Am Donnerstag hatte Uli Hoeneß noch einmal nachgelegt. Er fordere vom DFB mehr Unterstützung für Manuel Neuer, er fordere vom Verband ebenso eine Zurechtweisung Marc-Andre ter Stegens, sagte Bayerns Noch-Präsident mit Nachdruck.
Neuer vs. ter Stegen: Die Statistik
Hoeneß reagierte damit auf ter Stegens Aussage, er sei enttäuscht gewesen, beim EM-Qualifikationsspiel in Nordirland nicht zum Einsatz gekommen zu sein.
Es folgte ein öffentliches Aussagen-Pingpong zwischen Neuer und ter Stegen, plus ein Gepolter der Bayern-Bosse.
Doch was sagen die nackten Zahlen, zieht man die emotionalen Standpunkte und Interessen einmal ab? Welcher der beiden Torhüter konnte in den vergangenen Jahren die besseren Werte aufweisen? Welche jeweiligen Stärken und Schwächen lassen sich aus den Statistiken ableiten?
SPORT1 macht in Zusammenarbeit mit dem Datenanbieter Opta den großen Zahlen-Check: Neuer vs. ter Stegen.
Duell auf Augenhöhe
Vergleicht man die statistischen Werte auf Liga-Ebene, lassen sich nur minimale Unterschiede zwischen den beiden DFB-Konkurrenten feststellen.
Mit 0,8 Gegentoren pro Spiel liegt Manuel Neuer vor seinem Rivalen aus Barcelona, der im Schnitt ein Gegentor pro Spiel hinnehmen muss.
Der Keeper des FC Barcelona bekommt jedoch in einer sehr offensiv ausgerichteten Barca-Mannschaft und gegen allgemein angriffslustigere Gegner in La Liga auch etwas mehr zu tun.
Dies belegen 3,1 abgewehrte Schüsse pro Spiel im Vergleich zu 2,3 Schüssen auf Seiten der aktuellen deutschen Nummer eins.
Bei der Quote der abgewehrten Schüsse wiederum lassen sich keine gravierenden Unterschiede festmachen.
Etwas überraschend liegt ter Stegen bei den abgefangenen Flanken vor Neuer (1,5 vs. 1,2), ist er doch ganze sechs Zentimeter kleiner als sein Konkurrent.
Mitspielender Torwart vs. "Feldspieler"
Galt Neuer lange Zeit als der Inbegriff des mitspielenden Torhüters, hat ter Stegen diesen Begriff nochmal neu definiert.
Und sich damit als der perfekte Torhüter für den FC Barcelona und sein auf Ballbesitz und Dominanz ausgerichtetes System erwiesen.
Die Zahlen untermauern diese These: Während ter Stegen pro Liga-Partie beim FC Barcelona im Schnitt auf 49 Ballaktionen kommt, sind es bei Manuel Neuer "nur" 39.
Auch bei den gespielten Pässen liegt der ehemalige Gladbacher vor Neuer: 36 zu 27.
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Bei der Passquote der angekommenen Pässe nehmen sich beide nicht viel und bewegen sich auf allerhöchstem Niveau.
Ter Stegen: Mr. Champions League
Wirft man einen Blick auf die Zahlen in der Königsklasse, scheint der Barca-Keeper dort nochmal eine Schippe drauflegen zu können.
Sind beide Keeper in fast allen relevanten Werten beinahe gleichauf, sticht ter Stegen in zwei "Königs"-Disziplinen besonders hervor.
Sagenhafte vier von sechs Elfmetern konnte er parieren, zuletzt in beeindruckender Manier gegen Marco Reus beim Aufeinandertreffen mit dem BVB im Signal-Iduna-Park.
Beinahe noch beeindruckender: Nicht ein einziges Gegentor verschuldete der 27-Jährige in der Königsklasse in 53 Partien.
Neuer zeigt sich persönlich in seiner bisherigen Champions-League-Laufbahn für acht Gegentore verantwortlich, er "patzte" jedoch bei 101 Spielen lediglich in jeder 13. Partie.
Vergleich im DFB-Trikot
Und wie schaut es dort aus, wo es eigentlich zählt?
Ein Vergleich im Nationaldress fällt ungleich schwerer, da Neuer als amtierende Nummer eins natürlich wesentlich häufiger zum Einsatz kam (90 vs. 22 Spiele).
In der Statistik liegt er in der Gesamtbetrachtung knapp vor seinem ärgsten Rivalen.
Auch nach der WM 2018 und dem damit verbundenen Umbruch in der Nationalmannschaft erhielt ter Stegen kaum Bewährungschancen unter Joachim Löw.
Lediglich in zwei Partien durfte er das deutsche Tor hüten. Diese beiden Chancen nutzte er jedoch mit Bravour: Nur ein Gegentor musste er hinnehmen, bei einer Abwehrquote von 83 Prozent und einer Passquote von 92 Prozent.
Neuer musste im gleichen Zeitraum 1,3 Gegentore pro Partie hinnehmen, bei einer Abwehrquote von nur 63 Prozent.
Die Besten unter sich
Ein Blick über den Tellerrand genügt allerdings, um zu konstatieren: Die Torhüter-Debatte um die deutsche Nummer eins findet auf dem allerhöchsten Niveau statt.
Dazu ebenfalls eine Statistik aus der Champions League - dem Wettbewerb, in dem sich nicht nur die besten Spieler, sondern auch die besten Torhüter der Welt untereinander messen.
Das Expected-Goals-Modell, welches unter anderem auch die zu erwartenden Gegentore, also einfach ausgedrückt: die vereitelten "Hunderprozentigen", ermittelt, kommt zu folgendem Schluss:
Neuer und ter Stegen sind die besten Torhüter der Champions League.
Ter Stegen kassierte seit der Datenerfassung 2013/14 zwölf Gegentore weniger, als zu erwarten waren, Neuer sogar stolze 19. Beide liegen damit deutlich vor Torhüter-Legende Iker Casillas auf Platz drei.
Kurzum: Auch die statistischen Vergleiche lassen keinen Schluss zu, welcher der beiden Rivalen der bessere Torhüter ist.
Bei all der hitzigen Diskussionen in Deutschland können die Fans und Joachim Löw nur einer Sache sicher sein: Egal, wer im Tor steht, er gehört zur absoluten Welt-Elite. Zumindest das kann die Statistik mit Sicherheit belegen.