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FC Chelsea, Melanie Leupolz über Nachholbedarf im Frauenfußball und Unterschied zu den Herren

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FC Chelsea, Melanie Leupolz über Nachholbedarf im Frauenfußball und Unterschied zu den Herren

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Leupolz schwärmt von der Insel

Melanie Leupolz entscheidet sich zu einem mutigen Schritt zum FC Chelsea. In der englischen Liga sieht sie mehr Potenzial und sogar Ähnlichkeiten zur Bundesliga.
Melanie Leupolz spielt seit Sommer 2020 für die Frauen des FC Chelsea
Melanie Leupolz spielt seit Sommer 2020 für die Frauen des FC Chelsea
© Imago
Lukas von Hoyer
Lukas von Hoyer

Im Sommer 2020 entschied sich Melanie Leupolz zu einem mutigen Schritt. 

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Obwohl sie Kapitänin des FC Bayern war, wechselte die deutsche Nationalspielerin auf die Insel - zu den Ladies des FC Chelsea.

Im SPORT1-Interview erklärt die 26-Jährige, was sie zu dem Schritt bewogen hat.

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Leupolz spricht auch über Vergleiche mit der Herren-Bundesliga und Nachholbedarf im deutschen Frauenfußball. 

Melanie Leupolz: "Das gibt es so nicht in anderen Ligen"

SPORT1: Frau Leupolz, Sie waren Kapitänin beim FC Bayern und haben sich im Sommer 2020 trotzdem zu einem Wechsel zum FC Chelsea entschlossen. Wie kam es dazu?

Melanie Leupolz: Ich denke, dass die englische Liga im Frauenfußball die interessanteste der Welt ist. Als sich diese Möglichkeit ergeben hat, hatte ich das Gefühl, dass ich sie jetzt wahrnehmen will.

SPORT1: Wie war denn der Abschied vom FC Bayern? Das fiel ja auch alles in Corona-Zeiten mit rein und war bestimmt nicht einfach, oder?

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Leupolz: Ja genau, da war dann der Lockdown. Wir konnten in Deutschland als einzige Liga bei den Frauen nochmal spielen, konnten die Saison beenden. Das war sehr wichtig für mich, weil sonst wäre es so aus dem Nichts gekommen dieser Abschied. So konnte man sich wenigstens darauf einstellen: "Ok, jetzt habe ich noch drei Spiele, jetzt habe ich noch zwei und so weiter". Aber ja, es war alles ein bisschen anders. Auch die Party, die wir dann noch machen konnten, war unter den Corona-Bedingungen eben nicht ganz so, wie man das gewohnt ist. Aber an sich konnte ich mich von allen gut verabschieden. Das Einzige, was mir ein bisschen gefehlt hat, war, dass ich mich von den Fans nicht verabschieden konnte.

SPORT1: Sie haben angesprochen, dass für Sie die englische Liga die interessanteste der Welt ist. Was macht sie dazu?

Leupolz: Sie ist sehr ausgeglichen, was die Mannschaften betrifft. Das Niveau ist auch relativ gleich. Natürlich hat man auch mal hohe Ergebnisse, aber oben an der Spitze ist es nicht so, dass man den Titel unter zwei Mannschaften ausmacht, sondern mehrere Teams spielen darum mit. Manchester United zum Beispiel hat eine enorme Entwicklung hingelegt, die sind erst seit Kurzem in der ersten Liga und spielen trotzdem schon um den Titel mit. Da wurde natürlich auch viel investiert in die Bedingungen, aber natürlich auch finanziell. Das Finanzielle sieht man auch an den Transfers, die jetzt im Sommer getätigt wurden. Auch Amerikanerinnen, die mehrfache Weltmeister sind, sind in die Liga gekommen, das wertet sie natürlich sehr auf. Ich finde auch die Vermarktung enorm spannend, man kann jedes Spiel live auf einem FA-Player anschauen. Das gibt es so auch nicht in anderen Ligen. Es wird viel im Fernsehen gezeigt, wir haben zum Beispiel auch unsere eigene Show auf Sky. Das wird dort ganz anders promotet.

