Die Fallhöhe war enorm, die Bruchlandung umso heftiger.
Tournee-Hatz lähmt DSV-Adler
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Wer nach dem deutschen Sensationssieg im Teamwettbewerb der Olympischen Spiele im Februar auf eine Wachablösung im internationalen Skispringen gehofft hatte, wurde bei der laufenden Vierschanzentournee bitter enttäuscht (SERVICE: Alles, was Sie zur Vierschanzentournee wissen müssen).
Bereits nach zwei von vier Stationen ist der Traum vom ersten Tournee-Sieg eines DSV-Adlers seit 2002 geplatzt - und die Euphorie um die Überflieger von Sotschi dahin.
Bundestrainer diagnostiziert Kopfproblem
Während Nachbar Österreich mit dem aktuell in Führung liegenden Stefan Kraft und dem drittplatzierten Michael Hayböck gleich zwei heiße Eisen im Feuer hat und den siebten Gesamterfolg in Serie anvisiert, können die Deutschen froh sein, wenn es einer ihrer Athleten am Ende überhaupt noch in die Top Ten schafft.
"Die nackten Zahlen sind ernüchternd und nicht das, was wir uns vorgestellt hatten", bilanzierte Bundestrainer Werner Schuster nach dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen entsprechend angefressen.
Genau wie Sven Hannawald, dem bis dahin letzten deutschen Tournee-Sieger, hat auch der 45 Jahre alte Coach eine mentale Schwäche bei seinen Schützlingen aus- und für deren bislang so enttäuschendes Abschneiden mitverantwortlich gemacht.
"Sie sind wieder am Kopf gescheitert", hatte Hannawald schon nach dem verkorksten Auftakt in Oberstdorf der "Bild" gesagt. Schuster blies nun ins gleiche Horn.
"Wir haben die Sportler über Jahre hinweg entwickelt. Sie haben auch schon einige Weltcup-Springen gewonnen", stellte der Österreicher fest: "Aber für die ganz großen Events, die Big Points sind sie noch nicht komplett genug."
Freund ist seinen Fluch noch nicht los
Anders als zuletzt vermutet, scheint das auch für Severin Freund noch immer zu gelten.
Mannschaftsgold bei Olympia, einen Monat später der Titel bei der Skiflug-WM: Der 26-Jährige hatte den Fluch des ewigen Talents, das kurz vor dem Ziel dann doch wieder scheitert, zu Beginn des Jahres endlich abgelegt.
Bei der Tournee verfällt er nun wieder ins alte Muster. Dass Freund das Potenzial für den Sprung aufs Podium besitzt, steht außer Frage - und wurde auch bei seinem starken zweiten Sprung in Garmisch-Partenkirchen wieder deutlich.
Mit den hohen Erwartungen des deutschen Publikums und den psychischen Strapazen, die diese zehntägige Hatz von einer Schanze zur anderen mit sich bringt, kommt der Bayer offensichtlich aber nicht zurecht.
So steht er zur Halbzeit auf Platz zwölf des Gesamtklassements - und vor einer weiteren herben Enttäuschung in seiner bis dahin wenig berauschenden Tournee-Geschichte.
Mäßige Aussichten für Freitag
Auch der mit viel Vorschusslorbeer ausgestattete Richard Freitag hatte mit den Podiumsplätzen bislang nichts zu tun.
Galt er nach seinem Sieg bei der Generalprobe in Engelberg noch als eine Art Geheimtipp, ist er neben Freund inzwischen das größte Sorgenkind im DSV-Team.
In der Gesamtwertung liegt Freitag aktuell auf Platz 13. In Innsbruck, der kommenden und zugleich vorletzten Station der Tournee, wurde er in den vergangenen Jahren zweimal Elfter und einmal Zwölfter.
Allzu große Sprünge sind von dem 23-Jährigen also nicht mehr zu erwarten.
Kraus avanciert zum Hoffnungsträger
Dafür aber vielleicht vom noch unerfahrenen Marinus Kraus, bei dem die Erwartungen deutlich niedriger als bei Freund angesetzt werden.
Der Team-Olympiasieger von Sotschi ist derzeit der Lichtblick im deutschen Ensemble, sprang in Oberstdorf auf den 18. und in Garmisch-Partenkirchen auf den 13. Rang.
Im Gesamtklassement belegt Kraus, der erst seit knapp zwei Jahren im Weltcup unterwegs ist und noch kein Springen gewonnen hat, den 15. Platz - und will möglichst noch die Top Ten entern.
Neumayer erfüllt die Erwartungen
Sphären, von denen die übrigen vier Mitglieder des inzwischen auf sieben Springer reduzierten DSV-Aufgebots, weit entfernt sind.
Doch anders als bei Freund oder Freitag hatte bei Michael Neumayer auch niemand ernsthaft mit einem Husarenstück gerechnet. Der 35 Jahre alte Routinier und Tournee-Dritte von 2008 hat seinen Zenit mittlerweile überschritten, springt solide und liegt aktuell auf Position 22 des Tableaus.
Auch die Leistungen der jungen Stephan Leyhe (17., unten im Bild) und Daniel Wenig (28.) gaben bislang wenig Anlass zur Kritik. Im Gegensatz zu Andreas Wank.
Warnung an Eisenbichler
Der Goldmedaillengewinner von Sotschi wurde nach zwei enttäuschenden Auftritten aus dem Aufgebot gestrichen und muss die verbleibenden zwei Wettbewerbe am Fernseher verfolgen.
Ein Schicksal, dem Markus Eisenbichler nur knapp entgangen ist. "Obwohl er bislang desaströse Leistungen gezeigt hat", nahm Bundestrainer Schuster den 54. der Gesamtwertung mit nach Österreich.
Dort soll Eisenbichler schnellstmöglich die Kurve kriegen. Genau wie Freund und Freitag. Die abgestürzten DSV-Adler.