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Wohl keine Medaille: Erschreckende Olympia-Bilanz der Schwimmer

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Wohl keine Medaille: Erschreckende Olympia-Bilanz der Schwimmer

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Deutsche Schwimmer vor dem Untergang

Mit Marco Koch enttäuscht auch die wohl letzte Medaillenhoffnung im Schwimmen. SPORT1 beleuchtet das Schwimm-Desaster und erklärt die DSV-Baustellen.
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© dpa Picture Alliance
Christoph Küppers
Christoph Küppers
von Christoph Küppers

Henning Lambertz ging in die Offensive. Aufrecht stand der Bundestrainer im Trainingsanzug im Bauch des Schwimmstadions von Rio de Janeiro. "Am meisten leid tun mir die Fans, die nachts um drei Uhr aufstehen und sich das angucken müssen", sagte er.

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Lambertz zeigte sich selbstkritisch, sagte etwa: "Ich muss mich auch hinterfragen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich an der einen oder anderen Stelle etwas mehr eingreifen müssen."

Der DSV steht vor einer miserablen Olympia-Bilanz. Am Mittwochabend war auch die vielleicht letzte Medaillenhoffnung gestorben: Marco Koch schwamm nicht aufs Treppchen. Der Brustspezialist wurde im Finale über 200 Meter Siebter. An der gedrückten Stimmung konnten auch die Finaleinzüge von Christian Diener und Philip Heintz am späteren Abend nichts ändern. Beide haben in ihren Endläufen ohnehin kaum Chancen.

Und so holte Lambertz zu einem Rundumschlag aus: "So kann es ja nicht weitergehen. Das will ja keiner. Wir müssen uns alle an einen Tisch setzen, das hier aufarbeiten und reden."

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Steffen und van Almsick fordern Kurswechsel

Wenige Minuten zuvor hatte schon Schwimm-Legende und TV-Expertin Franziska van Almsick in der ARD gewettert: "Wir müssen einen massiven Kurswechsel einläuten. Davon reden wir seit Jahren." In die gleiche Kerbe hatte Anfang der Woche schon Ex-Olympiasiegerin Britta Steffen geschlagen. "Es wäre in der Vergangenheit wichtig gewesen, mal ein paar Strukturen zu ändern", so Steffen im exklusiven SPORT1-Interview.

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Die nackten Ergebnisse sprechen eine klare Sprache. Erfolgserlebnisse gab es nur wenige. Gerade einmal fünf Finalteilnahmen (Biedermann, Freistil-Staffel, Koch, Diener, Heintz) stehen zu Buche, die Enttäuschungen überwiegen.

Zum Beispiel Kochs Final-Rennen. Aber auch die Disqualifizierung des jungen Jacob Heidtmann nach einem Stilwechselfehler über 400 Meter Lagen. Oder die verpasste Finalteilnahme von Europameisterin Franziska Hentke über 200 Meter Lagen. Und der schwache Auftritt der Freistil-Staffel, die zumindest um die Plätze drei bis fünf mitschwimmen wollte.

London-Fiasko wiederholt sich

Egal wie man es betrachtet: Der DSV war von einer Medaille bislang so weit entfernt wie das russische Sportministerium vom aktiven Anti-Doping-Kampf. Es wäre überraschend, würde es für Deutschland in den verbleibenden Läufen doch noch zu einer Medaille reichen. Nichts Zählbares, leere Hände. Wie schon beim Schwimm-Debakel bei den Spielen 2012.

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Dabei sollte nach London doch alles besser werden. Der DSV feuerte damals Bundestrainer Dirk Lange und installierte den fast acht Jahre jüngeren Lambertz. Der heute 45-Jährige hatte zuvor sehr erfolgreich im Leistungsstützpunkt in Essen gearbeitet. Lambertz machte von Anfang an keine Versprechen: "Ich kann keine Medaillen garantieren. Aber wir wollen bei den Olympischen Spielen 2020 zu den Top drei der Welt aufschließen."