"Wenn wir einen guten Platz haben, dann sieht das auch gut aus"

SPORT1: Denken Sie, dass die englische Liga einen wichtigen Schritt für den Frauenfußball geht, um in der Öffentlichkeit präsenter zu sein?

Leupolz: Ja, auf jeden Fall. Man merkt, dass hier das Ansehen ein anderes ist. Ich werde häufig angesprochen, was mich verwundert hat, da ich ja auch komplett neu bin. Die Leute interessieren sich wirklich für den Frauenfußball an sich, was ich supercool finde.

SPORT1: Hat Deutschland in der Hinsicht also noch Nachholbedarf?

Leupolz: Es wird anders dargestellt, was bedeutet, dass die Vermarktung auf einem anderen Niveau ist. Die Übertragungen werden mit vielen verschiedenen Kameras realisiert und nicht nur mit einer, wo man keine Slow-Motion hat und wirklich nichts sieht. Es ist alles sehr, sehr professionell, was die Bedingungen angeht. Da investiert auch die Liga an sich sehr viel. Sie haben hohe Standards, die die Vereine erfüllen müssen, um in der ersten Liga spielen zu dürfen. Dadurch ist die gesamte Qualität gleich viel höher. Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir weit vor den Deutschen sind, aber so Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die TV-Übertragungen, sind schon ein Alleinstellungsmerkmal. 

SPORT1: Was würden Sie sich persönlich wünschen, in welchen Bereichen sich der Frauenfußball mehr am Herrenfußball orientieren sollte - oder sollte er in eine ganze andere Richtung gehen?

Leupolz: Ich finde, dass man grundsätzlich an der Basis angreifen muss. Also gute Bedingungen im Verein, in den Stadien, in den Rasenplätzen der Stadien. Wenn man die Männer-Mannschaften auf einem Acker spielen lässt, dann sieht das natürlich auch nicht so flüssig und gut aus. Mittlerweile ist der Frauenfußball so athletisch, schnell und technisch versiert: Wenn wir einen guten Platz haben, dann sieht das auch gut aus und dann lässt sich das Ganze auch viel besser vermarkten. Durch den TV, aber auch durch Sponsoren, durch die dann wieder Geld reinkommt. Deshalb besteht die Basis eben aus den Bedingungen an sich.

Leupolz: "Kann man mit der Männer-Bundesliga vergleichen"

SPORT1: Wie ist Ihre Eingewöhnungszeit in London gelaufen, haben Sie sich mittlerweile gut eingelebt? 

Leupolz: Ja, total. Es war nicht ganz einfach, zumal auch bei der Wohnungssuche von Beginn an alles per Video ablaufen musste. An sich habe ich mich aber sehr schnell dran gewöhnt. Die Mannschaft hat mich superlieb aufgenommen, da sind wirklich tolle Charaktere. Ich habe mich von Anfang an wohl gefühlt. Das ganze Jahr spielt eigentlich nur der Fußball eine Rolle, deswegen habe ich mich auch ein bisschen darauf gefreut, London als Stadt kennenzulernen, die ganze Kultur zu erfahren. Jetzt ist eben alles fokussiert auf den Fußball, da es das Einzige ist, was wir machen dürfen, aber dadurch kann man das noch mehr genießen vielleicht. Mir gefällt es supergut auf der Insel, ich freue mich auf jeden Trainingseinheit, weil es so viel neuer Input ist. Man denkt, man spielt das gleiche Spiel, aber es ist doch irgendwie alles anders. Das Fußball-Leben an sich ist sehr, sehr cool und spannend. 

SPORT1: Das hört sich jetzt so an, als ob die Strukturen bei Chelsea professioneller sind als bei den Bayern. Ist das so?

