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SPORT1-Kolumne von Wolfgang Kleine

Zum Teufel mit dem "Teufels-Plateau"

Die Schlussanstiege der Tour entscheiden oft den Kampf ums Gelbe Trikot. Wolfgang Kleine erinnert vor dem Ritt zum Plateau de Beille am Donnerstag an denkwürdige Duelle.
yellow jersey German Jan Ullrich is supp
yellow jersey German Jan Ullrich is supp
© Getty Images
Die Schlussanstiege der Tour entscheiden oft den Kampf ums Gelbe Trikot. Wolfgang Kleine erinnert vor dem Ritt zum Plateau de Beille am Donnerstag an denkwürdige Duelle.

Ja, das "Teufels-Plateau"! Ich kann mich noch gut an den Schlussanstieg 1998 mit dem Rennrad hoch zum Plateau de Beille in den Pyrenäen erinnern. Pausen waren nötig, die Trinkflasche musste an jedem Brunnen gefüllt werden, um den Wasserverlust auszugleichen. Man hatte doch kein Begleitfahrzeug wie die Profis.

Die Etappe hatte es in sich und sie wird auch am Donnerstag während der diesjährigen Großen Schleife für die Radsport-Elite eine harte Nuss werden: Das 12. Teilstück über 195 km von Lannemezan aufs berüchtigte Plateau.

Die Dramen am Berg

Die Duelle an diesen Schlussanstiegen sorgten im Kampf ums Gelbe Trikot und den Gesamtsieg der Tour de France oft genug für die Vorentscheidung.

Es gab die großen Triumphe, aber auch die bitteren Niederlagen mit dem Ende aller Träume. Für Jan Ullrich, der 1997 als erster Deutscher die Tour gewann, wurde das Plateau de Beille zweimal zum Alptraum.

1998: Zu Beginn des Anstiegs stieg Ullrich vom Rad - eine Panne, oder ein Krampf? Niemand vom Team Telekom wollte später Stellung nehmen. Jedenfalls war im deutschen Team Hektik angesagt. Ullrich verlor 20 bis 30 Sekunden, ehe er das Rad seines Kollegen Rolf Aldag übernahm und wie ein Irrwisch hinter den schärfsten Konkurrenten Marco Pantani (Italien) sowie Bobby Julich (USA) den Berg hochstrampelte.

Pantani musste er schließlich ziehen lassen und dessen Übermacht an diesem Tag anerkennen. Doch Ullrich behielt wenigstens "Gelb".

Ullrich erlebt sein Waterloo

2004: Hier erlebte Jan Ullrich zum Plateau hoch sein Waterloo. Lance Armstrong gewann die Etappe und später die Tour, Ullrich musste sich Hohn und Spott gefallen lassen. Die französische Presse bezeichnet ihn sogar als "kleines gemästetes Schwein".

Zurück zu 1998: Der legendäre Aufstieg nach Les Deux Alpes. Jan Ullrich fuhr eigentlich seinem zweiten Tour-Triumph entgegen. Bobby Julich lag 1:11 Minuten zurück, Kletterziege Marco Pantani sogar 3:01 Minuten. Doch vor dem Aufstieg begann das Drama.

Von Nässe, Kälte und einem Hungerast gepeinigt, schleppte sich Ullrich die Schluss-Serpentinen hoch. Bjarne Riis und Udo Bölts begleiteten ihn, aber Ullrich verlor gegen Pantani Minute um Minute. Im Ziel der 15. Etappe waren es schließlich 8:57 Minuten, der Deutsche war nur noch Vierter und hatte die Tour gegen den Italiener vorzeitig verloren.

Die gewaltige Attacke

Das war für Ullrich genau ein Jahr nach seinem großen Erfolg 1997: Damals legte er die Grundlage zum Tour-Triumph auch an einem Anstieg - in Andorra hoch zur Ski-Station Arcalis. Teamkapitän Bjarne Riis schwächelte und gab dem wie entfesselt fahrenden Shooting Star grünes Licht: "Wenn du dich stark fühlst, dann ziehe los."

Ullrich nutzte auf der 10. Etappe in den Pyrenäen die Chance. In einer Linkskurve zog er los, ließ Topstars wie Pantani, Richard Virenque, Abraham Olano und auch Riis mit der starken Attacke stehen, fuhr Cedric Vasseur aus dem Gelben Trikot und gewann die Etappe vor Virenque und damit später auch die Tour.

Ein Duell allerdings ist aber heute noch Legende. Der Zweikampf zwischen dem Gesamtführenden Greg LeMond (USA) und Bernard Hinault (Frankreich) beim Anstieg zum heiligen Berg nach Alpe d'Huez im Jahre 1986. Die 18. Etappe: Die beiden Teamkollegen von La Vie Claire bekämpften sich auf den berühmten Serpentinen. Keiner steckte zurück bis zur Zielgerade an der Poststation.

Ein kurzer Blick, ein kurzes Gespräch zwischen LeMond und Hinault. Was dann kam, wurde zum historischen Bild: Das Duo fuhr nebeneinander Hand in Hand über die Zielgerade. Hinault hielt sein Versprechen und überließ seinem Edelhelfer LeMond später in Paris den Gesamtsieg.

Wolfgang Kleine hatte als Journalist seine Feuertaufe bei der Fußball-WM 1974in Deutschland. Danach wurden für ihn zahlreiche Handball-Spiele, die Berichterstattung vom Leichtathletik-Europacup 1979und die Begleitung der Tour de France 1996, 1997 sowie 1998 unvergessliche Erlebnisse. Aber eines bleibt besonders in Erinnerung: Das Wintermärchen der Olympischen Spiele 1994 in Lillehammer.