Überschwappende Freude dank eines Eisklumpens hinten drin: Die deutschen Handballer haben ihrem Wintermärchen bei der Weltmeisterschaft in der Wüste ein weiteres Erfolgskapitel hinzugefügt. Die Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson besiegte im Achtelfinale den fünfmaligen Afrikameister Ägypten nach einer Weltklasseleistung von Torhüter Carsten Lichtlein souverän 23:16 (12:8) und trifft im Viertelfinale am Mittwoch auf Gastgeber Katar. Lichtlein lief nach dem Spiel strahlend durch den Innenraum der Arena und sang immer wieder "Viertelfinale!"
Lichtlein glänzt bei souveränem Sieg
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Bester deutscher Werfer war Kapitän Uwe Gensheimer mit sechs Toren. Dazu parierte Lichtlein sensationelle 56 Prozent der Würfe auf sein Tor. "Wir haben eine sehr gute Abwehr hingestellt. Ich hatte ein bisschen Glück, dass ich die ersten paar Bälle halte und der Mannschaft Sicherheit geben kann", sagte er SPORT1 und gönnte sich nur kurze Freude: "Wir dürfen kurz glücklich sein, aber ab heute Abend stellen wir uns schon auf Katar ein."
Noch ein Sieg bis Olympia
Mit einem weiteren Sieg gegen Katar würde das deutsche Team erstmals seit dem Titelgewinn im eigenen Land vor acht Jahren wieder unter die besten vier Mannschaften der Welt vorstoßen und sich zudem einen Platz bei einem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2016 in Rio sichern.
"Wir haben sehr clever gespielt, gut angefangen und Ägypten immer unter Kontrolle gehabt. Es war gleich zu Beginn ein großes Signal, dass wir keine Chancen zulassen wollen", sagte Sigurdsson SPORT1. "Die Leistung der Abwehr und des Torhüters war sehr stark. Deshalb haben wir auch ein paar Gegenstoß-Tore bekommen."
Für seinen Matchwinner werde es am Abend nichts Alkoholisches geben, ließ Sigurdsson noch wissen: "Es gibt kein Bier in Katar. Deswegen nur Mineralwasser."
Ägypten hart wie erwartet
"Wir stellen alles auf null", hatte Sigurdsson nach Platz eins in der Vorrundengruppe vor dem Alles-oder-Nichts-Spiel gegen den Dritten der Afrikameisterschaft angekündigt und vor dem "aggressiven Gegner" gewarnt. Dass diese Warnung des Isländers berechtigt war, bekam der WM-Fünfte bereits in der Anfangsphase zu spüren. Die Ägypter gingen vor 10.000 Zuschauern von Beginn an sehr hart zu Werke und versuchten, dem Favoriten so den Schneid abzukaufen.
Die deutsche Mannschaft zeigte sich von dieser Spielweise, der offensiven Deckung und der lautstarken Unterstützung für die Ägypter aber nur in den ersten Minuten beeindruckt. Steffen Weinhold sorgte mit dem ersten Tor nach 4:45 Minuten für Ruhe und Sicherheit im deutschen Spiel. "Man hat bei jedem einzelnen Spieler gemerkt, dass er ins Viertelfinale will - und bei Lütti eben ganz besonders", sagte er SPORT1 mit Blick auf den Rückhalt im Tor.
Lichtlein kaum zu überwinden
Die deutsche 5:1-Abwehr agierte äußerst aufmerksam, dahinter trieb Lichtlein die Ägypter zur Verzweiflung. Zehn Paraden, drei abgewehrte Siebenmeter und eine sich auf die Mitspieler übertragende Ruhe - der Gummersbacher Schlussmann war im ersten Durchgang der Turm in der Schlacht.
Von Lichtleins Paraden beflügelt fand auch der deutsche Angriff im Hexenkessel in der Lusail Multipurpose Hall immer wieder gute Lösungen. Rechtsaußen Patrick Groetzki sorgte mit seinem vierten Treffer in Unterzahl für die erste Vier-Tore-Führung der DHB-Auswahl (7:3/15.). Auch in der Folge behielt das junge Team selbst in kritischen Situationen kühlen Kopf und ließ sich von den Ägyptern nicht provozieren. Besonders Weinhold musste im ersten Durchgang enorm viel einstecken.
DHB-Präsident Bauer begeistert
"Das war die beste Halbzeit unserer Mannschaft in diesem Turnier, eine herausragend konzentrierte Leistung. Das Team hat in diesem Hexenkessel kühlen Kopf bewahrt. Carsten Lichtlein hat unglaublich gehalten und Patrick Groetzki fantastisch getroffen. Zudem hat Martin Strobel auf der Mitte Ruhe und Gelassenheit ausgestrahlt", sagte ein äußerst zufriedener DHB-Präsident Bernhard Bauer in der Halbzeitpause.
Auch nach dem Wechsel konnte sich Bauer beruhigt zurücklehnen. Lichtlein hielt, der Angriff traf und Deutschland führte in der 37. Minute mit 17:8. Sigurdsson verfolgte das Spielgeschehen mit entspanntem Gesichtsausdruck von der Seitenlinie, während die Ägypter die Köpfe hängen ließen und vor den Augen des Emirs von Katar erst nach acht Minuten zu ihrem ersten Treffer im zweiten Durchgang kamen.
60 Prozent abgewehrte Bälle
Nach 44 Minuten hatte der überragende Lichtlein 60 Prozent aller auf sein Tor abgegebenen Würfe pariert - ein sensationeller Wert.
In der Schlussphase konnte es sich Sigurdsson angesichts des deutlichen Vorsprungs erlauben, einige Stammkräfte mit Blick auf das Viertelfinale gegen Katar zu schonen. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die deutschen Fans trotz deutlicher Unterzahl das Kommando in der Halle längst übernommen.