Leupolz: Das ist schwer zu sagen. Es ist auf jeden Fall so, dass bei Chelsea die Bedingungen und die Strukturen sehr, sehr professionell sind. Die kann man wirklich mit der Männer-Bundesliga vergleichen. Alleine, welche Stellen wir haben, wenn man sich die Hierarchien in der Frauenabteilung anschaut: Wir haben einen Head of Performance, ich wusste davor gar nicht, was der macht. Wir haben unseren Sportdirektor, wir haben unser riesiges Trainerteam, auch der Medical Staff ist enorm groß. Wir haben drei feste Physios und einen Arzt, das kannte ich so aus dem Frauenfußball überhaupt nicht. Wir sind auch auf dem gleichen Trainingsgelände wie die Männer, haben also auch dort überragende Bedingungen. Der typisch englische Rasen bei jedem Training, das macht wirklich sehr viel Spaß. Auch bei den Spielen wird auf gute Bedingungen geachtet, da gibt es dann auch eine App, bei der man nach jedem Spiel bewerten kann, wie gut der Rasen ist, ob man sich verletzt hat, ob der Ball langsamer war, weil der Rasen zu stumpf war oder zu schnell, weil der Rasen zu nass war. Darüber bekommen die Vereine also auch ein bisschen Druck, sich um gute Bedingungen zu kümmern. Das finde ich gut. 

SPORT1: Bei den Chelsea-Herren gibt es derzeit mit Timo Werner, Kai Havertz, Antonio Rüdiger und Thomas Tuchel eine kleine deutsche Kolonie. Haben Sie Berührungspunkte zu den Herren, trainieren Sie vielleicht auch mal zusammen?

Leupolz: Nein, ich glaube, da wären die etwas unterfordert (lacht). Durch Corona bewegen wir uns in unserer Womens-Bubble und sie eben in ihrer Männer-Bubble, deshalb gibt es da überhaupt keine Berührungspunkte. Wir können aber in die Akademie beziehungsweise das Männer-Gebäude, wenn wir zum Beispiel den Pool benutzen müssen oder deren Ärzte mal um Rat fragen wollen. Ansonsten fanden früher auch gemeinsame Mittagessen in der Kantine statt, aber durch diese Testing-Bubble ist das jetzt alles separat und wir haben ja unser eigenes Gelände. Deshalb habe ich weder mit den Spielern noch mit Thomas Tuchel bisher gesprochen oder bin ihnen über den Weg gelaufen, da das alles sehr streng getrennt ist. 

SPORT1: Wenn Sie mal in den Pool müssen - das hört sich sehr hart an ...

Leupolz: Ja, man geht eigentlich nur in den Pool, wenn man verletzt ist. (lacht)

"Ein gutes Zeichen für den Frauenfußball"

SPORT1: Sie haben mit Adidas nun eine enorm große Kampagne und sind als erste Frau das Gesicht der legendären Copa-Fußballschuhe. Fühlen Sie sich als Vorreiterin und ist das für Sie ein Signal für die Bedeutung des Frauenfußballs?

Leupolz: Ja, auf jeden Fall. Früher kannte man immer nur die Gesichter aus dem Männerbereich, wenn es um die Schuhe ging. Dadurch, dass wir jetzt auch einen Schuh repräsentieren dürfen, ist das eine große Ehre für mich und auch ein gutes Zeichen für den Frauenfußball. Und deshalb freue ich mich auch, dass ich sozusagen das Gesicht des Copas sein darf und finde auch die Kampagne sehr spannend. 

Melanie Leupolz präsentiert die Copa-Reihe von Adidas
Melanie Leupolz präsentiert die Copa-Reihe von Adidas

SPORT1: Sie sind bereits seit über sieben Jahren deutsche Nationalspielerin. Im nächsten Jahr steht die Europameisterschaft an. Was haben Sie mit der Nationalmannschaft noch für Ziele?

