: Dezember und Januar sind im Speed-Bereich vollgepackt mit schweren Rennen. Insbesondere im Januar geht es los mit Wengen. Nach Kitzbühel, wo das schwerste Rennen überhaupt stattfindet, ist man ohnehin schon mental und physisch belastet. Dann geht es weiter mit Garmisch. Die Abfahrt dort wird oft unterschätzt, sie gehört aber zu den schwierigsten im Weltcup. Genau dann passieren Fehler, die zu Verletzungen führen, was natürlich menschlich ist. Was ich vorhin gemeint habe, ist, zwischen diesen Rennen mehr Spielraum zu lassen und auf die echten Klassiker den Fokus zu setzen. Da gäbe es mehrere Optionen, die Veranstaltungen anders aufzuziehen. Das sollte man mal überdenken. Vor jeder Abfahrt gibt es Trainings, die man für eine gewisse Anzahl an Zuschauern öffnen und attraktiv präsentieren könnte. (DATEN: Alle Ergebnisse des Ski-Weltcups)

SPORT1: Was halten Sie von den Plänen der FIS zur Zukunft des alpinen Skisports? Wie finden Sie es als Super-G-Spezialist, dass diese Disziplin an Bedeutung verlieren und auf lange Sicht gar nicht mehr stattfinden soll?

Ferstl: Ich finde das keine gute Idee - nicht nur, weil ich Super-G-Experte bin. Vielleicht muss man den Leuten mal näherbringen, warum diese Disziplin so interessant ist. Beim Super-G laufen alle Anforderungen an einen Speed-Athleten zusammen. Auch im Super-G erreicht man 120 km/h. Es ist eine technisch sehr anspruchsvolle Disziplin und der Umstand, dass man kein Training hat, macht diesen Wettbewerb umso schwieriger. Was noch hinzu kommt: Man muss auch immer wieder taktisch fahren, nicht immer Vollgas, sondern an gewissen Stellen auch Geschwindigkeit rausnehmen. Wer löst solche Situationen am besten? Das macht es total spannend. Im Fußball, in der Formel 1 etc. – überall ist dieser Aspekt präsent. Wieso sollte die Taktik nicht auch im Skisport eine Rolle spielen? Für uns Sportler ist der Super-G die schwerste Disziplin. Dort heißt es, alles abzurufen, dort werden alle Fähigkeiten gefordert. Man hat keine Ahnung, ob ein Sprung 30 oder 50 Meter weit geht. Um es auf den Punkt zu bringen: Mir gefällt dieser Ansatz der FIS nicht. Auch eine Doppelabfahrt finde ich nicht interessant. Normal gibt es einen Tag X, dann wird die Abfahrt gefahren und dann zählt es. Um einen Vergleich zum Fußball zu ziehen: Wer will sich denn dasselbe Gruppenspiel zweimal hintereinander anschauen?

Guter Teamspirit bei Team Deutschland

SPORT1: Die deutsche Speedmannschaft hat trotz zahlreicher verletzungsbedingter Rückschläge immer wieder sehr gute Ergebnisse eingefahren. Wie schafft Ihr es, dass Ihr euch gegenseitig motiviert, um immer wieder zu glänzen?

Ferstl: Ski-Sport ist in erster Linie eine Einzelsportart, jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber man muss sagen, es herrscht sowohl im Verband als auch im Trainerteam und unter den Sportlern eine gute Stimmung. Wir haben einen guten Teamspirit. Keiner will verlieren. Wenn der eine im Training eine Sekunde schneller fährt, will der andere die Zeit aufholen. Dann pusht man sich gegenseitig. Allerdings hat man im Ski-Sport einen unheimlichen Druck und einen hohen mentalen Anspruch. Wenn in einem Lauf ein Fehler passiert, kann man nicht mehr gewinnen. Dann landet man auf Platz 30 und keiner redet über einen. Diese Reduktion auf einen Lauf macht es im Gegensatz zum Fußball, wo man als Stürmer der Held sein kann, wenn man das Siegtor schießt, obwohl man zehn Chancen verballert hat, schwieriger, dauerhaft ganz vorne zu landen.

Josef Ferstl verpasste nach einem Sturz in Garmisch-Partenkirchen die alpine Ski-WM 2021
Josef Ferstl verpasste nach einem Sturz in Garmisch-Partenkirchen die alpine Ski-WM 2021

SPORT1: Kommt es für Sie in Frage, auch mal bei einem Riesenslalom anzutreten oder ist das keine Option?

Ferstl: Der Riesenslalom gehört zwar zur Grundtrainingsform - daher trainieren wir auch viel Riesenslalom -, aber man muss sagen, dass sich der Skisport sehr geändert hat. Früher gab es mehr Läufer, die alle Disziplinen gefahren sind. Mittlerweile hat sich das Training doch sehr verändert, ist disziplinspezifischer geworden. Auch die Entwicklung der Ski wird immer spezifischer. Früher waren Slalom-, Riesenslalom und Super-G-Ski fast gleich lang. Inzwischen gibt es große Unterschiede. Auch die Trainingsformen von Abfahrern und Slalomfahrern variieren immer stärker. Entsprechend sind die Muskeln auch ganz anders ausgebildet. Wer das heutzutage verbinden kann, ist wirklich ein Ausnahmetalent.

Ferstl setzt am Renntag auf gute Laune

SPORT1: Haben Sie am Renntag oder unmittelbar vor dem Rennen eine Art Ritual?

Ferstl: Nein, so etwas habe ich nicht. Ich gehe die neuen Aufgaben jeden Tag mit Spaß, Freude und dem gewissen Fokus an. Wenn ich Spaß habe am Skifahren, dann kann ich meine Höchstform abrufen. Wenn ich schon mit keinem guten Gefühl aufstehe, dann geht meistens sowieso nichts. (lacht)

SPORT1: Das heißt, gute Laune ist Ihr Erfolgsrezept?

Ferstl: Sozusagen, aber sagen Sie es keinem weiter! (lacht)