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Boenisch über Bundesliga-Interviews: "Mich kotzt es an"

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Boenisch über Bundesliga-Interviews: "Mich kotzt es an"

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Boenisch: "Mich kotzt es an"

Der frühere Werder-Verteidiger Sebastian Boenisch findet im SPORT1-Interview deutliche Worte. Er vermisst Typen wie Frings und Wiese - nicht nur in Bremen.
Sebastian Boenisch blickt mit Sorge auf den SV Werder Bremen
Sebastian Boenisch blickt mit Sorge auf den SV Werder Bremen
© SPORT1-Grafik: Marc Tirl/Getty Images/Imago
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Sebastian Boenisch hatte seine erfolgreichste Zeit als Profi bei Werder Bremen, war Teil der Siegerelf im DFB-Pokal 2009, stand im selben Jahr im Finale des UEFA-Pokals. Der Kontrast zur aktuellen Situation seines ehemaligen Klubs beschäftigt den 33-Jährigen in entsprechendem Maße.

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Der deutsch-polnische Verteidiger, nun aktiv beim 1. Wiener Neustädter SC, spielte zwischen 2007 und 2012 für Werder und blickt mit Sorge auf den drohenden Abstieg und das Alles-oder-Nichts-Spiel der Bremer beim FSV Mainz 05 (Bundesliga, 33. Spieltag: 1. FSV Mainz 05 - SV Werder Bremen ab 15.30 Uhr im LIVETICKER).

Im SPORT1-Interview blickt Boenisch - 2009 U21-Europameister mit Mesut Özil, Jerome Boateng und Mats Hummels, später polnischer Nationalspieler - auf die Lage in Bremen und findet klare Worte, nicht nur in Bezug auf Bremen, sondern auch über einen Mangel an Typen und weichgespülte Spielerinterviews.

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TURIN, ITALY - OCTOBER 01:  Kevin Volland of Bayer Leverkusen in action during the UEFA Champions League group D match between Juventus and Bayer Leverkusen at Juventus Arena on October 1, 2019 in Turin, Italy.  (Photo by Pier Marco Tacca/Getty Images)
Moenchengladbach's French forward Marcus Thuram eyes the ball during the German first division Bundesliga football match Eintracht Frankfurt v Borussia Moenchengladbach on May 16, 2020 in Frankfurt, western Germany as the season resumed following a two-month absence due to the novel coronavirus COVID-19 pandemic. (Photo by Michael Probst / POOL / AFP) / DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO (Photo by MICHAEL PROBST/POOL/AFP via Getty Images)
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"Wenn Werder verliert, ist das der Abstieg"

SPORT1: Herr Boenisch, wie sehen Sie die Lage bei Werder?
 
Sebastian Boenisch: Ich sage nur "do or die". Jetzt zählt nur ein Sieg in Mainz. Man sollte nicht auf Düsseldorf schauen. Es war von Werder ein guter Auftritt gegen die Bayern, aber dafür können sich die Jungs leider nichts kaufen. Das Ergebnis interessiert niemanden, ob du da gut spielst und nur 0:1 oder 0:6 verlierst oder was auch immer. Das war aber auch nicht wirklich das Spiel, in dem Werder mit drei Punkten hätte rechnen können. Wenn Werder gegen Mainz verliert, dann ist das der Abstieg.
 
SPORT1: Keine Chance am Ende gegen Köln?
 
Boenisch: Nein. Ich glaube, dass das Mainz-Spiel jetzt auch in den Köpfen der Spieler als Endspiel drin ist. Wenn das Spiel verloren wird, weiß ich nicht, ob man sich dann mental noch mal für das letzte Heimspiel gegen Köln motivieren kann. Das Schlimme ist, dass Werder am Samstag bereits absteigen kann, wenn man verliert und Düsseldorf gewinnt.

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SPORT1: Gegen die Bayern und in den Spielen zuvor gab es eine neue Stabilität. Doch Werder steht trotzdem am Abgrund. Was sind die Gründe?
 