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Tatsächlich hat Lambertz die deutsche Schwimmspitze breiter aufgestellt hat. Es streben immer mehr talentierte Nachwuchskräfte nach vorne. Jacob Heidtmann, Alexandra Wenk, Johannes Hintze oder Florian Vogel sind nur vier Namen. Und trotzdem muss man in Rio konstatieren: Deutschland hat im internationalen Vergleich keine Chance.

Maßnahmen fruchten nicht

Das liegt vor allem daran, dass die deutschen Top-Schwimmer ihre Leistung nicht bringen. Gerade von den Nachwuchskräften erwartete niemand den Einzug ins Finale oder gar eine Medaille. Von Biedermann, Koch oder Hentke schon.

Lambertz hatte seine drei Stars zur "Elite-Gruppe" ernannt. Sie durften alleine trainieren, selber über den Zeitplan entscheiden. "Vielleicht war das im Endeffekt ein Fehler", so der Bundestrainer.

Dabei war die DSV-Führung mit der Vorbereitung auf Olympia eigentlich zufrieden gewesen. Zweieinhalb Wochen vor den Spielen versammelte er seine 27 Beckenschwimmer im brasilianischen Florianopolis, etwa eineinhalb Flugstunden südlich von Rio de Janeiro. Ein intensives Trainingslager, in dem sich die Schwimmer auch an die Verhältnisse in Brasilien gewöhnen sollten.

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Auch vor Ort in Rio traf der DSV Vorbereitungen. Im Olympischen Dorf ließ Lambertz auf der Schwimmer-Etage abklebbare Fenster installieren. Sie sollten das nötige Ausschlafen für die ungewohnt späten Wettkampfzeiten garantieren.

Außerdem wurden spezielle Tageslichtlampen angeschafft, die die Sportler auch nach dem frühen Sonnenuntergang des südamerikanischen Winters noch lange munter halten. Am Ende der Vorbereitung konstatierte Lambertz: "Wir haben meines Wissens nach mehr getan als jede andere Nation auf der Welt. Das gibt uns ein gutes Gefühl!"

Investitionen gefordert

Mehr zu tun scheint aber aus DSV-Sicht nicht zu reichen. Die Weltspitze mit den Top-Nationen USA, China und neuerdings auch Australien und Großbritannien entwickelt sich raketenmäßig weiter. Bester Beweis: Die Weltrekordflut in Rio.

Das wirft Fragen auf, ob der DSV die klaffende Lücke bis 2020 wirklich schließen kann. Oder ob sich der ambitionierte Verband mit der Rolle im Mittelmaß abfinden muss?

Bundestrainer Lambertz hat dazu eine klare Meinung: "Wir haben von allem zu wenig: Manpower, Geld, Trainer. Jeder sieht wohin das führt. Wenn wir jetzt weiter reduzieren, dann können wir den Laden zu machen. Dann war es das mit Schwimmen! Wenn wir jetzt nicht drüber nachdenken und sagen 'Jetzt investieren wir richtig!', können wir es lassen."

Dass mit Paul Biedermann nun auch noch einer der Top-Stars seine Karriere beendet könnte mehr Segen als Fluch sein. Er könnte wie auch seine Ex-Freundin Britta Steffen zurück in den Verband kehren, um Trainer und Entscheider zu unterstützen.

Lambertz will weitermachen

Henning Lambertz würde diesen Kurs gerne mitgehen. Zwar läuft sein Vertrag im nächsten Jahr aus, die DSV-Führung um Präsidentin Christa Thiel und Leistungssportdirektor Lutz Buschkow hatte ihm aber bereits eine Vertragsverlängerung garantiert.

"Ich denke nicht darüber nach, das sinkende Schiff zu verlassen", sagte Lambertz nun. Er stellte aber auch klar: "Ich würde es schön finden, wenn wir uns alle endlich mal an einen Tisch setzen und Dinge ändern. So kann es nicht weiter gehen!"

Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz nimmt ohnehin vor allem Buschkow in die Pflicht: "Was macht der Sportdirektor eigentlich? Wir müssten schon längst an Tokio 2020 denken."

Lambertz dagegen verteidigte er: "Er ist ein super Trainer, das steht außer Frage. An seiner Kompetenz gibt es keine Zweifel."