Ralf Rangnick verstand die Welt nicht mehr.
Leipzigs Großangriff auf Bayern
Wutentbrannt verließ der Sportdirektor von RB Leipzig die VIP-Loge der Red Bull Arena, zückte sein Smartphone und stürmte unmittelbar nach dem Pausenpfiff beim Pokal-Kracher gegen den FC Bayern(5:6 n.E.) auf das Schiedsrichtergespann um Felix Zwayer zu.
Sein Versuch, den Unparteiischen mit dessen strittiger Entscheidung in der 34. Minute zu konfrontieren, schlug allerdings fehl. Die aufgewühlten Bayern-Stars hielten den wild vor sich hin fauchenden Rangnick auf. Es kam zu einer Rudelbildung, die sich im Kabinentrakt fortsetzte.
Ein Hauch von Clasico
Der emotionale Fight zwischen Meister und Vizemeister besaß in jenem Augenblick fast schon den Charakter eines Clasicos zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. (Pressestimmen: Ausland neidisch auf "Sauron gegen Darth Vader")
"Bösewicht" Rangnick wirkte dabei wie Jose Mourinho, der zu seiner Zeit als Real-Trainer regelmäßig Rudelbildungen mit dem Erzfeind provoziert hatte. Immerhin stach der RB-Boss am Mittwochabend niemanden mit seinem Finger ins Auge oder lauerte dem Schiedsrichter auf dessen Parkplatz auf.
Trotzdem war die Aktion des Funktionärs unsportlich. Vor allem die Gäste aus München reagierten erzürnt. (Alle Reaktionen zum Thriller in Leipzig im Volkswagen Pokalblog)
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlaubt oder gewollt ist. Sonst haben die Schiedsrichter ja demnächst nur noch Verantwortliche um die Ohren, die ihnen Szenen zeigen wollen", sagte der unmittelbar beteiligte Mats Hummels.
Bayern mit "ein bisschen Glück"
Rangnick drohen nach seinem Fehlverhalten Konsequenzen. Mit einer Geldstrafe und einem Platzverbot wird der 59-Jährige aber gut leben können. Wichtiger war ihm, ein Zeichen zu setzen. Nicht nur an den Referee, sondern auch an den Gegner.
Karl-Heinz Rummenigge beschrieb die 120-minütige Schlacht nicht grundlos als "Thriller". Der Vorstandsboss der Münchner musste mit ansehen, wie Leipzig sein Meisterteam über weite Strecken der regulären Spielzeit im Griff hatte.
Die von RB-Trainer Ralph Hasenhüttl bis in die Haarspitzen motivierte Truppe zeigte im Gegensatz zu den Gästen erfrischenden und zielgerichteten Fußball. Und sie kämpfte energisch. Angetrieben von einem unbändigen Willen, ekelig zu sein.
"Das war heroisch", lobte Hasenhüttl später seine Männer. Die Münchner brauchten sogar nach der Gelb-Roten Karte von Naby Keita in der 54. Minute ein hartes Stück Arbeit, um in der Höhle der Bullen zu bestehen. Und "ein bisschen Glück", wie Rummenigge zugab.
Bereit zum Großangriff
Die Bayern hätten sich nach dem Foul von Arturo Vidal an Emil Forsberg in jener 34. Minute nicht über einen Elfmeter und einen Platzverweis des Chilenen beschweren dürfen. Und Ersatzkeeper Sven Ulreich hielt sie bereits vor dem Elfmeterschießen mit einigen Paraden im Spiel.
Rummenigge kam deshalb zu dem Fazit, dass man in Deutschland "froh" über Leipzig sein solle. "Der Bundesliga tut ein solcher Klub gut. Mir gefällt nicht, wie sie in manchen Bundesliga-Stadien empfangen werden."
Von Lob allein können sich Hasenhüttl und Co. wenig kaufen. Die Unzufriedenheit über das frühe Pokal-Aus ist riesig. Was am Ende aber bleibt, ist der Eindruck von einer mutigen und leidenschaftlichen Mannschaft, die zu einem Großangriff auf die deutsche Spitze bereit ist.
Hasenhüttl macht Spieler besser
Die Leipzig-Macher haben dafür zweifellos viele Brause-Millionen investiert, aber noch mehr Fachwissen. Die Mannschaft ist nicht mit teuren Stars gespickt. Sie lebt von einer Mischung aus zuverlässigen Arbeitern und unglaublichen Talenten wie Abwehrrecke Dayot Upamecano oder Sturmjuwel Jean-Kevin Augustin.
Zudem schafft es Hasenhüttl, seine Spieler kontinuierlich besser zu machen. Der in der Verlängerung herausragende Torhüter Peter Gulacsi galt vor zwei Jahren für viele Experten nicht einmal als bundesligatauglich. Und Leistungsträger wie Willy Orban oder Emil Forsberg kamen aus der zweiten Liga mit hoch.
"Das war das dritte Spiel gegen die Bayern. Jetzt können wir sagen, wir haben ein Unentschieden geholt und am Wochenende kommt das vierte Spiel. Wenn wir so spielen, wie in der ersten Halbzeit, haben wir gute Chancen", sagte Gulacsi.
Im Bundesliga-Duell Samstag (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) gibt es im Gegensatz zum Pokalspiel dann auch den Videobeweis. Und Ralf Rangnick muss nicht mehr sein Smartphone zücken.