"Ich gratuliere dir, Roger. Du hast nach einer so langen Pause das wohl beeindruckendste Comeback in unserem Sport geschafft", adelte Rafael Nadal seinen Dauerrivalen Roger Federer nach dem Finale der Miami Open.
Warum Federer wieder dominiert
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Der 35-Jährige hat in dieser Saison bei 20 Siegen erst eine einzige Niederlage einstecken müssen. So gut war Federer zuletzt vor elf Jahren in eine Saison gestartet.
Sowohl das erste Grand Slam in Melbourne als auch das "Sunshine Double" bestehend aus den Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami gingen an Federer, der zuvor ein halbes Jahr lang kein einziges Profi-Match bestritten hatte und aus den Top 15 der Weltrangliste gerutscht war. (Aktuelle Weltrangliste)
Nachdem er im Vorjahr die French Open ausgelassen und sein Saisonaus verkündet hatte, sprachen viele Experten bereits vom möglichen Karriereende. Doch "FedExpress" ist wieder zurück und hat mit seinem Comeback nicht nur Nadal beeindruckt, sondern die Tenniswelt regelrecht erschüttert.
SPORT1 erklärt, was hinter dem überraschenden Erfolg Federers steckt.
Einer der variabelsten Spieler
Hinter dem erfolgreichen Comeback steckt vor allem jede Menge harte Arbeit neben dem Platz. Federer gelingt es wie keinem anderen Akteur, sein Spiel, mit dem er die Tenniswelt jahrelang dominierte, auch noch im hohen Alter weiterzuentwickeln und anzupassen.
Während das Spiel seines Dauerrivalen Nadal noch immer von Physis und Grundlinien-Dominanz lebt, ist der Schweizer auch heute noch einer der variabelsten Spieler auf der Tour.
Wie modern und akribisch die Arbeit im Training aussieht, zeigte der 35-Jährige Anfang des Jahres in einem Live-Video auf Twitter.
Rückhand wieder eine Waffe
Der Anteil von Federers neuem Coach Ivan Ljubicic ist nicht zu unterschätzen. Nach dem Abgang von Stefan Edberg sitzt seit Januar 2016 der Kroate neben Langzeit-Coach Severin Lüthi in Federers Box. Der ehemalige Top-3-Spieler scheint es geschafft zu haben, die Konstanz in Federers Grundschläge, speziell bei der Rückhand, zurückzubringen.
Lange Rallys waren vor der Zwangspause in 2016 oft das Problem des Schweizers. Seit 2017 entscheidet er auch die Marathon-Ballwechsel fast alle für sich. Das liegt vor allem an der wiedererstarkten einhändigen Rückhand. Dieser Schlag war die letzten Jahre die große Problemzone in Federers Spiel.
Außerdem hat es Ljubicic geschafft, den Maestro psychisch wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Wie stark Federer auch unter Druck wieder spielt, haben nicht nur die Krimis gegen Wawrinka und Nadal bei den Australian Open bewiesen, sondern auch die engen Matches zuletzt in Miami gegen Berdych und Kyrgios, die er jeweils im Tiebreak des Entscheidungs-Satzes für sich entschied.
Die Konkurrenz schwächelt
Mit Novak Djokovic und Andy Murray fehlen derzeit die Dominatoren der letzten Jahre. Djokovic scheint seit dem lang ersehnten French-Open-Titel im letzten Jahr mental in einem Tief zu stecken.
Die Turniere in Indian Wells und Miami ließ der Serbe komplett aus, um Kraft für die anstehende Sandplatz-Tour zu sammeln, was einen Rüffel seines ehemaligen Trainers Boris Becker zur Folge hatte.
Murray plagen dagegen Verletzungssorgen. Nachdem der Weltranglisten-Erste bei den Australian Open am deutschen Mischa Zverev gescheitert war, war in Indian Wells schon in Runde eins Endstation. Das Turnier in Miami sagte der Schotte dann auf Grund von Ellbogenproblemen komplett ab.
Familie sorgt für Wohlfühlzone
In die USA reiste Federer mit einer Entourage von 14 Personen. Neben Coach, Physio und Manager waren auch seine vier Kinder sowie Frau Mirka und ein Babysitter in Federers Reisegruppe.
Die Familie scheint ihm sichtlich gut zu tun. An den matchfreien Tagen kümmerte sich der "Maestro" höchst selbst um seinen Nachwuchs.
Rückkehr auf den Tennis-Thron?
Ob Federers Dominanz auch in den kommenden Saisonphasen anhält, bleibt abzuwarten. Nach dem Finale in Miami kündigte der 35-Jährige bereits eine längere Pause an. Vermutlich wird er die Masters in Monte Carlo, Madrid und Rom ausfallen lassen und frühestens bei den French Open in Paris wieder eingreifen. Die Ambitionen, wieder die Nummer eins der Weltrangliste zu werden, scheinen also eher gering zu sein.
Vielmehr geht es dem Altmeister darum, seine letzten Jahre auf der Tour in vollem Maße auszukosten und seinen Fans bei jedem Turnierstart seine beste Leistung zu zeigen.
"Ich habe mir geschworen, dass ich ein Turnier nur dann spiele, wenn ich ein Kribbeln spüre", sagte Federer vor Kurzem. Die Menschen sollen den "wahren Federer" sehen, wie er es nennt.
Mit dieser Einstellung fährt der Maestro seit seinem Comeback bekanntlich ausgezeichnet.