Es wird unvermeidlich sein, dass überall am Freitag dieselben Chöre erklingen. "On est chez nous" (Wir sind Zuhause) singen die belgischen Anhänger, wenn sie irgendwo die Hoheit erlangt haben. Zahlenmäßig. Und gesangstechnisch.
Wirbelwind Hazard muss im Heimspiel liefern
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Zum Viertelfinale zwischen Wales und Belgien im nordfranzösischen Lille (ab 20.30 Uhr in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER) ist das unvermeidlich. Mag der Außenseiter von der Insel noch so formidabel unterstützt werden: Gegen den Pilgermarsch der Flamen und Wallonen kommt er nicht an.
Bis zu 150.000 Belgier in Lille
Zutritt zum Stade Pierre-Mauroy im Vorort Villeneuve-d’Ascq werden offiziell 12.000 belgische Ticketinhaber haben, aber bis zu 150.000 Anhänger könnten in die Altstadt der Hauptstadt von Französisch-Flandern strömen, "um eine Riesenparty zu feiern", sagt Eden Hazard.
Der Kapitän der Roten Teufel muss es ja wissen. "Ich kenne die Stadt gut, das neue Stadion noch nicht. Es ist nett, dass ich jetzt wieder in Lille spielen kann, wo ich meine erste Erfahrungen als Fußballer gesammelt habe."
Den Star vom FC Chelsea zog es als 14-Jährigen zum OSC Lille, wo er in Windeseile durchstartete. Seine Technik, sein Tempo machten das Toptalent zur Luxusware. Für 40 Millionen Euro Ablöse wechselte das flinke Wiesel schließlich 2012 zu den Blues.
Stete Wankelmütigkeit
Neben diesem Preisschild trägt er aber auch das Synonym für Wankelmütigkeit mit sich. Einer, der abtaucht, wenn es eng wird. Das 70. Länderspiel wäre eine gute Gelegenheit für den Gegenbeweis.
Hazard weiß allerdings, dass ein Duell gegen die Waliser kein Selbstläufer ist: "Sie haben uns in der EM-Qualifikation einige Schwierigkeiten bereitet." Kein Sieg, kein Tor (0:0, 0:1).
"Wir müssen diesmal unsere Chancen besser nutzen", meint der 25-Jährige. Im offensiven Mittelfeld mit dem zentral agierenden Kevin De Bruyne und dem rechts postierten Dries Mertens hat Hazard die meisten Freiheiten, die er bislang bei vier Torbeteiligungen bestens nutzt.
Verletzungssorgen in der Abwehr
Gegen Wales muss der belgische Topstar aber noch einen weiteren Gang höher schalten.
Denn es fällt nicht nur Abwehrchef Thomas Vermaelen gesperrt aus, sondern es verletzte sich am Donnerstag auch noch Linksverteidiger Jan Vertonghen mit einem doppelten Bänderriss in der letzten Aktion des Abschlusstraining so schwer, dass die EM für den Tottenham-Profi beendet ist.
Vertonghen-Ausfall: "Sportliche Tragödie"
Für Nationaltrainer Marc Wilmots ist der Ausfall eine "sportliche Tragödie". Außerdem hatte Vertonghen bestens Hazard auf der linken Seite abgesichert. Fraglich, ob Jordan Lukaku, der jüngere Bruder von Mittelstürmer Romelu Lukaku, diese Fähigkeit auch einbringt.
Immerhin: Hazard hat seine Oberschenkelprobleme auskuriert. "Ich fühle mich gut, ich habe mittrainiert und nicht mehr viele Schmerzen", erklärte er auf der Pressekonferenz am Donnerstagabend.
Dass er auch als Sprachrohr vorgeschickt wird, bringt die Ernennung zum Kapitän nach dem EM-Ausfall von Vincent Kompany mit sich. "Für mich ist das neu. Ich muss noch vieles lernen."
Lausbub als dreifacher Vater
Der 1,73 Meter kleine Wirbelwind ist zwar in jungen Jahren schon dreifacher Vater, aber eher noch ein Lausbub, dem bitte nicht jeder Streich so übel genommen wird. Wilmots hat Hazard mit der Ernennung mehr Ernsthaftigkeit beibringen wollen, wobei Hazard gar nicht die komplizierte Kompany-Rolle als integrativer Faktor kopieren soll.
Es würde ohnehin misslingen. Der 47-Jährige erwartet nur, dass Hazard bitte auch im Viertelfinale so auftrumpft wie bei der Achtelfinal-Gala gegen Ungarn (4:0). "Ein Kapitän kann nicht immer mit dem Mund sprechen, er hat seine Füße sprechen lassen", lobte Wilmots danach in Toulouse.
In Lille erwarten nun auch ziemlich viele Landsleute die Wiederholung einer solchen Leistung.