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Biathlon-WM 2020 in Antholz: Michael Rösch erklärt Problem mit Waffengesetz

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Biathlon-WM 2020 in Antholz: Michael Rösch erklärt Problem mit Waffengesetz

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Rösch: Waffengesetz bremst Biathleten

Deutschland geht ohne einen Medaillen-Garant in die Biathlon-WM. 2006-Olympiasieger Michael Rösch erklärt bei SPORT1, warum das deutsche Waffengesetz ein Problem ist.
Michael Rösch ist im Schieß-Kompetenzteam der deutschen Biathleten
Michael Rösch ist im Schieß-Kompetenzteam der deutschen Biathleten
© SPORT1-Montage: Marc Tirl/Getty Images/Imago
von Patrick Hauser, Nadine Münch

Die deutschen Biathleten sind in dieser Saison nicht so erfolgreich wie in den vergangenen Jahren, hinken der internationalen Konkurrenz sogar hinterher.

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Vor der anstehenden WM in Antholz (12. bis 23. Februar) fehlt erstmals seit langem ein Garant für Medaillen.

"Wir haben das Luxusproblem, dass Laura Dahlmeier und Magdalena Neuner bei der WM immer fünf, sechs Medaillen abgeräumt haben. Die Latte liegt extrem hoch. Wir sind erfolgsverwöhnt. Wenn so eine Glanzfigur weg ist, ist es schwierig, in die Riesen-Fußstapfen zu treten", erklärt Turin-Olympiasieger Michael Rösch bei SPORT1.

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Größte Hoffnung liegt auf Doll und Herrmann

Auch wenn die Superstars im deutschen Team diesmal fehlen, sieht Rösch, der 2006 mit der Staffel olympisches Gold holte, "die Vorzeichen nicht so schlecht, wie sie gemacht werden: Bei den Männern hatten wir Podiumsplatzierungen, bei den Frauen gibt es ein oder zwei Medaillenkandidaten."

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Nachdem Denise Herrmann in Pokljuka den ersten Saisonsieg für die deutschen Frauen holte, liegt die größte Hoffnung und damit der größte Druck auf ihr.

Bei den Männern sind die Augen nach zuletzt guter Leistungen auf Benedikt Doll gerichtet, "es gibt aber noch Arnd Peiffer, Philipp Nawrath oder Johannes Kühn, die läuferisch extrem stark sind und die weniger Druck haben", sagt Rösch.

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Deutsches Waffengesetz limitiert Biathleten

In der Weltspitze dominieren aktuell vor allem die Norweger um die beiden Boe-Brüder Tarje und Johannes Thingnes sowie die Franzosen um Martin Fourcade, Quentin Fillon Maillet und Simon Desthieux. Wieso sind sie den Deutschen so weit enteilt?

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Rösch, der neben seiner Tätigkeit als Trainer am Bundesstützpunkt in Altenberg auch im Schieß-Kompetenzteam des DSV ist, weist vor allem auf zwei Probleme hin: die Leidenschaft für den Sport - und das deutsche Waffengesetz.

Denn im Weltcup fielen die deutschen Athleten in diesem Winter vor allem am Schießstand negativ auf: Viele Fehler, lange Schießzeiten und eine (zeitlich) lange Anfahrt zum Schießstand. Das Problem liegt tiefer, wie Rösch erklärt.

"Wir sind durch das Waffengesetz einfach limitiert. In Deutschland darf man im Alter von unter 15 Jahren kein Kleinkaliber schießen, sondern nur Luftgewehr. In Norwegen nutzen schon die Zehnjährigen Kleinkaliber und sind uns damit fünf Jahre voraus", berichtet Rösch.

Warum sich das so negativ auswirkt? "Im Luftgewehr lernt man sich so viele Fehler an, weil es leichter ist, zu treffen, der Umstieg zum Kleinkaliber ist sehr schwer", erklärt der Experte: "Es dauert drei bis vier Jahre, die Fehler auszumerzen und Stabilität reinzukriegen. Angelernte Fehler wieder auszumerzen, ist das große Problem."

Rösch tauscht Klapp- gegen Papierscheiben

Als Teil des Schieß-Kompetenzteams, das vom neuen sportlichen Leiter Bernd Eisenbichler ins Leben gerufen wurde, setzt sich Rösch jetzt für eine Verbesserung ein - und geht dabei neue Wege: Er schaut den Athleten beim Schießen auf die Finger - und nicht wie die meisten Trainer mit dem Fernglas auf die Ziele. 

"Da sieht man zwar die Treffer, aber das ist mir im Moment egal. Ich stelle mich neben die Sportler und schaue, was sie mit dem Abzug machen, wie sich die Atmung verhält oder ob sie die Waffe ruhig halten. Da kann ich viel mehr beurteilen, als wenn ich hinter einem Schießglas stehe und nur Treffer oder Fehler sehe", erklärt Rösch seine Arbeitsweise.

Statt wie im Wettkampf auf Klappscheiben, lässt er die Sportler zudem auf Papierscheiben schießen, "damit sie nicht direkt wissen, ob sie getroffen haben oder nicht. Sie sollen das selbst erkennen".

Rösch fordert höhere Wertigkeit für das Schießen

Allgemein ist Rösch der Meinung, dass der Schießanteil eine höhere Wertigkeit als das Laufen bekommen sollte.

Der Zeitaufwand für das Laufen (25 Minuten) sei zwar deutlich höher als beim Schießen (2 Minuten), aber der Aufwand für das Schießen sei im Training trotzdem enorm hoch.

"Man hat nur eine Chance mit 90 oder 95 Prozent Trefferleistung. Mit ein oder zwei Fehlern kannst du die Waffe in die Ecke stellen und direkt in den Container gehen, da hast du keine Chance", betont Rösch. An diesem Punkt müsse angesetzt werden.

"Grundübel ist die Leidenschaft für den Sport"

Der Olympiasieger von 2006 sieht neben dem Schießen aber noch ein weiteres großes Problem im Biathlon-Nachwuchs.

"Das Grundübel in Deutschland ist die Leidenschaft für den Sport generell. Die Norweger haben eine ganz andere Einstellung zum Sport. Ich sehe dort Kinder, die schon Ski fahren, obwohl sie kaum laufen können. Sie fangen also auf einem ganz anderen Niveau an", sagt Rösch.

Natürlich hätten die Skandinavier auch viel bessere Bedingungen, "sie haben das halbe Jahr Schnee, da sind sie einige Schritte voraus", erklärt der Nachwuchs-Coach - sieht darin aber nicht den Kern des Problems.

"Die Jugend ist deutlich weniger begeisterungsfähig, sich für den Sport zu quälen", meint Rösch: "Das fängt schon über den Kindergarten und die Schule an, die Jungen gehen dann irgendwann flöten. Es stimmt, dass es deutlich weniger Deutsche gibt, die mit 20 oder 21 schon im Weltcup laufen. Man sollte schon jetzt darauf achten, wo die Richtung im Nachwuchs hingeht."

Die Forderung des Trainers: "Die Jugendlichen müssen ihre ganze Mentalität dem Sport unterwerfen. Es ist schwierig, einem 18-Jährigen zu sagen, heute nicht auf eine Party zu gehen, sondern zu trainieren. Sie müssen es selbst wollen."