Mesut Özil war sauer.
Özil: Premier League im Dilemma?
Bei der 0:3-Niederlage des FC Arsenal gegen Manchester City wurde der Weltmeister von 2014 in der 59. Minute ausgewechselt.
Özil passte das überhaupt nicht, vor Wut trat er einen seiner Handschuhe weg. Das verstärkte die Buhrufe der Zuschauer, die bereits einsetzten, als er schleichenden Schrittes den Platz verließ (SERVICE: Tabelle der Premier League).
"Du hast nichts gezeigt. Geh einfach vom Feld runter", kritisierte auch der frühere Tottenham-Spieler Jermaine Jenas laut Daily Mail in seiner Rolle als Experte bei BT Sport Özils Launenhaftigkeit.
Auch Interimscoach Freddie Ljungberg gefiel die Reaktion seines Mittelfeldspielers nicht. "Wir werden sehen, was es für die Zukunft bedeutet", sagte der Schwede: "Aber wir wollen, dass sich die Spieler richtig benehmen."
Deutliche Kommentare zur Situation der Uiguren
Sportlich drohen dem 31-Jährigen also Konsequenzen, eine andere Aktion Özils könnte allerdings weitreichendere Folgen haben und gar die gesamte Premier League ins Dilemma stürzen.
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Am Freitag hatte sich Özil für die Uiguren stark gemacht und damit eine Beziehungskrise zwischen China und Arsenal ausgelöst, bei der das Streichen einer Übertragung womöglich nur der Anfang war.
"Korane werden verbrannt... Moscheen werden geschlossen... muslimische Schulen werden verboten... religiöse Gelehrte werden einer nach dem anderen umgebracht... Brüder werden gewaltsam in Lager gesperrt...", schrieb Özil, der gleichzeitig die muslimischen Länder für ihr Schweigen kritisierte, auf türkisch auf seinem Twitter-Account.
China wird vorgeworfen, die muslimische Minderheit in der Provinz Xinjiang zu verfolgen und in Arbeitslager einzusperren.
Menschenrechtsgruppen und Experten berichten von mehr als einer Million Uiguren und anderen Muslimen, die in chinesischen Lagern interniert sind. Nachdem China deren Existenz lange abstritt, erklärte das kommunistische Land inzwischen, es handle sich um Ausbildungszentren zur Umschulung und Deradikalisierung.
Özil enttäuscht China
Özils Aussagen stießen vor allem im Reich der Mitte auf Unverständnis.
Während die türkischen Fans Özil größtenteils zustimmen, gingen die Reaktionen im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo in die andere Richtung. Das Online-Forum Tieba schloss wegen des "nationalen Interesses" sogar seinen Özil-Fanklub.
Die landesweite Zeitung Global Times nannte Özils Äußerungen laut AFP "falsch", der 31-Jährige habe "chinesische Fans und die mit Fußball befassten Autoritäten enttäuscht".
Auch Erdogan verärgert?
Zudem stellte er sich erstmals - ob bewusst oder nicht - in gewisser Weise gegen Recep Tayyip Erdogan, nachdem er mit dem gemeinsamen Foto mit dem türkischen Präsidenten in Deutschland für Ärger gesorgt und diesen auch zu seiner Hochzeit eingeladen hatte.
Denn der Türkei liegt viel an engen Beziehungen zu Peking, öffentliche Solidarität mit den Muslimen in Xinjiang passt dabei wohl nicht ins Bild.
Sprecher Geng Shuang aus dem Außenministerium Chinas sagte am Montag, dass Özils Urteilsvermögen beeinflusst sei von "unwahren Bemerkungen" und "getäuscht von Fake News".
"Solange er einen gesunden Menschenverstand hat, klar zwischen richtig und falsch unterscheiden kann und die Prinzipien der Objektivität und Fairness hochhält, wird er ein anderes Xinjiang sehen", sagte Geng.
TV-Sender streicht Topspiel
Auch der FC Arsenal distanzierte sich von Özils Kommentaren.
"Die veröffentlichten Inhalte sind Özils persönliche Meinung", teilte der Klub via Weibo mit. "Als Fußballverein hat sich Arsenal immer an das Prinzip gehalten, sich nicht in die Politik einzumischen."
Die heftige Folge von Özils Aussagen ließ sich damit aber nicht verhindern: Der staatliche Fernsehsender CCTV strich das Topspiel der Gunners gegen Manchester City kurzerhand aus dem Programm.
China für Premier League wichtiger Markt
Özil begibt sich also nicht nur politisch in gefährliche Fahrwasser. In den Büros der Verantwortlichen der Premier League werden Özils Aussagen auch nicht mit Wohlwollen aufgefasst worden sein.
Arsenal unterhält zahlreiche wirtschaftliche Verbindungen nach China, betreibt dort eine Sportsbar und ein Restaurant und hat eine große, wachsende Fangemeinschaft.
Und die Premier League hat einen lukrativen Vertrag mit dem chinesischen Streamingdienst PP Sports geschlossen.
Der auf drei Jahre angelegte Vertrag, der seit dieser Saison läuft, soll der Liga nach verschiedenen Medienberichten insgesamt 630 Millionen Euro einbringen. Damit wäre China der ertragreichste Auslandsmarkt der Liga.
Schlimmerer Streit als bei der NBA?
Erst im Oktober hatte die NBA den Zorn Chinas zu spüren bekommen.
CCTV strich Live-Spiele der NBA, nachdem Daryl Morey die chinesische Hongkong-Politik kritisiert hatte. Der (später zurückgezogene) Tweet des General Managers der Houston Rockets kühlte die Beziehungen der Geschäftspartner enorm ab und löste in den USA eine Diskussion über Meinungsfreiheit aus.
Stars wie LeBron James, der sich in der Vergangenheit in anderen Fällen durchaus zu Wort gemeldet hatte, hielt sich mit Kritik an Chinas Politik zurück - vermutlich auch aus wirtschaftlichen Interessen.
Für die NBA entstanden aus dem Streit dennoch "ziemlich dramatische" finanzielle Folgen, wie Liga-Boss Adam Silver berichtete.
Die Global Times erklärte nun, Özil gehe einen Schritt weiter als Morey. Und die South China Morning Post warnte: "Es kann viel schlimmer kommen als mit der NBA."