Am 24. Juni 1995 reckte Stefan Effenberg erstmal den DFB-Pokal in den Berliner Nachthimmel.
Effenberg: BVB eine große Gefahr
Seither hat den "Tiger" das Pokalfieber gepackt - und er ist es nie wieder losgeworden.
Passenderweise ist er in dieser Saison als Pokal-Experte für SPORT1 im Einsatz. Premiere hat der 51-Jährige am Freitag, wenn es zum großen Duell zwischen dem KFC Uerdingen und Borussia Dortmund kommt.
SPORT1: Herr Effenberg, endlich geht es los. Sie sind ein großer Fan des DFB-Pokals. Warum?
Stefan Effenberg: Weil du mit wenigen Spielen nach Europa kommen kannst. Mit fünf Siegen bist du in Berlin, das ist ein fantastisches Erlebnis, das jeder einmal erleben möchte. Ich durfte den Pokal zwei Mal gewinnen, einmal mit Borussia Mönchengladbach und einmal mit dem FC Bayern München. Einmal habe ich auch eine Niederlage einstecken müssen im Finale (1999 gegen SV Werder Bremen, Anm. d. Red.). Aber dieses Erlebnis Berlin und dann die Atmosphäre dort zu erfahren, ist der Traum eines jeden Fußballers.
SPORT1: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Effenberg: Auf die Überraschungen. Normalerweise denkt man immer, dass sich die Großen durchsetzen. Trotzdem gibt es immer wieder Überraschungen. Die Großen wollen natürlich nicht scheitern, bei Uerdingen gegen Dortmund trifft ein klarer Außenseiter auf einen Favoriten. Aber Uerdingen hat mit Sicherheit die eine oder andere Möglichkeit.
SPORT1: Was müsste passieren, damit Uerdingen die Sensation gelingt?
Effenberg: Da muss schon einiges zusammenkommen. Der BVB muss seine Chancen, die er mit Sicherheit kreieren wird, liegen lassen. Uerdingen muss mit Kampf dagegenhalten, die wenigen Möglichkeiten, die sich ergeben werden, nutzen und eine Menge Glück haben. Wenn das alles zusammenkommt, ist eine Sensation möglich.
SPORT1: Kevin Großkreutz trifft auf seine große Liebe Borussia Dortmund. Aber auch für die anderen KFC-Spieler wird es ein Highlight der Saison. Wie geht man in so ein Spiel?
Effenberg: Grundsätzlich hat Uerdingen ja nichts zu verlieren. Sie spielen vor einer tollen Kulisse, die sie in der dritten Liga normalerweise nicht haben (Die Partie findet in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena statt, Anm. d. Red.). Sie sind absoluter Underdog. Von daher können sie das Spiel einfach genießen. So sollte der Trainer sie auch rausschicken. Wie gesagt, für einen Erfolg muss viel zusammenkommen. Wenn sie mit Spaß bei der Sache sind, alles gegeben haben und dann trotzdem als Verlierer vom Feld gehen, kann Uerdingen sicherlich auch damit leben.
SPORT1: Bei Dortmund hat sich im Sommer einiges im Kader getan, einen Vorgeschmack auf den neuen BVB gab es im Supercup, beim 2:0-Sieg gegen den FC Bayern. Wie schätzen Sie die Dortmunder in der neuen Saison ein?
Effenberg: Sehr stark. Stärker als letzte Saison. Ich glaube, dass sie sich verbessert haben. Sie haben Neuzugänge geholt, die zu einhundert Prozent in das System von Lucien Favre passen. Das schnelle Umschaltspiel, mit wenigen Kontakten nach vorne zu kommen, wird in dieser Saison eine große Gefahr sein, für den FC Bayern. Dortmund muss man auf jeden Fall auf der Rechnung haben. Was ich sehr, sehr gut finde, ist zudem auch, dass sie aussprechen, Meister werden zu wollen.
SPORT1: Sind die Bayern nach der Supercup-Niederlage im Pokal gegen Energie Cottbus jetzt schon unter Druck?
Effenberg: Bei Bayern München ist immer Druck drauf. Ich sehe in Cottbus aber kein Gegner, der die Bayern gefährden kann. Bei allem Respekt, Cottbus gegenüber. Sie sind gerade aus der 3. Liga abgestiegen. Bayern München hat den Anspruch, den Pokal wieder zu gewinnen. So gehen sie auch in den Wettbewerb, von daher: Druck ja, aber damit können sie umgehen.
SPORT1: Wo liegt aktuell die größte Schwäche beim Rekordmeister?
Effenberg: Eins muss man schon klarstellen: Der FC Bayern ist immer noch stark genug und qualitativ sehr gut besetzt. Aber wenn du nur 14 bis 16 Spieler hast, mit dieser hohen Qualität, ist das zu wenig. Es geht da auch um die Qualität und Intensität im Training. Die geht natürlich auch verloren, wenn nicht genügend Mann mit einem gewissen Niveau im Kader sind. Bayern München hat den Anspruch, immer alle Titel zu gewinnen. Wenn man aber nicht nachlegen kann und eben diese drei, vier Spieler nicht bekommt, dann muss man die Saisonziele vielleicht ein bisschen korrigieren. Der Anspruch darf dann nicht sein, die Champions League zu gewinnen.
SPORT1: Es kommt ja zu einigen Derbys in der 1. Pokal-Runde. Der SV Atlas Delmenhorst spielt als "Gastgeber" im Weserstadion gegen Werder Bremen. Beide Orte trennen gerade einmal 15 Kilometer. Was macht das mit einem Spieler?
Effenberg: Das ist der Traum eines jeden Fußballers. Natürlich hätten sie in Delmenhorst vor ein paar Tausend Zuschauern spielen können. Aber in das Weserstadion zu kommen, mit dieser fantastischen Kulisse, ausverkauftes Haus, das wird ein ganz besonderer Tag für die Spieler von Delmenhorst. Da macht es dann auch keinen Unterschied mehr, ob sie ein paar Kilometer weiter im eigenen Stadion spielen würden.
SPORT1: Ein weiteres Derby ist die Partie zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Mainz 05. Welche Erinnerungen haben Sie an den Betzenberg?
Effenberg: Ja, da war es nie wirklich schön (lacht). Die Zuschauer waren nicht wirklich freundlich zu uns. Der Betzenberg war immer eine Festung, wenn Bayern München gekommen ist. Du wusstest, was auf dich zukommt, warst eingestellt, aber es war trotzdem immer verdammt schwierig. Das wird für die Mainzer nicht anders.
SPORT1: Der FC Schalke 04 trifft auf den SV Drochtersen/Assel. Letzte Saison hatten die den FC Bayern am Rande des Ausscheidens. Könnte auch Schalke stolpern?
Effenberg: Ja, ich denke schon. Bayern hat sich schwergetan, überhaupt keine Frage. Das sieht man auch am damaligen Endergebnis. Das zeigt eben die Pokal-Brisanz und das die Spiele eben nicht alle schon entschieden sind. Aber auch da muss sich Schalke einfach durchsetzen. Wenn die da rausfliegen, wird es schwierig in Gelsenkirchen…