Das war dann also die "erste" Bundesliga-Runde der neuen Zeitrechnung, zunächst mal ohne Publikum im Stadion. Werder hat's zum Abschluss am Montagabend direkt auf die Spitze getrieben - nicht nur auf den Rängen, auch im Bremer Spiel herrschte absolute Leere.
Restart: Die Gewinner und Verlierer
Drei Gewinner und drei Verlierer des Geisterspieltags, auf den ganz Fußball-Europa schaute. Was für einige dann auch nicht wirklich super war.
Bei Werder gibt es wenig Grund zur Hoffnung
Verlierer Werder Bremen: Hinter den Kulissen kreiste noch während der Partie gegen Leverkusen (1:4) die Frage, was die denn eigentlich gemacht hätten während der langen Pause.
Von einer hervorragenden Fitness, die Trainer Florian Kohfeldt im Vorfeld hervorhob, war ebenso wenig zu sehen, wie davon, dass Bremen die Riesenprobleme zum Beispiel im Abwehrverhalten korrigieren konnte.
Wieder eine Heimpleite, die neunte schon, wieder Standard- und Kopfball-Gegentore, insgesamt jetzt 59 kassierte Treffer - die Zahlen sind unterirdisch. Und der Bremer Kader, der wie zusammengewürfelt wirkt, gibt selbst größten Optimisten nur wenig Grund zu Hoffnung.
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Labbadia Gewinner und Verlierer
Gewinner Bruno Labbadia: Er liefert einfach, wenn es eng wird. Erst Ostermontag lernte der Trainer seine neuen Spieler kennen, mitten in Zeiten der neuen Abstandsregeln, als Mannschaftssport gar nicht erlaubt war. Na und? Auswärts in Hoffenheim, beim 3:0, spielte Hertha direkt Labbadia-Fußball.
Emotional, selbstbewusst und immer wieder schnell nach vorne. Labbadia kann Mannschaften vor einem Absturz retten, das hat er oft gezeigt - doch er kann er eben auch richtig stark lenken und ist, sagen die Chefs bei Hertha, genau die Führungskraft, die ihnen auf der Trainerposition seit Jahren fehlte.
Ruhig Blut, sagen andere, zurecht. Aber Labbadia scheint Hertha im Griff zu haben, statt andersherum. Freitag wollen sie Union zeigen, wie geil sie wieder auf Fußball sind - dank Bruno Labbadia, ihrem neuen Mr. Vollgas.
Verlierer Bruno Labbadia: Was für eine blöde Aussage, angesprochen auf die Jubeltraube seiner Spieler nach dem 3:0, mit jeder Menge Körperkontakt. "Emotionen gehören ein Stück dazu, sonst brauchen wir dieses Spiel nicht zu spielen", sagte Labbadia, der dann noch nachlegte: "Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht wie im Kirchenchor auftreten."
Doch - denn darum geht es jetzt. Um die Gesundheit und ein vorbildhaftes Auftreten. Und überhaupt nicht darum, seinen Gefühlen zu folgen. Dass "vernünftiger", den besonderen Umständen und DFL-Empfehlungen entsprechender Jubel sehr wohl möglich ist, zeigten andere am Wochenende. Hertha verhielt sich enttäuschend.
Brandt mit ganz feinen Füßen
Gewinner Julian Brandt: Wie viel Spaß machte bitte der Auftritt von Borussia Dortmund gegen fast anteilslose Schalker? Und wer hatte, im superguten BVB-Spiel nach vorne, einen riesigen Anteil daran? Genau, Julian Brandt, 24, dieser Bewegungskünstler mit den zwei ganz feinen Füßen und Augen, die scheinbar mehr sehen als die der meisten Kollegen.
Zwei direkte Vorlagen, dazu zwei Vor-Vorlagen, jeweils Pässe, die nur ganz wenige spielen können: Brandt ist ein großes Stück BVB-Gegenwart und -Zukunft. Drei Jahre bleibt er sicher noch in Dortmund, da sind sie sicher. Die BVB-Stürmer, die er so irre gut bedient, können sich freuen. Von den Fans ganz zu schweigen.
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Verlierer Julian Nagelsmann: Er hatte alles in diesen "ersten" Spieltag gelegt, in das Heimspiel gegen Freiburg, wollte ein RB-Ausrufezeichen senden - nach ganz Europa. Die gesamte Motivationslinie fußte im Grunde auf der Bedeutung des Re-Starts. Nagelsmann im Kicker: "Die ganze Situation ist wie vor einem Turnier: Man hatte eine kurze Pause, dann eine lockere und jetzt eine schärfere Vorbereitung. Diese neun Spiele sind wie eine EM, und die wollen wir gewinnen."
Pustekuchen - zumindest was die budgetierten drei Punkte gegen Freiburg betrifft. Am Ende 1:1, nur mit Glück keine Last-Minute-Niederlage (weil Höler knapp im Abseits stand). Jetzt direkt zwei Punkte hinter Plan - und schon sieben hinter den Bayern. Wer Nagelsmann kennt, weiß, wie ihn so etwas nervt. Er setzt seine Pläne wahnsinnig gerne um, erst recht, wenn er öffentlich über sie spricht.
Gewinner DFL: Die Deutsche Fußball-Liga hat über zwei Monate hart am Bundesliga-Comeback gearbeitet, an allen Fronten. Vereine, Politik, Mediziner, Sponsoren, Fans - alle hatten ihre Wünsche und beinahe jeder eine eigene Meinung, wie und wann Deutschlands wichtigste Sport-Liga wieder starten sollte.
Christian Seifert, der Chef der DFL, manövrierte den plötzlich wankenden Profifußball-Tanker durch die bei weitem unruhigsten Wochen seiner 15-jährigen Amtszeit. Stand heute mit Erfolg.
Keiner weiß, wie sich die Corona-Situation entwickelt, aber das DFL-Geschäft, an dem so viele hängen, einige wie am Tropf, ist wieder angelaufen. Das Konzept greift, der Ball rollt, zumindest im Moment, der 26. Spieltag der Saison 2019/2020 hat sporthistorische Bedeutung. Und die DFL darf zumindest mal kurz und ganz tief durchatmen.
Tobias Holtkamp, der Autor dieses Textes, war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt Holtkamp als Chef-Kolumnist die wöchentliche "Bundesliga-Kolumne".