Vier Männer sitzen an einem riesigen Schreibtisch und blicken in die Kamera. Alle vier haben Schutzmasken auf, sie sitzen in gebührendem Abstand voneinander.
Davies' Aufstieg zum Bayern-Star
Einer hält einen Stift in der Hand, vor ihm liegt ein Papierstück. Auf dem Tisch platziert ist ein rotes Trikot des FC Bayern München mit dem Schriftzug 2025, darunter steht der Name Davies.
Vertragsverlängerungen in Corona-Zeiten: Der FC Bayern demonstriert bei der Unterschrift von Alphonso Davies die neue Wirklichkeit im April 2020.
Unter den Masken, das darf man annehmen, verbergen sich trotz der gespenstisch anmutenden Atmosphäre, freudige Gesichter. Bei Davies selbst - vor allem aber auch bei den drei Bayern-Chefs.
Kovacs Glücksgriff auf der linken Abwehrseite
Karl-Heinz Rummenigge, Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn dürfen sich auf die Schultern klopfen, den 19-jährigen Shootingstar jetzt mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet zu haben - der ersehnte Vollzug dessen, worüber SPORT1 erstmals bereits am 26. Februar berichtet hatte.
"Alphonso hat beim FC Bayern eine sehr gute Entwicklung genommen", sagte Vorstandsvorsitzender Rummenigge über den Teenager, der vor gut einem Jahr den Sprung von Vancouver an die Säbener Straße gewagt hatte.
Mit seiner Einschätzung hat Bayerns Vorstandsboss sogar noch untertrieben. Davies' Leistungskurve nahm, beginnend mit dem 9. Spieltag der laufenden Saison, einen immer steileren Verlauf nach oben, bevor die Coronakrise den Fußball zum Stillstand brachte.
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Noch unter Ex-Trainer Niko Kovac spielte sich der Kanadier in die Stammelf der Münchner und profitierte zunächst vom Verletzungspech seiner Teamkameraden. Weil David Alaba in der Innenverteidigung aushelfen musste, stellte Kovac den eigentlich offensiver ausgerichteten Davies kurzerhand auf die linke Abwehrseite - ein echter Glücksgriff.
Seit jenem Spiel gegen Union Berlin stand Davies immer in der Startelf, weil auch Kovac-Nachfolger Hansi Flick nicht mehr auf den Youngster verzichten wollte.
Robben: "Meine Kinder lachen sich kaputt"
Seine raketenhaften Antritte lassen die Fans raunen, doch vor allem seine defensive Stabilität machten "Phonzie" zum Überraschungshit der Saison. "Am Anfang war das vielleicht ein bisschen ungewohnt für ihn als Linksverteidiger, aber er hat es super gemacht", sagte kürzlich Arjen Robben. "Ich muss ja immer lachen, und auch meine Kinder lachen sich kaputt, wenn er anfängt zu sprinten. Er ist ja sowas von schnell."
Für Thomas Müller, der die pfeilschnellen Kingsley Coman und Serge Gnabry an seiner Seite hat, ist Davies in Sachen Tempo das Maß der Dinge beim Rekordmeister. "Der Junge ist gesegnet mit einem Körper und einem Sprint. Das hatten wir so noch nicht bei Bayern."
Davies' kometenhafte Aufstieg ist umso erstaunlicher, wenn man seine Wurzeln kennt. Er wurde in einem Flüchtlingslager in Ghana geboren, nachdem seine Eltern dem Bürgerkrieg in Liberia entfliehen wollten. Erst im Alter von fünf Jahren gelang ihm, den beide jüngeren Geschwistern und seinen Eltern die Ausreise nach Kanada, wo Davies schon früh zum Familieneinkommen beitragen musste.
Trotz der schwierigen Umstände konnte Davies in Edmonton, wo er aufwuchs, seiner Leidenschaft nachgehen und sich dem örtlichen Fußballverein anschließen. Über mehrere Stationen landete er bei den Vancouver Whitecaps, wo ihm 2018 der endgültige Durchbruch gelang.
Star in den sozialen Netzwerken
Mit der Referenz von 31 MLS-Einsätzen und acht Treffern verpflichteten ihn schließlich die Bayern im Juli 2018, auch wenn man an der Säbener Straße noch ein halbes Jahr lang warten musste, bis er volljährig wurde und nach München umzog.
Seine sportliche Stärke ist die eine Seite, die Davies zum Liebling der Fans machte - seine komödiantische die andere. Mit seiner Interpretation von Whitney Houstons "I will always love you" sorgte er für einen vollen Erfolg in den sozialen Netzwerken, ebenso wie bei seiner Parodie der Erfolgsserie "Brooklyn Nine-Nine".
Vor allem über die neue Video-App Tiktok verbreitet Bayerns Sonnyboy Kurzclips im Dauerfeuer - sehr zur Freude seiner Anhänger und Teamkollegen.
Fast schon vergessen sind die Zeiten, als Davies noch so etwas wie ein Schattendasein in München fristete.
"Ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt"
Im April vergangenen Jahres hatte Jérôme Boateng zur großen Sause in der Münchner Diskothek "P1" geladen. Unter den Gästen war auch Davies.
Der damalige Neuzugang war zu dieser Zeit noch so frisch beim FC Bayern, dass er in einem anderen Raum unerkannt mit Joshua Zirkzee feiern konnte, während die Stars im abgetrennten VIP-Bereich ihre eigene Party zelebrierten, um sich inmitten hunderter Gäste abzuschirmen.
Diese Zeiten sind vorbei - aber beim FCB sind sie darüber alles andere als traurig. "Er begeistert unsere Fans nicht nur mit seiner Spielweise, sondern auch mit seiner Art neben dem Platz", frohlockte Rummenigge bei Davies' Vertragsverlängerung.
Und Davies selbst? "Ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt", sagte er nach seiner Unterschrift. Da spielt es auch keine Rolle, dass das die freudigen Gesichter durch die Masken verdeckt blieben.