Boenisch: Wir waren im August beim Jubiläum des Pokalsieges 2009 und da gab es auch ein Freundschaftsspiel. Ich habe damals schon gesagt, dass der Kader einfach zu schwach ist. Ich erinnere mich, dass ich zu einigen Spielern gesagt hatte: 'Ihr werdet große Probleme bekommen.' Das war mein Gefühl. Offensiv war das noch ganz okay, aber defensiv habe ich da schon Bedenken gehabt. Dass zwei Spieltage vor Schluss so die Kacke am Dampfen ist, tut mir persönlich nun sehr weh.

SPORT1: Nicht nur die Defensive, sondern auch die Offensive hat eine der schwächsten Bilanzen der Liga.
 
Boenisch: Ja, wir haben früher auch mit Werder drei, vier Tore pro Spiel kassiert, nur dann halt sechs geschossen. Das war der Unterschied.
Werder fehlte vorne ein Killer. Man muss sich in der vergangenen Saison nur mal die Bilanz von einem Max Kruse anschauen. Dass einer wie er nun fehlt, hat Werder das Genick gebrochen.

 
SPORT1: Was würde ein Abstieg für den Verein und die Stadt bedeuten?
 
Boenisch: Sollte der "worst case" wirklich eintreten und Werder absteigen, glaube ich nicht, dass man mit einem direkten Wiederaufstieg rechnen sollte. In der Zweiten Liga wird es eine komplett neue Welt. Ohne die Mannschaften dort abwerten zu wollen, aber dann fährst du nicht mehr nach München, sondern nach Sandhausen und das ist erstmal im Kopf nicht ganz so einfach zu realisieren. Das Budget muss auch extrem runtergefahren werden und man bekommt eben nicht mehr die Spieler, die man sich in der Bundesliga bekommen hätte, das wird alles komplett anders werden.

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SPORT1: Haben Sie eigentlich noch Hoffnung auf die Rettung?
 
Boenisch: Ja, irgendwie glaube ich noch daran, dass es funktionieren kann. Ich würde es mir für den Verein so wünschen - vor allem auch für Baumi und Boro, mit denen ich zusammengespielt habe (Geschäftsführer Sport Frank Baumann und Co-Trainer Tim Borowski, d. Red.). Aber auch für alle Mitarbeiter, die immer für den Klub 1000 Prozent geben.

Sebastian Boenisch (2.v.l.) 2008 mit Frank Baumann, Naldo, Tim Wiese (v.l.)
Sebastian Boenisch (2.v.l.) 2008 mit Frank Baumann, Naldo, Tim Wiese (v.l.)

Boenisch sicher: Kohfeldt muss bei Abstieg gehen

SPORT1: Hat man denn zu lange an Trainer Florian Kohfeldt festgehalten?
 
Boenisch: Schwer zu sagen. Ich kenne ihn persönlich nicht, aber ich glaube, dass bei einem anderen Verein der Trainer längst geflogen wäre, doch das spricht auch für Werder. Es gibt dort nicht diesen Trainer-Verschleiß wie in anderen Klubs, was für mich absolut positiv ist. Man vertraut Kohfeldt, der in der alten Saison schließlich souverän den Klassenerhalt geschafft hat.
 
SPORT1: Man muss aber auch sagen, dass Werder aufgrund der finanziellen Probleme ihn auch nicht entlassen konnte, oder?
 
Boenisch: Das spielt sicher auch eine Rolle. Es ist ein schmaler Grat. Gegen Paderborn war wieder solch eine Euphorie da, aber dass man dann ein paar Tage später gegen Bayern spielen muss, war sicher ungünstig. Wenn nach Paderborn die Partie gegen Mainz angestanden hätte, wären da vielleicht sechs Punkte aus den beiden Spielen drin gewesen.
 
SPORT1: Sollten Baumann und Kohfeldt im Falle des Abstiegs beide gehen?
 
Boenisch: Ich habe Baumi als Spieler miterlebt und glaube, dass er bei Werder seit Jahren einen guten Job macht. Man darf ihm nicht diese Saison anhängen. Ich denke, dass er auch den Gang in die Zweiten Liga mitmachen würde. Man sollte ihm dann auch diese Chance geben das wieder gutzumachen. Ich glaube dagegen, dass man sich von Kohfeldt trennen wird, sollte der Abstieg besiegelt sein. Dann war's das für ihn.

