Für Mikaela Shiffrin könnte der kommende Weltcup-Winter eine historische Dimension erlangen.
Mikaela Shiffrin bei SPORT1: „Das hat mich verändert“ - Ski-Star über Tod ihres Vaters & Enttäuschungen
Shiffrin: „Das hat mich verändert“
Die US-Amerikanerin geht mit bislang 73 Rennsiegen in die neue Saison. Damit fehlen ihr nur noch neun Erfolge, um mit der bisher erfolgreichsten Skifahrerin Lindsey Vonn gleichzuziehen. Und selbst Ski-Legende Ingemar Stenmark, der mit 86 Siegen den Rekord hält, ist für die 27-Jährige in Reichweite.
Für Shiffrin selbst steht jedoch das Ausloten der eigenen Grenzen im Vordergrund, auch wenn sie den Rekord gerne brechen würde. (NEWS: Alles zum Ski Alpin)
Bei SPORT1 spricht Shiffrin nicht nur über die historische Chance, sondern auch über ihr enttäuschendes Abschneiden bei den Olympia 2022 in Peking und eine Nachwuchshoffnung, auf deren Auftritte sie sich schon freut.
SPORT1: Sie haben eine harte Saison hinter sich, in welchen Disziplinen werden Sie im kommenden Winter an den Start gehen?
Mikaela Shiffrin: Natürlich fahre ich alle Slalom- und Riesenslalom-Rennen, aber tatsächlich hoffe ich, ein paar mehr Super-G-Rennen zu fahren als in den vergangenen Jahren. Ich weiß nur nicht, ob ich es schaffe, alle Abfahrtsrennen unterzubekommen. Vielleicht hier und da. Für den Saisonstart konzentriere ich mich auf Slalom und Riesenslalom, und im Dezember schaue ich, wie es mit den Speed-Rennen ausschaut. Aber ich fühle mich dieses Jahr besser in Form für die Super Gs. (SERVICE: Rennkalender)
Gesamtweltcup und Sieg-Rekord: Shiffrin vor aufregendem Winter
SPORT1: Wie sehen Sie Ihre Chancen im Gesamtweltcup?
Shiffrin: Was den Gesamtweltcup angeht, hängt es von den Big Points ab, und von den Punkten, die man über die Saison hinweg sammelt. Petra (Vlhova, Anm. d. Red.) hat gezeigt, dass sie im Super G sehr stark sein kann und hat auch viel Potential in der Abfahrt, im Riesenslalom und Slalom natürlich sowieso. Wenn man eine Kontrahentin wie sie hat, oder wie Sofia (Goggia, Anm. d. Red.), die in Abfahrt oder Super G jederzeit gewinnen kann. Wenn sie antritt, und im Slalom punktet, wird es schwer. Ich glaube, dass niemand den Gesamtweltcup in den nächsten Saisons gewinnen kann, wenn sie auch Slalom und Riesenslalom fährt. (SERVICE: Weltcupstände)
SPORT1: Ist der Weltcup-Siege-Rekord ein Ziel für diesen Winter?
Shiffrin: Zum jetzigen Zeitpunkt ist mein Ziel die beste Vorbereitung für den Saisonstart. Ich werde nicht sagen: ‚Nein, ich möchte keinen Rekord‘. Lindsey (Vonn, Anm. d. Red.) war so nah dran an Ingemar (Stenmark, Anm. d. Red.), aber hat es am Ende nicht geschafft. Das zeigt, wie schwierig es ist, so viele Siege in einer Karriere zu sammeln. Als ich mit den Rennen anfing, habe ich nie erwartet, in meiner Karriere so viele Siege zu holen. Falls ich morgen zurücktreten würde, wäre ich damit zufrieden. Aber ich denke, ich habe noch besseres Skifahren und mehr Geschwindigkeit übrig in meinem Tank, und das versuche ich gerade zu erforschen.
SPORT1: Was sagen Sie zu der neuen Nachwuchshoffnung Lara Colturi?
Shiffrin: Sie hat ein ziemlich solides Skifahren, einen ziemlich soliden Stil, viel Geschwindigkeit, und diese Art Instinkt: Sie weiß, wie sie den Fuß des Berges findet. Das ist etwas, das ich über die Dauer meiner Karriere entwickeln musste, sie scheint es von Natur aus zu haben. Es wird interessant zu sehen sein, wie sie sich in den kommenden Jahren entwickelt.
Mikaela Shiffrin: Olypmia 2022 und der Tod des Vaters
SPORT1: Olympia 2022 lief für Sie eher enttäuschend. Haben Sie bereits analysiert, was da schieflief?
Shiffrin: Das ist eine lange Geschichte, für die wir jetzt wohl keine Zeit haben. Ich habe es analysiert, und ich habe auch gesagt: ‚Am Ende ist Skifahren ein Sport, der nichts verzeiht.‘ Bei den Olympischen Spielen fuhr ich, um schnell zu sein, ich versuchte nicht, es ins Ziel zu schaffen. Ich bin stolz auf diese Mentalität, auch wenn es mich in den Rennen nicht weit gebracht hat. Ich habe manch technischen Fehler gemacht, die mich in irgendeinem anderen Rennen vielleicht nicht so viel gekostet hätten, bei den Olympischen Spielen haben sie mich alles gekostet.
SPORT1: Inwieweit beeinflusst Ihr Privatleben Ihr Sportleben? Gerade der Tod Ihres Vaters hat Sie sehr mitgenommen.
Shiffrin: Es ist ein komplett anderer Bereich meines Lebens, aber er beeinflusst mich im Sport. Ich kann es nicht trennen. Wenn etwas so Großes im Leben passiert, beeinflusst es jeden Bereich des Lebens. Davor kann ich mich nicht verstecken oder meine Emotionen abstellen, nur weil ich Skifahrerin bin. Das war etwas, was mich in den vergangenen Jahren als Mensch komplett verändert hat. Ich arbeite daran, meine Konzentration in Skirennen aufrechtzuerhalten, in den Momenten, die sehr schwierig sind. Ich denke, nicht jeder kann nachvollziehen, am Start eines Olympischen Slalom-Rennens zu stehen, aber jeder kann nachfühlen, wie es ist, wenn etwas im Leben passiert, das schmerzt. Das ist etwas, das Menschen sehen und verstehen. Wir labeln Athleten oft als die Stärksten, ohne Schwächen. Aber das ist nicht wirklich der Fall. Und ich denke, es ist wichtig, darüber zu reden. Und für mich ist es hilfreich, das zu erklären und wie Menschen darauf reagieren. Vor allem, wenn sie sagen, dass es für sie wichtig ist, mich darüber reden zu hören.