Es ist so eine Sache mit Alternativen. Wer seine Ideen als alternativlos bezeichnet, ist schon auf den Holzweg abgebogen. Wer sich dann vielleicht auch selbst alternativlos glaubt, ist schon fast auf dem Abstellgleis. Diese Erfahrung durfte gerade Alexander Zorniger beim VfB Stuttgart machen.
Zorniger-Nachfolge: Ein Fall für Favre
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In einer offenen Welt gibt es immer Alternativen, zu allem und jedem. Manchmal sind diese aber rar gesät – vor allem wenn man vorher allzu stolze und vollmundige Leitbilder entworfen hat. Diese Erfahrung darf nun Robin Dutt machen – schon wieder.
Stuttgarter Weg soll fortgesetzt werden
Der rhetorisch durchaus begabte Sportvorstand hatte im Sommer nach dem denkbar knapp geschafften Klassenerhalt den "Stuttgarter Weg" propagiert, mit dem der VfB endlich die "Abwärtsspirale" durchbrechen sollte.
"Wir wollen einen Fußball zeigen, der sich durch Mentalität, Emotionalität und Aktivität auszeichnet. Auf dem Platz bedeutet das, dass wir den Ball nach Ballverlust schnell wieder zurückerobern und nach Ballgewinn durchaus auch risikoreich und mutig nach vorne spielen wollen", erklärte Dutt damals im Interview mit SPORT1.
"Wir werden mit allem Nachdruck an der Lösung arbeiten, die dann wieder langfristig unseren Weg mitgeht", sagte Dutt jetzt.
Sprich: Der VfB soll weiter für Spektakel stehen, für Vorwärtsverteidigung, die Spieler sollen weiter den Ballen hinterherjagen. Nur eben etwas weniger kopflos als zuletzt, und vor allem: erfolgreicher.
VfB-Offensive top
Mutig, vorwärtsverteidigend, langfristig und erfolgreich, das klingt verdammt nach: einem Fall für Favre. Lucien Favre hat nicht nur in Mönchengladbach gezeigt, dass seine Idee vom Fußball den Dutt'schen Idealen sehr nahe kommt, wahrscheinlich sogar am nächsten von allen verfügbaren mehr oder weniger deutschsprachigen Trainern auf dem Markt.
Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten wäre der auch gar nicht abgeneigt. Ab der Winterpause könnte der nach seinem überstürzten Abgang in Gladbach urlaubende Favre demnach bereit stehen, vielen Fans wäre er ohnehin am liebsten. Mentalitätsmäßig wäre der grüblerische Westschweizer auch nicht weit entfernt von den zur Melancholie neigenden und gerne vor sich hin bruddelnden Schwaben.
Zudem würde Favre in Stuttgart eine Mannschaft vorfinden, die viel eher seinen Vorstellungen entspräche, als das zu seinen Anfangszeiten in Gladbach der Fall war. Die Offensive verfügt über sehr hohe Qualität, Filip Kostic etwa ist nominell sicher nicht schlechter als Fabian Johnson, Daniel Didavi kann am Ball fast alles, Daniel Ginczek wird auch irgendwann wieder fit sein und in Timo Werner steht sogar ein Spieler im Kader, der sich zu Favres Stuttgarter Raffael entwickeln könnte. Ein, zwei taugliche Verteidiger im Winter, ein wenig das Mittelfeld ordnen und den Spielern die Naivität austreiben, dann müsste der VfB eigentlich zu retten sein.
Stuttgarter fischen am liebsten im eigenen Teich
Aber zum Stuttgarter Weg gehörte in den letzten Jahren auch, vorzugsweise im eigenen Teich zu fischen. Die Spätzle-Connection hielt zusammen, die letzten Trainer und Manager waren entweder alte Bekannte mit Stallgeruch (Markus Babbel, Thomas Schneider, Jens Keller, Armin Veh, Huub Stevens bei ihren zweiten Amtszeiten, Ex-Manager Fredi Bobic und zuletzt Zorniger) oder sonst geartete Freunde des Hauses, für die sich Strippenzieher im Umfeld verbürgt hatten. Jetzt hat sich auch noch Christoph Daum hoffnungsfroh selbst ins Gespräch gebracht.
Das alles ist an sich gar nicht so ungewöhnlich in der Liga, beim VfB trieben die engen Bande aber zuletzt auch seltsame Blüten. Als zum Beispiel Ende letzten Jahres Klub-Boss Bend Wahler und Robin Dutt verhandelten, wurden sie vom selben Rechtsanwalt beraten, der zufällig auch recht gut mit Zorniger und dessen früheren Chef bei RB Leipzig, dem Ex-Stuttgarter Ralf Rangnick, bekannt ist.
Reflexartige Lösungen
Nicht ehrenrührig, aber mitunter versperren allzu enge Bande den Blick über den Tellerrand. So lassen sich auch die zwei derzeit als favorisiert geltenden Kandidaten Tayfun Korkut und Jos Luhukay betrachteten. Der frühere 96-Coach Korkut ist kein Vorwärtsverteidiger, aber Schwabe und kennt den VfB. Luhukay hat bewiesen, aus recht wenig sehr viel machen zu können. Aber das ist, wie geschrieben, beim VfB wohl gar nicht nötig, es ist ja schon ziemlich viel da. Ansonsten ist Luhukay weder Vorwärtsverteidiger noch Schwabe, könnte aber wohl genug Bürgen finden. Sie wären beide eher reflexartige als logische Lösungen.
Favre dagegen ist kein Netzwerker, sondern einfach nur ein richtig guter Trainer. Die VfB-Bosse müssten, so Favre denn wirklich nach Stuttgart will, über ihren Schatten springen.