Um würdevolle Abschiede hat sich Real Madrid noch nie wirklich verdient gemacht. Der Klub, der das Königliche im Namen trägt, handelt eher nach der Maxime: Der König ist tot, lang lebe der König!
Adios und ein Arschtritt hinterher
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Das Volk (und vor allem die eitlen Klub-Präsidenten) gieren ständig nach neuen Helden. Jeder Neuzugang wird wie ein Heiland empfangen - und später vehement aus der Stadt gejagt.
Systematisches Mobbing
Wenn es darum geht, Spieler loszuwerden, betreiben die Verantwortlichen bei Real systematisches Mobbing. Iker Casillas, der am Sonntag unter Tränen seinen Umzug nach Porto bekanntgab, ist nur das letzte Opfer einer langen Reihe.
Immerhin verabschiedete sich Cristiano Ronaldo bei Twitter nett von ihm, schrieb, dass es eine Ehre gewesen sei, mit ihm zusammengespielt zu haben und wünschte Casillas alles Gute.
Ansonsten verfährt Real aber seit jeher nach dem Motto: Hasta la vista - und ein Arschtritt hinterher.
Casillas nur das letzte Opfer
Trainer Jupp Heynckes musste als Champions-League-Sieger gehen, Carlo Ancelotti zuletzt nur ein Jahr nach der Decima. Raul wurde nach Schalke abgeschoben, Rafael van der Vaart, Wesley Sneijder und Arjen Robben wurden kurzerhand die Rückkennummern weggenommen.
"Von einem so großen Klub wie Real Madrid hätte ich mehr Eleganz erwartet", schimpfte Robben 2009 vor seinem Wechsel zum FC Bayern. Sogar Alfredo di Stefano, der eleganteste Spieler, der je bei Real gespielt hat, wurde 1964 reichlich unelegant aus der Stadt vertrieben.
Genauso wie 51 Jahre später auch Casillas, den sie San Iker nennen in Madrid, den Heiligen Iker. Und das nicht nur, weil er so meisterhaft Bälle halten kann.
18 Titel mit Real
Das Unwürdigste war noch nicht mal Casillas' Abgang an sich. Sondern die jahrelangen peinlichen und erniedrigenden Versuche der Real-Bosse, Casillas klarzumachen, dass er, der Junge aus dem Madrider Vorort Mostoles, nicht mehr erwünscht sei.
18 Titel hat der 34-Jährige mit Real Madrid gewonnen, darunter dreimal die Champions League. Er ist Welt- und Europameister geworden, kein anderer ist fünf Mal hintereinander zum Welttorhüter des Jahres gewählt worden.
Die Galacticos Luis Figo, David Beckham, Ronaldo und Zinedine Zidane kamen. Die Gálacticos gingen. Es kamen die neuen Superstars um Cristiano Ronaldo. Doch einer war immer da. Casillas. Der Kapitän, der ewige San Iker.
Mourinho demütigte ihn, wo er konnte
Doch dann kam Jose Mourinho. Und beschuldigte ihn, ein "oveja negra", ein schwarzes Schaf, zu sein. Casillas hatte es gewagt, den vom Trainer betriebenen totalen Krieg gegen Barcelona zu hinterfragen. Und hatte fortan schwer als Senor unter einem Größenwahnsinnigen, der sich für Gott hält.
Und wie es sich für einen Gentleman gehört, verabschiedete sich Casillas auch via Twitter nochmal bei seinen Fans. Er lud ein Video mit dem Hashtag #unavida hoch, ein ganzes Leben, und sagte ein letztes Mal Gracias.
Die Demütigungen der letzten Jahre hat er sicher nicht vergessen, aber er stand immer über ihnen. Er beschwerte sich nicht, als Mourinho ihn auf die Bank setzte, als der einen gewissen Antonio Adan (heute Betis Sevilla) holte und später Diego Lopez (heute AC Milan). In der Nach-Mourinho-Ära kam noch Keylor Navas. Nun will Real David de Gea von Manchester United verpflichten - einen ehemaligen Keeper des Madrider Ortsrivalen Atletico.
Dabei hätten sie auch Casillas behalten können.
Mutter gibt Perez die Schuld
Vor allem aber ließ Präsident Florentino Pérez zu, dass große Teile der Fans Casillas wegen Mourinhos systematischen Mobbings auspfiffen. Für sie war San Iker gar nicht mehr heilig, sondern ein Schaf.
Casillas Mutter Maria del Carmen Fernandez Gonzalez hat sich zwar mittlerweile dafür entschuldigt, Porto als drittklassigen Klub bezeichnet zu haben. Doch ihre Kritik an Perez blieb. Der Präsident habe "dunkle Geheimnisse", sagte sie. "Er wollte ihn nie, weil er klein ist. Er mag große Torhüter. Er wollte immer Buffon holen".
Buffon wird den Abschied bekommen, den er verdient
Buffon aber ist mit Juve einst sogar in die Serie B gegangen. Die Bianconeri waren ihm zu wichtig. Sollte er irgendwann aufhören oder nochmal zum Geldverdienen in die USA oder wohin auch immer wechseln, wird er den Abschied bekommen, den er verdient.
Und ganz sicher kein kühles Adios und ein Arschtritt hinterher.