Lucien Favre reagierte dünnhäutig. "Wir haben gewonnen, nur das Ergebnis zählt", sagte Borussia Dortmunds Trainer und schob noch ein einzelnes Wort hinterher: "Oder?" So als wolle er sich versichern, dass er unbedingt Recht hat mit seiner Einschätzung.
Gereizter Favre in der Kritik
Ausgerechnet Favre, der Verfechter des schönen Spiels, wurde nach Dortmunds zittrigem 2:1-Sieg gegen den FSV Mainz 05 zum Pragmatiker.
Führung bringt keine Selbstsicherheit
Dabei wurde die Borussia – wie eine Woche zuvor bei der 0:5-Klatsche in der ersten Halbzeit beim FC Bayern – nach dem Seitenwechsel an die Wand gespielt. Diesmal hieß der Gegner Mainz, nicht München. Diesmal hatten die Dortmunder eine eigentlich beruhigende 2:0-Führung durch zwei Tore von Jadon Sancho im Rücken und über 80.000 meist wohlgesinnte Fans im Signal Iduna Park um sich. (SERVICE: Spielplan der Bundesliga)
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Selbstsicherheit brachte all dies nicht, im Gegenteil. Wäre der Ball kurz vor Schluss nur ein paar Zentimeter weiter über die Torlinie des BVB gerollt, hätten die Mainzer nicht zweimal den Pfosten getroffen und hätte Torhüter Roman Bürki - teilweise im Sekundentakt – nicht so glänzend pariert: der BVB wäre nicht zumindest bis zum Spiel der Bayern am Sonntag bei Fortuna Düsseldorf (Bundesliga: Fortuna Düsseldorf - FC Bayern, Sonntag ab 15.30 Uhr im LIVETICKER) wieder Spitzenreiter, sondern hätte womöglich den Knockout im Titelkampf erlitten.
"Dann haben sie das System gewechselt ..."
Wie das passieren konnte? Für TV-Experte Lothar Matthäus war die Sache klar. "Es war in der zweiten Halbzeit kein Konzept festzustellen - weder vorne noch hinten", sagte Deutschlands Rekordnationalspieler als Sky-Experte. Ein klarer Seitenhieb auch Richtung Favre.
Der Schweizer versuchte sich zu rechtfertigen. "Wenn wir das 3:0 machen, ist die Sache durch. Dann haben sie das System gewechselt – Raute statt 5-3-2. Und da hatten wir Probleme, das zu verteidigen, weil unsere Links- und Rechtsverteidiger zu häufig in Eins-zu-zwei-Situationen geraten sind. Das war das Problem", erklärte Favre.
Matthäus wollte diese Erklärung so nicht stehen lassen und reagierte prompt: "Wenn die Außenverteidiger alleine stehen, müssen Sancho und Bruun Larsen eben zurückarbeiten." Nach Matthäus' Ansicht hätte Favre auf die Mainzer Umstellung adäquat reagieren müssen.
Es war ja auch nicht das erste Mal in dieser Saison, dass die Dortmunder nach einer Führung noch in Schwierigkeiten gerieten. In Erinnerung ist vor allem das 3:3 gegen Hoffenheim nach 3:0-Führung.
Matthäus moniert "kaputten Eindruck"
"Dortmund macht einen müden und kaputten Eindruck. Sie haben nach dem Seitenwechsel keine Zweikämpfe angenommen, sind nicht einmal mehr in die Zweikämpfe gekommen", sagte Matthäus weiter: "Entweder haben die Spieler Angst gehabt vorm Gewinnen oder sie waren wirklich kaputt."
Kapitän Marco Reus gab derweil zu: "Es war nicht unser Plan, dass Roman Bürki uns die drei Punkte retten muss. Die zweite Halbzeit war einfach schlecht. Keine Ahnung, warum wir da nicht mehr Fußball gespielt haben. Das ist unerklärlich. Das darf uns nicht passieren, Mainz war eigentlich tot." (SERVICE: Tabelle der Bundesliga)
Reus' Rat für den Titel-Thriller
Am Ende hätte dieser Ausdruck fast auf den BVB zugetroffen.
"Natürlich ist es irgendwann auch eine Frage des Kopfes, das spielt einfach eine Rolle. Wir haben viele junge Spieler", befand Reus und gab seiner Mannschaft für die letzten fünf Spiele im Titel-Thriller einen Rat mit auf den Weg: "Ich finde, man sollte das auch nicht ausblenden, sondern man muss damit leben und dagegen ankämpfen mit einer gewissen Lockerheit und Spaß."