Leupolz: Natürlich möchte man immer um Trophäen spielen, um Titel. Letztlich ist das, was bleibt, aber der Weg, den man bis dahin geht und die ganzen Erfahrungen, die man in den Teams macht. Auf dem Platz, neben dem Platz, die Freundschaften, die man knüpft. Deshalb kann ich gar nicht sagen, ich möchte das und das noch in meiner Karriere erreichen und dann bin ich glücklich und kann aufhören. Wir sind sehr traurig darüber, dass wir bei Olympia nicht mit dabei sein können, das haben wir eben bei der WM versäumt, uns da zu qualifizieren. Wir haben Olympia zuletzt gewonnen, deshalb ist es umso schwerer. Aber ansonsten blicken wir natürlich auf die EM in England, das wird superspannend. Das ist dann sozusagen ein Heimspiel für mich, ich kenne dann vielleicht schon das eine oder andere Stadion. Danach schauen wir natürlich auch auf die nächste WM. Australien ist ein überragendes Land. Als Deutschland möchte man natürlich immer um den Titel mitspielen, das sind unsere Ambitionen. Darauf arbeiten wir natürlich hin und bereiten uns so gut es geht vor.

SPORT1: Was haben Sie im Nationalteam nach der Enttäuschung verändert?

Leupolz: Wir haben jetzt nicht das eine verändert, weil wir nicht herausstellen konnten, dass es an einer Sache lag. Wir müssen den gesamten Prozess verbessern und uns kontinuierlich verbessern - und zwar in allen Bereichen. Man muss auch sagen, dass wir mit der Trainerin nicht allzu lange Zeit hatten, uns auf die WM vorzubereiten. Das war relativ kurzfristig. Da finden natürlich auch noch Kennenlernprozesse statt. Es gab auch relativ viele neue Spielerinnen bei dem Turnier und jetzt durch Corona hatten wir auch die Zeit, da eben keine Spiele stattfinden konnten und die EM ein Jahr nach hinten verschoben wurde, dass wir uns finden und dass wir an Details arbeiten können. Das ist auch absolut notwendig, weil andere Nationen total aufholen. Es ist nicht mehr so, dass es einfach ist, alles zu gewinnen. Deshalb müssen wir uns da auch als Nationalmannschaft tagtäglich weiterentwickeln und das beginnt bei der Vereinsarbeit. Und wenn wir uns treffen, dann eben auch bei den Lehrgängen.

SPORT1: Sie haben vorhin gesagt, dass es nur noch Zeit für Fußball gibt. Wie ist das bei Ihnen privat, können Sie auch abschalten oder spielt der Fußball dort auch eine übergeordnete Rolle?

Leupolz: Ja, ich habe dann relativ wenig mit Fußball zu tun, ehrlich gesagt. Die Tage sind relativ eintönig. Man freut sich noch mehr aufs Training, weil dass die einzige Möglichkeit ist, Freunde und andere Leute zu sehen. Bei uns sind ja die Corona-Regeln im Land nochmal deutlich strenger. Man kommt nach Hause und hat nicht viel zu tun. Ich bin glücklich, dass ich meine Master-Thesis schreiben darf, und damit ein bisschen Zeit verbringe. Es ist ja auch gut, die Zeit jetzt dafür zu nutzen, damit dann später, wenn dann alles wieder auf ist, man sich nicht mit der Uni herumschlagen muss. Aber an sich sind die Tage schon sehr, sehr gleich immer und ich freue mich auf jeden Fall, wenn die Zeiten wieder anders sind. 

SPORT1: In welchem Fach schreiben Sie Master-Thesis?

Leupolz: Mein Studiengang heißt Wirtschaftspsychologie, Leadership und Management. 

SPORT1: Sie denken also schon an die Zeit nach der Karriere. Haben Sie da schon konkrete Pläne?

Leupolz: Nichts Konkretes. Aber mir waren Schule und Studium schon immer sehr, sehr wichtig. Ich habe parallel erst den Bachelor gemacht, jetzt meinen Master. Ich kann mir auch nicht vorstellen, später mal Trainerin zu werden oder direkt in diesem Fußball-Business zu bleiben. Ich freue mich, wenn ich mein Wochenende wieder habe (lacht).