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Florian Kohfeldt ist aus Boenischs Sicht in Entlassungsgefahr
Florian Kohfeldt ist aus Boenischs Sicht in Entlassungsgefahr

SPORT1: Glauben Sie, dass einige Spieler längst mit dem Kopf bei einem anderen Klub ist?
 
Boenisch: Ja, leider glaube ich das. Es werden einige Spieler Werder verlassen, auch, weil sie Ausstiegsklauseln besitzen. Da gibt es trotz der guten Mentalität im Team sicher einige, die sich insgeheim denken 'Scheiß drauf, wenn wir absteigen, ich bin sowieso weg'. Aber da darf man sich nicht selbst belügen, so ist das Geschäft.
 
SPORT1: Der Fußball hat sich verändert, ist gläserner geworden. Wie denken Sie zurück und was nervt Sie?
 
Boenisch: Mich kotzt es heute an, wenn ich Spieler sehe, die nach dem Schusspfiff Interviews geben. Ganz ehrlich? Es wird immer nur das Gleiche gesagt, egal welcher Spieler vor der Kamera steht. Ein positives Beispiel ist Thomas Müller. Er hat zuletzt seine Meinung gesagt, doch dann wird gleich alles hinterfragt und kritisiert und er wird zurückgepfiffen. Warum bitte darf man nicht sagen, was man denkt und was man fühlt?
 
SPORT1: Wie ging es Ihnen zu Ihrer aktiven Zeit damit?
 
Boenisch: Ich muss mir das im Nachhinein auch ankreiden, weil ich diesen Weg auch mitgegangen bin und gesagt habe, was der Pressesprecher mir vor dem Gang zu den Reportern eingetrichtert hat. Er sagte dann immer: 'Schau, dass du nicht übertreibst oder dieses und jenes raushaust.' Über alle Interviews, die man nach einem Spiel sieht, wird so eine Schablone drüber gezogen und es ist nur noch langweilig. Ein Gegenbeispiel ist Chris Löwe. Er hat jetzt einfach gesagt, was ihm auf den Sack geht. Warum soll man das nicht machen?

Sebastian Boenisch gewann 2009 mit Werder den DFB-Pokal
Sebastian Boenisch gewann 2009 mit Werder den DFB-Pokal

"Frings und Wiese haben sich nichts vorschreiben lassen"

SPORT1: Haben Sie sich damals schlecht gefühlt?

Boenisch: Schon, denn ich habe mir gesagt 'Alter, was ist mit dir los? Das war doch gar nicht das, was du wirklich sagen wolltest.' Das war schon krass. ich denke, dass auch die Werder-Profis in der aktuellen Situation insgeheim etwas anderes sagen wollen, was sie aber nicht dürfen.

SPORT1: Wurden zu Ihrer Zeit Spieler bei Werder zurückgepfiffen?

Boenisch: Schon auch. Aber ich meine, das ist jetzt schon zwölf Jahre her, da sah die Welt noch anders aus. Wir hatten in der Truppe damals viele Alphatiere. Ich war noch sehr jung. Da reißt man seine Fresse noch nicht so auf. Wenn ich an Jungs wie Torsten Frings oder Tim Wiese denke, sie haben sich damals nichts vorschreiben lassen. Ich kann mich noch an ein Spiel in der Champions League erinnern, da hatte ich einen Ballverlust im Mittelfeld und "Lutscher" (Frings, d. Red.) hatte sich eine gelbe Karte eingefangen wegen mir, weil er den Konter unterbrechen musste. Da habe ich mir aber zwei Wochen etwas anhören müssen. So etwas gibt es heute nicht mehr. Die jungen Spieler werden in Watte gepackt und dürfen nicht angegriffen werden. Da besteht dann die Gefahr, dass sie für viel Geld verkauft werden, bloß weil Sie schlechte Laune bekommen.

SPORT1: Fehlen genau diese Typen wie Frings in Bremen?

Boenisch: Ich habe schon das Gefühl, dass da einer fehlt, der mal auf den Tisch haut. Frank Baumann war auch ein Typ, aber auf eine andere Art und Weise. Er war ruhiger, aber bei dem hat man auch bemerkt, wenn das Fass kurz vorm Überlaufen war. Das fehlt heute.