Die deftigste Grand-Slam-Klatsche ihrer Karriere hatte deutliche Spuren hinterlassen, doch Angelique Kerber stemmte sich erfolgreich gegen die aufkommende Wut.
Kerber-Aus: Schüttler in der Pflicht
Ihr Dickkopf, der sie bis zum Wimbledonsieg getragen hatte, ließ keinen Gefühlsausbruch mehr zu. "Dieses Turnier wird für mich immer etwas Besonderes bleiben. Daran kann keine Niederlage etwas ändern", sagte Kerber mit fester Stimme und ohne eine einzige Regung im Gesicht.
Die Erklärung für das plötzliche Achtelfinal-Aus bei den Australian Open, für das völlig überraschende 0:6, 2:6 gegen Danielle Collins aus den USA, hatte Kerber zu diesem Zeitpunkt längst formuliert und mehrfach wiederholt: "Es war heute einfach nicht mein Tag", sagte sie immer wieder mit Nachdruck.
Kerber galt als Mitfavoritin
Collins hatte zudem dafür gesorgt, dass er schon nach 56 Minuten zu Ende war. "Sie hat das perfekte Match gespielt", lobte Bundestrainerin Barbara Rittner.
Bis zur Erstrundenpartie am vergangenen Montag gegen die deutsche Nummer zwei Julia Görges war Collins (25) kein einziger Sieg bei den Grand Slams gelungen. Kerber hatte in der ersten Turnierwoche nicht nur ihren 31. Geburtstag, sondern auch ihren 100. Erfolg bei den Majors gefeiert.
Nach der Vorbereitung an der Seite ihres neuen Trainers Rainer Schüttler meisterte sie die drei ersten Runden ohne Mühe, sie galt als eine der größten Turnierfavoritinnen.
"Sie hat mir keine Luft zum Atmen gelassen"
Dem Tempo, das die frühere Collegespielerin Collins anschlug, hatte Kerber jedoch nichts entgegenzusetzen. Nach elf Minuten lag sie 0:4 zurück, nach 20 Minuten war der erste Satz bereits verloren. "Ich treffe keinen Ball", jammerte Kerber, ließ ihren Frust am Schläger aus und bekam dafür eine Verwarnung. Kaum einen Ball spielte sie über die T-Linie hinaus und damit der ultra-aggressiven Collins in die Karten. "Angie haben Länge und die Quote beim Aufschlag gefehlt", analysierte Rittner, "so hat sie nur reagieren können."
"Sie hat mir keine Luft zum Atmen gelassen", bekannte Kerber nach dem Match im ZDF.
Weniger Spiele hatte Kerber nie zuvor in einem Grand-Slam-Match gewonnen, ähnlich deutliche Pleiten kassierte sie 2012 in Melbourne gegen Maria Scharapowa (1:6, 2:6) und 2014 in Paris gegen Eugenie Bouchard (1:6, 2:6). "Ich schaue aber nicht in die Vergangenheit und auch nicht in die Zukunft", sagte Kerber trotzig: "Ich habe auf dieser Reise alles gegeben, jetzt ist sie zu Ende. Das muss und werde ich akzeptieren. Die Saison ist noch lang."
Aus als Bewährungsprobe für Schüttler
Besonderes Augenmerk liegt nun auf der Zusammenarbeit von Kerber und ihrem Trainer Rainer Schüttler. Schüttler wurde erst im November 2018 Trainer der 31-Jährigen und hat nun bereits die erste kritische Phase zu überstehen.
Barbara Rittner, Chefin im DTB und Bundestrainerin, glaubt aber an einen positiven Effekt der Zusammenarbeit. "Für das Team Kerber-Schüttler ist das eine neue Situation. Eine bittere und enttäuschende Niederlage. Sie war kurz nach dem Spiel schon sehr klar in ihren Aussagen, da hat sie deutlich dazu gelernt", sagte Rittner.
Vor allem Schüttlers Erfahrung, der selbst jahrelang erfolgreich auf der ATP-Tour gespielt hat, ist für Rittner ein großer Pluspunkt, um aus diesem Tief gestärkt hervorzugehen. Schüttler ist "ein sehr ruhiger und besonnener Mensch, der sie erstmal in Ruhe lässt. Danach werden sie das sehr unaufgeregt analysieren. Rainer hat viel erlebt, kann sie mit dem Wissen des Ex-Spielers aufbauen und beruhigen. Sie hat ihr kleines Team, wo sie sehr gut aufgehoben ist."
Keine Parallelen zu 2017
Parallelen zum Krisenjahr 2017, als sie bei den Australian Open als Titelverteidigerin ebenfalls im Achtelfinale gescheitert und anschließend in der Weltrangliste weit abgerutscht war, verbieten sich daher. "Ich glaube nicht, dass sie in eine Spirale wie damals gerät", sagte Rittner: "Angie geht ihren Weg und sieht auch schon wieder das Positive. Das kann man nicht mit 2017 vergleichen."