Es ist leicht, sich von Mario Götzes Profilen bei Instagram und Twitter abschrecken zu lassen, wenn man nicht auf grüne Smoothies steht. Oder auf Yoga. Oder älter ist als 16. Oder kein Fan von Justin Bieber.
Schein und Sein des Mario Götze
© SPORT-Grafik: Gabriel Fehlandt/Getty Images/Instagram/Imago
All das findet Platz unter Hashtags wie #PartofMario, #halfofgoetze, #lovethisgame oder #PersonalPath. Auch in Zeiten, die sportlich so gar nicht ins Bild von #mario passen.
Seit Monaten kämpft Götze nach seiner Muskelverletzung im Adduktorenbereich um den Anschluss an die erste Elf des FC Bayern. Bislang erfolglos, auch nach erfolgreicher Genesung.
Speziell die letzten Wochen müssen ihn durchgerüttelt haben. Achtmal stand er seit seiner Rückkehr im Bayernkader. Einsatzbilanz: 54 von 720 möglichen Minuten.
Götzes Fan-Gemeinde wächst
Und die Netz-Marke Götze? Wächst und wächst. 5,4 Millionen Abonnenten bei Instagram, über drei Millionen Follower bei Twitter. Kein Bayernspieler hält da mit. Götzes Fans halten zu ihm, egal was auf dem Platz passiert. Oder eben wenn gar nichts passiert mit ihm auf dem Platz.
Wenn er kurz nach seiner Verletzung aus dem Irland-Länderspiel im vergangenen Oktober ein Selfie von sich im Bett mit Mutmacher-Botschaft sendet, dann gefällt das 136.000 Menschen, 1500 kommentieren und wünschen meist schnelle Besserung.
Götze lässt seine Fans teilhaben an seinem Leid. Ein böses Wort würde er dabei nie verlieren. Schon gar nicht über Trainer Pep Guardiola, der gerade nicht auf ihn setzt.
Höchstens zeigt er mal seinen Frust über seine Verletzung. Schon wieder Reha, schon wieder Training alleine: "Same shit, different day." Gleichzeitig vermarktet er seine Rekonvaleszenz in Versalien unter dem Schlagwort #COMEBACKMARIO.
Mehr Schein als Sein?
Überstrahlt der Schein also das Sein in Götzes Onlinewelt? Ein akuter Fall von Realitätsflucht? Auch vor den Kameras äußert er sich so defensiv wie möglich über seine Zukunft, sowohl hinsichtlich der verbleibenden Spiele dieser Saison als auch der Zeit ab dem Sommer.
Gegen Juventus im Achtelfinale der Champions League saß er 210 Minuten lang auf der Bank, schrieb danach wie immer in möglichst leicht verständlichem Englisch: "Historic evening yesterday! Great team - well done!"
Vom Spiel in Dortmund (90 Minuten auf der Bank) bleibt bei Götze ein Foto zusammen mit Marco Reus übrig. "Great seeing you, champ!", freut er sich, den alten Kumpel wiederzusehen. Everybody's happy in Götzes bunter Welt.
Was er wirklich denkt, ist nur schwer herauszufinden. Götze baut einen glitzernden Schirm vor sich auf. Zu oft ist er aus seiner Sicht missverstanden worden.
Götze überzeugt sportlich
Wie im August vor dem Start der Saison, als er zu SPORT1 sagte: "Es wird sich herausstellen, ob der Trainer öfter mit mir spricht." Indirekte Kritik an Guardiola. Nach einem medialen Sturm teilte er mit, seine Aussage sei falsch interpretiert worden.
Ob Guardiola danach tatsächlich "mehr" mit Götze sprach, wissen nur die beiden. Auf jeden Fall spielte Götze regelmäßig, kam vor seiner Verletzung in elf von zwölf Pflichtspielen zum Einsatz, fünfmal über 90 Minuten.
Beim 5:1 gegen Dortmund Anfang Oktober schoss er ein Tor und legte ein weiteres auf, sein bester Auftritt dieser Saison. In der vergangenen Spielzeit hatte er 48 von 52 Pflichtspielen bestritten, 40 davon in der Startelf, 20 über die volle Distanz.
Widersprüche in der Wahrnehmung
Trotzdem reden viele über ihn wie über einen definitiv in München Gescheiterten. Noch so ein Widerspruch.
Vom vergangenen Jahr blieben die Bilder hängen, wie Götze beide Male im Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona und im Pokal-Halbfinale gegen den BVB jeweils auf der Bank saß. Obwohl den Bayern zahlreiche Spieler fehlten.
Schon damals hieß es: Guardiola vertraut ihm nicht. Genau wie er ihm jetzt nicht vertraut in der entscheidenden Phase der Saison.
Argumente pro Götze hören sich oft an wie Ausreden. Ja, er war lange verletzt. Ja, er kommt in einer Phase zurück, wo der Druck am größten ist und Guardiola nicht viel Zeit bleibt zum Experimentieren, sondern er einen eingespielten Stamm braucht. Ja, in der vergangenen Saison schwächelte er punktgenau vor den großen Spielen.
Beim FC Bayern wird Götze wohl immer im Mittelpunkt stehen, egal wie der Trainer heißt. Und das auch wegen vergleichsweise nichtssagender Internetbotschaften.